Robert Habeck wäre der aussichtsreichere Kandidat gewesen
Elisa David
Man kann von Habeck halten was man will: Aber er hat die Grünen groß gemacht, er war derjenige, der bei Studienrätinnen mittleren Alters deutschlandweit Begeisterungsstürme auslöste. Jetzt ist Baerbock die Nr. 1. Das muss schwer sein. Unsere Autorin bringt ein wenig Mitleid auf.
Es waren jetzt einige wenige Tage, um über die Aussicht, Annalena Baerbock könnte möglicherweise die nächste Bundeskanzlerin werden, hinweg zu kommen. Ich weiß, es tut weh, aber ich lege jetzt einfach nochmal den Finger in die Wunde. Dass die Grünen friedlich und ohne großes Drama zu einer Einigung in der K-Frage gekommen sind, während die Union das erst nach einem Verhandlungsmarathon mit gefühlten fünf politischen Morden geschafft hat, wurde den Grünen hoch angerechnet. Baerbock ließ es immer so aussehen, als hätte Habeck gar nicht wirklich Anspruch erhoben – so, als wollten sie die Entscheidung ursprünglich durch ein Duell in Schere-Stein-Papier austragen, doch dann hat Habeck freiwillig aufgegeben, weil Baerbock ja so viel „Realitätserfahrung“ hat und sich so gut in Themen einarbeiten kann. Doch ein Zeit-Interview mit Robert Habeck rückt den Prozess der Entscheidungsfindung nun in ein etwas anderes Licht. Sieht es hinter den Kulissen vielleicht doch nicht so blumig aus?
Es scheint, als gäbe Habeck sich große Mühe, die Aufstellung von Annalena Baerbock mit einem Lächeln zu begleiten und zu vertreten. Er spricht davon, dass er ihr definitiv beistehen und für sie und die Grünen Wahlkampf machen wolle. Trotzdem gibt er im Interview an mehreren Stellen zu, dass er noch nicht so ganz darüber hinweg ist – der Tag der Verkündung sei „der schmerzhafteste Tag in meiner politischen Laufbahn“ gewesen. Er bedauert, dass er so hart gearbeitet habe, um die Grünen in eine Position zu bringen, in der sie über das Aufstellen eines Kanzlers nachdenken können, die Lorbeeren dafür aber jetzt ein anderer bekommt. Er geht sogar so weit zu sagen: „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen.“ Ob ihm dabei eine Träne über die Wange lief, schreiben die Zeit-Autoren leider nicht dazu. Er beklagt: „Ich wurde auf einmal über Äußerlichkeiten beschrieben und nicht über meine Leistungsbilanz und Erfahrung. Das hat genervt und war irritierend. Bei Frauen würde man das sexistische Zuschreibungen nennen.“
Der arme Robert. Jetzt hat er jahrelang den Sonnyboy gegeben, in jede Kamera gelächelt, fleißig Fotos von sich und Pferden gepostet, auf den Reisen immer wieder die Schuhe ausgezogen, und obwohl er „Vaterlandsliebe schon immer zum Kotzen“ fand, wäre er bereit gewesen, sich dem deutschen Volke zu verpflichten – aber jetzt bekommt den Posten seine Zweitbesetzung, die niemand kennen würde, wenn er nicht gewesen wäre. So unsympathisch manche Habeck auch finden, so sehr kann man sein schweres Los und Leid nachvollziehen. Er war das große Aushängeschild der Grünen, Journalistinnen bei ARD und ZEIT geraten in religiöse Verzückungen – jeder weiß, wer er ist. Anders als bei Baerbock, die verwechsele ich persönlich andauernd mit Katrin Göring-Eckardt.
Annalena Baerbock würde ich nicht mal eine gebrauchte Rikscha abkaufen
Habeck verfügt über eine gewisse Präsenz, er hat in der Vergangenheit sehr viel Medienarbeit gemacht und die Grünen objektiv betrachtet in neue Höhenflüge gesteuert – sodass sie jetzt einen Kanzlerkandidaten aufstellen können, obwohl sie im Bundestag die kleinste Fraktion darstellen. Währenddessen ist das einzige, was Baerbock je getan hat, um bekannt zu werden, über Kobolde und das Stromnetz als Speicher zu philosophieren.
Kaum jemand weiß genau, was sie je geleistet hat, ob das überhaupt je etwas Relevantes dabei war oder wo sie mal Tacheles gesprochen hat. Annalena ist, das musste sogar die Tagesschau zugeben, einfach nur diese eine Grüne mit dem Sprachfehler. Sie ist nicht mal eine richtige alternative Ökotante, der Karrierismus steht ihr ins Gesicht geschrieben, die Inhalte scheinen austauschbar. Objektiv wäre Habeck der verdientere Kandidat gewesen, denn dass die Grünen überhaupt einen Kandidaten aufstellen können, verdanken sie ihm.
So sehr es mich auch schmerzt, muss ich zugeben: die Grünen hätten mit ihm tatsächlich Kanzler werden können. Wenn man sich mal in einen unpolitischen Menschen hineinversetzt, der keine Ahnung hat, was die ganzen Politiker jemals gesagt haben, dann würde der- oder diejenige Habeck sicher Söder und Laschet vorziehen. Aber Baerbock? Dass da jemand sagt: Die sieht vertrauenserweckend aus, die wähle ich … schwer vorstellbar.
Annalena Baerbock würde ich nicht mal eine gebrauchte Rikscha abkaufen, einfach aus Angst, sie könnte die Räder vielleicht mit Gartenschläuchen bezogen haben, denn „Schlauch ist Schlauch“.
Allerdings fragt man sich jetzt: Warum hat Habeck sich nicht durchgesetzt? Es wäre ja nicht nur aus persönlichem Interesse, sondern auch zum Wohle der Partei gewesen. Die Frage wird Habeck (zwar nicht so scharf) auch im Interview gestellt. Seine Antwort: „Dass Annalena eine Frau ist, in einem ansonsten männlichen Wahlkampf, war ein zentrales Kriterium.“ Bei diesem zentralen Kriterium bleibt es, er macht sich gar nicht die Mühe, andere Stärken von seiner Kollegin aufzulisten – er scheint selbst einzusehen, dass es keine gibt. Dass sie wirklich einfach nur eine Quotenfrau ist, wird noch einmal mit der Frage manifestiert, ob Habeck sich denn besser hätte durchsetzen können, wenn andere Parteien Frauen als Kandidaten aufgestellt hätten. Seine Antwort: „Das ist spekulativ.“ Keine klare Antwort also, die Frage hat wohl ins Schwarze getroffen. Die Revolution frisst ihre Kinder.
Die Zeit bis zur Wahl ist noch lang – jedenfalls lang genug für Baerbock, sich in verschiedenster Hinsicht zu verplappern. Da hilft ihr dann auch die Werbekampagne nicht, die der ÖRR für sie vermutlich gerade vorbereitet – ihr größter Gegner bleibt einfach sie selbst. Darum bin ich ziemlich zuversichtlich, dass die Grünen sich mit ihrer Quotenfrau selbst ein Beinchen gestellt haben. Das könnte ihnen eine Lehre sein – aber wovon träume ich eigentlich nachts, wir reden hier ja immer noch von den Grünen. Und deshalb antwortet Habeck auf die Frage, ob er es denn nicht ein bisschen mit der Gleichberechtigung übertrieben habe, mit: „Nein, ganz im Gegenteil!“ Er hat es wohl einfach nicht anders verdient.
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