Tichys Einblick
Meinungsfreiheit in Deutschland

Schauspieler kritisieren die Bundesregierung – ist auch das schon verboten?

Wir sind den Schauspielern, die sich mit ihrer Satire über die Regierenden lustig machen, zu Dank verpflichtet, auch wenn man ihre Meinung nicht teilen mag. Hass und Hetze der Gegner zeigen, wie schlecht es um die Meinungsfreiheit bestellt ist.

Screenprint: via Youtube

Dreiundfünfzig Schauspieler tun sich zusammen und machen sich in Videos über die Bundesregierung lustig. Na und, könnte man sagen. Kunst und Macht haben noch nie gut miteinander gekonnt. Es ist die Aufgabe des Harlekins, auch dem mächtigsten Despoten den Spiegel vorzuhalten. Auf der Bühne lebt die Kritik, die draußen verboten ist.

Aber was heute geschah, nachdem die Filme veröffentlicht wurden, zeigt den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland. Garrelt Duin, früher SPD-Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen und derzeit Rundfunkrat beim WDR, fordert, die Kritiker aus den Programmen zu entfernen.

Wird Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts jetzt aus den Krimis herausgepixelt? Werden die Filme von Jan Josef Liefers aus der Mediathek gelöscht? Darf Heike Makatsch doch noch gezeigt werden, weil sie sich als erste von der Aktion gleich wieder distanziert hat?

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Nun kann man über die Corona-Politik unterschiedlicher Meinung sein. Ich werfe Jens Spahn vor, dass er die Impferei (heute habe ich übrigens einen Impftermin festgelegt) so versiebt und verzögert hat, wie er es mit seinen privaten Immobilien- und Maskengeschäften niemals gewagt hätte. Darf man das nicht kritisieren? Ist Digital-Staatsministerin Dorothee Bär über jede Kritik erhaben, weil sie 100 Millionen Euro für die Digital-App verbrannt hat, und sie nicht nur zweck- und sinnlos ist – schlimmer noch: weil sie die Ausbreitung des Virus befördert hat?

Darf man das kritisieren? In einer Demokratie eigentlich schon. Nicht unbedingt in Deutschland. Da drohen Shitstorms und Schikanen, denn jeder Kritiker wird als „rechts“ gestempelt. So trommeln es die regierungstreuen Medien und Politiker den braven Bürgern in die Ohren.

Wir erinnern uns: Als die Pandemie begann, waren es der Gesundheitsminister und die Sender der ARD, die behaupteten, die Warnungen vor der Pandemie seien die Erfindung von Rechten, um die Bevölkerung zu verängstigen.

Aber wer verängstigt jetzt die Bevölkerung? Doch die Regierung und die ihnen zugetanen Medien, die jede erhöhte Inzidenz nutzen, um Panik zu erzeugen. Und das wohl nur mit dem Ziel, die Bürger zu schikanieren und die mittelständische Wirtschaft zu ruinieren. Denn dass das tote Virus nicht nachtaktiv ist, dass es nicht ausrottbar ist und dass es schlummert oder immer wieder neu eingetragen wird – das ist doch mittlerweile Allgemeinwissen.

Die Regierung ist auf dem falschen Trip, es sei denn, sie plant Größeres und nimmt Corona nur zum Anlass, sich neue Machtbefugnisse anzueignen und bürgerliche Freiheiten abzuräumen oder den Föderalismus zu beseitigen.

Und wer das alles kritisiert, ist rechts? Das ist lächerlich. Wir wissen, dass auf den Corona-Demonstrationen Linke und Rechte und vor allem frühere Grünen-Wähler ihrer Ansicht Ausdruck verleihen. Das Links-Rechts-Schema taugt da nicht, einst nannte es Norbert Blüm eine überholte „Gesäß-Geographie“. Aber es wird als Totschlagargument benutzt.

Jedenfalls sind wir den Schauspielern zu Dank verpflichtet, auch wenn man ihre Meinungen nicht teilen mag, das darf ja auch sein.

Dieser Staat zeigt gerade sein Gesicht. Es ist kein schönes Gesicht. Es ist verbissen, rechthaberisch, engstirnig und furchterregend.

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Wir kennen diesen Umgang mit Künstlern aus unserer finsteren Teil-Geschichte. Das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED vom 16. bis 18. Dezember 1965 ging als sogenanntes „Kahlschlag-Plenum“ in die Geschichte der DDR ein: Es diente vor allem der Säuberung in der DDR-Kulturpolitik von kritischen Kunstwerken und Künstlern. Das damalige Politbüromitglied Erich Honecker warf einer Reihe von Regisseuren, Drehbuchautoren und Schriftstellern „Nihilismus“, „Skeptizismus“ und „Pornografie“ vor. Als Folge des Plenums wurde die halbe Jahresproduktion der staatlichen DDR-Filmproduktionsfirma Defa verboten, unter anderem die Streifen „Das Kaninchen bin ich“ von Kurt Maetzig, „Denk bloß nicht, ich heule“ von Frank Vogel und „Die Spur der Steine“ von Frank Beyer. Auch das Theaterstück „Der Bau“ von Heiner Müller und Stefan Heyms Buch „Der Tag“ kamen auf die schwarze Liste. Insbesondere die Filme gelten heute als sehenswerte Klassiker.

Es sieht so aus, als wollten Duin und andere aus der Geschichte nicht lernen. Sie diskreditieren Künstler, die halt mal anderer Meinung sind. Wir merken, dass Deutschland kein liberales Land mehr ist, in dem man auch Schauspielern eine abweichende Meinung zugesteht, so wie sie jedem Bürger garantiert sein muss.

Die Saat von Merkels Politik geht auf: Misstrauen, Hass und Hetze gegen jeden, der es wagt, ihre „alternativlose“ Politik zu kritisieren. Es fällt auf, dass um uns herum andere Maßstäbe herrschen. Anderer Länder in Europa machen auf, schaffen Begrenzungen ab, feiern den Frühling und das Verschwinden der schlimmsten Bedrohung. Deutschland dagegen sperrt sich selbst ein, die Bürger werden gegängelt, strafbar ist es, nachts das Haus zu verlassen.

Da passt jenes Lied, das Gustav Gründgens 1938 erstmals sang; die Musik stammt von Theo Mackeben, der Text von Otto Ernst Hesse:

Wenn die Bürger schlafen gehn
In der Zipfelmütze
Und zu ihrem König flehn,
Daß er sie beschütze,
Ziehn wir festlich angetan
Hin zu den Tavernen;
Schlendrian, Schlendrian
Unter den Laternen.

Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da
Die Nacht ist da, daß was gescheh‘.

Der Film, in dem Gründgens damit auftrat, trug den Titel: „Der Tanz auf dem Vulkan“.
Es gruselt, wenn man in der Geschichte blättert.

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