Das passt ja wie die Faust auf’s Auge? Oder doch nicht? Aber der Reihe nach: Gut 50 Schauspieler um Jan Josef Liefers „erlaubten“ sich Ende April, unter #allesdichtmachen, #niewiederaufmachen und #lockdownfürimmer die Corona-„Politik“ ironisierend in mehr als 50 ein- bis dreiminütigen Statements aufzuspießen.
Satirisch gemeint, bezeichneten die Initiatoren ein Leben in Angst und Misstrauen sowie in extremer Kontaktreduzierung als erstrebenswert. Zugleich forderten sie mit gleichem Unterton die Bevölkerung dazu auf, die Politik der Regierenden vorbehaltslos zu unterstützen. Das Ziel der Satireaktion war nach eigenen Angaben: „Es geht darum, dass Kritik am Lockdown ein legitimer Standpunkt ist, der sich mit Argumenten und Fakten untermauern lässt.“
Und dann meldet sich wenige Tage später für den 3. bis 10. Mai eine Aktion „Woche der Meinungsfreiheit“ zu Wort. Wunderbar, atmet man erleichtert auf, endlich merken ein paar Leute, wie es um das Meinungsklima in Deutschland bestellt ist! Passt doch?
Mitnichten! Denn: Keiner der „Woche-der-Meinungsfreiheit“-Aktivisten hat die fünfzig Schauspieler in Schutz genommen. Im Gegenteil: Scharfrichter traten auf, allen voran der vormalige nordrhein-westfälische SPD-Minister Garrelt Duin, seit 2020 Mitglied des WDR-Rundfunkrates. Er forderte „Konsequenzen“ für die beteiligten Schauspieler, da diese sich als „Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sender“ „unmöglich“ gemacht hätten. Er forderte in einem später gelöschten Tweet „schnellstens“ eine Beendigung der Zusammenarbeit der zuständigen Gremien. Berufsverbot also!
Zurück zur „Woche der Meinungsfreiheit“! Wer steckt dahinter? Klar, die üblichen Bekannten. Die Aktion wurde vom Börsenverein des deutschen Buchhandels initiiert und im Spiel über Bande sofort von der ARD belobigt und unterstützt. Allein damit wird die Aktion schräg. Dazu kommen Unterstützer wie Michel Friedman, Wolfgang Niedecken und diverse „Journalist:innen/Moderator:innen/Blogger:innen, Influencer:innen“, die man zuletzt vor allem im „Kampf gegen rechts“ verortete.
Über allem also der Börsenverein des Deutsche Buchhandels! Ausgerechnet! In seinem Verbandsorgan „Börsenblatt“ (Ausgabe vom 6. August 2020) war es in einem großen Artikel um das Thema „Auslistung im Onlineshop: Zwischen Meinungsfreiheit und Zensur“ gegangen. Allein der Titel sagte schon alles: „Auslistung“! Auf die weitere Überschrift „Und tschüss …“ folgte erst der scheinheilige Satz: „Ohne Meinungsfreiheit keine vielfältige Branche.“ Was mit Meinungsfreiheit aber gemeint ist, wurde umgehend erläutert: „Trotzdem will nicht jede Buchhandlung Titel von aggressiven Verschwörungstheoretikern oder neurechten Verlagen verkaufen. Individuelle Sperroptionen sollen jetzt für mehr Gestaltungsspielraum im Onlinesortiment sorgen.“ Mehr „Gestaltungsspielraum“!
Im Klartext: Der Börsenverein definiert, was „igittigitt“ ist. So kann man sich denn auch denken, wie die Initiatoren der „Woche“ Meinungsfreiheit verstehen. Eine 11-Punkte-Charta haben sie aufgestellt. Der Punkt 5 lautet: „Hetze und Hass werden nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern beschädigen sie.“ Die braven Gefolgsleute werden – Wetten!? – bald definieren, was „Hetze und Hass“ ist. Es ist jedenfalls nicht die Rede davon, dass man zukünftig Kritiker des Mainstreams – in Talkshows oder dergleichen – zu Wort kommen lassen wird.
Was zeigt uns das? Es zeigt, dass dieses Land unter dem verlogenen Etikett „Meinungsfreiheit“ zu einer homogenisierten Meinungs- und Gesinnungs-„Republik“ verkommt. Die zum Teil gehässigen Reaktionen auf Jan Josef Liefers und seine Kollegen belegen, so die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, „wie weit die geistige Verwahrlosung derjenigen, die sich zu den Eliten und Meinungsmachern dieses Landes zählen, bereits gediehen ist“ und dass es zum „Sakrileg“ wurde, „diese Regierung kritisiert zu haben.“ Vera Lengsfeld schließt unter Hinweis auf den Herbst 1989: „Übrigens nahm die Friedliche Revolution erheblich Fahrt auf, als die Künstler begannen, die Resolution des Neuen Forums vor ihren Auftritten zu verlesen. Mit der DDR war es dann bald vorbei.“
Jan Josef Liefers gehörte – das sei nicht vergessen – zu denen, die (damals 25 Jahre alt (unter Inkaufnahme einer Verhaftung) auf die Bühne traten. Und Vera Lengsfeld hatte schon vorher zu den Regimekritikern gehört. Beängstigende Parallelen zwischen der Zeit vor 1989 und 2021! Oder ein Lichtstrahl der Hoffnung, wenn man an das Ergebnis von 1989 denkt? Die „Woche der Meinungsfreiheit“ ist dieser Lichtstrahl jedenfalls nicht. Im Gegenteil! Eine Erinnerung an den Walter-Ulbricht-Spruch „Es muss nur nach Demokratie aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“ drängt sich auf. Auf 2021 gemünzt: „Es muss nur nach Meinungsfreiheit aussehen, aber wir müssen vorgeben, was als Hass und Hetze gilt.“