Die Corona-Infektionen in Deutschland stagnieren seit ca. 10 Tagen, bereits zuvor gab es Anzeichen dafür, dass die „dritte Welle“ in der Oster-Zeit (als es durch Meldeverzug keine präzisen Daten gab) ihren Höhepunkt erreicht hat. Die Zahl der Corona-Toten ist auf einem niedrigen Niveau und stagniert. Alle RKI-Prognosen, die bereits für kurz nach Ostern eine Inzidenz von bis zu 300 in Aussicht stellten, traten nicht ein. Erst recht nicht glücklicherweise die Warnungen vor Hunderttausenden Todesfällen.
Auch in der dritten Welle wurde in Deutschland keine besondere Ausnahmesituation erreicht: In den letzten Wochen gab es in Deutschland eine statistische Untersterblichkeit, die Krankenhäuser und Intensivstationen sind insgesamt nicht stärker ausgelastet als in den Vorjahren. Begründet wird die Untersterblichkeit mit der ausgebliebenen Grippe-Welle. Diese dritte Corona-Welle hat bisher weniger Tote gefordert als eine durchschnittliche Grippewelle, die zweite Welle wohl soviel wie eine schwere.
Eine schwere Grippesaison hat Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in den letzten Jahren auch immer wieder an die Grenzen gebracht. Da wurde das Klagen des Pflegepersonals nur systematisch ignoriert. Diese Überlastung des Systems ist kein Indikator für eine besonders schwere Krankheit, sondern für die desolate Lage unserer Gesundheitssystems.
Diese Probleme sind seit Jahren bekannt – doch die Politik schwieg, schloss Krankenhäuser, ließ tausende Intensivpfleger ihren Job an den Nagel hängen. Im vergangenen Jahr allein gaben 9.000 Pfleger ihren Beruf auf, jeder Dritte Pfleger will den Job verlassen. Nicht mal jetzt während der Krise wurde wirklich etwas unternommen, alle Versprechungen von einer Verdopplung der High-Care-Intensivbettenkapazität (IV-Betten mit Möglichkeit invasiver Beatmung) wurden bis dato nicht verwirklicht.
Stattdessen: Lockdown, Lockdown, Lockdown. Der ist nicht nur brachial, sondern auch weitgehend sinnlos. Eine erst jüngst veröffentlichte schwedische Studie, die die wöchentlichen Sterblichkeitsraten aus 24 europäischen Ländern in Zusammenhang mit den getroffenen Corona-Maßnahmen untersuchte, kommt zu dem Ergebnis, „dass strenge Lockdowns nicht mit einer niedrigeren Sterblichkeit in Verbindung gebracht werden können. Mit anderen Worten: die Lockdowns haben nicht wie beabsichtigt funktioniert.“
Auch im internationalen Vergleich zeigt sich nachhaltig kaum eine Wirkung des Lockdowns. Schweden etwa steht bei ähnlicher Impfquote wie hierzulande, keinem Lockdown aber effektivem Schutz der Altersheime seit Beginn der zweiten Welle bei den wöchentlichen Toten im Verhältnis zur Bevölkerung etwa genau so gut da wie Deutschland. Große Teile der USA haben fast vollständig wieder geöffnet, die Zahlen sinken dennoch überall weiter.
Die indische Doppelmutante
Jetzt kommt die nächste Drohkulisse, die eine Bilanz der tatsächlichen Corona-Gefahr und eine sinnvolle Abwägung vernebelt: Die „indische Doppelmutante“. Man sieht die schlimmen Bilder aus Indien und steil hochschießende Coronazahlen. Auf die Bevölkerung gerechnet liegen allerdings sowohl Neuinfektionen als auch gemeldete Corona-Tote in Indien unter deutschem Niveau.
Wobei der Vergleich der Zahlen natürlich ohnehin hinkt: Indien testet viel weniger, registriert viel weniger. Aber genauso wenig ist die Situation in den Krankenhäusern zu vergleichen. Die schlimmen Bilder aus Indien sind erst einmal der Lage des Gesundheitssystems geschuldet – Indien hat 0,53 Krankenhausbetten pro tausend Einwohner, Deutschland acht. Deutschland liefert jetzt Sauerstoff und medizinische Hilfsmittel nach Indien – das ist in der Tat die einzig richtige Reaktion auf die Krise dort. Große Schlussfolgerungen auf die Gefahr der Virus-Variante lässt das indes keineswegs zu, es ist bisher weder wissenschaftlich belegt, dass die Mutante ansteckender, noch dass sie tödlicher ist. Erst jüngst erfuhren wir, dass die „britische Mutante“, wegen der wir uns aktuell nach dem offiziellen Begründungspapier im Bundeslockdown befinden, doch gar nicht tödlicher ist.
Die Politik scheut offenbar die Corona-Bilanz und verbreitet stattdessen immer neue Erzählungen über eine vermeintlich viel schlimmere drohende Pandemie. Doch mittlerweile sind einige Dinge klar: Corona ist keine Seuche, die einen Lockdown über Jahre rechtfertigt. Und: Durch spezifische Maßnahmen, wie dem konsequenten Schutz von Altersheimen, ist es möglich, die Folgen des Virus weitreichend zu reduzieren. Nach über einem Jahr gesellschaftlichen Ausnahmezustandes reicht das Aufstellen von bloßen Szenarien nicht mehr aus, um Grundrechtseinschränkungen in dieser Dimension zu rechtfertigen.