Tichys Einblick
Die seltsamen Geschäfte des Ministers

Jens Spahn und die Vorzugskonditionen für die Firma Fiege

Der Bundesgesundheitsminister schweigt über persönliche Kontakte zu dem Familienunternehmen. Dessen Sonderbehandlung wirft immer mehr Fragen auf.

imago/photothek

Warum räumte Jens Spahns Bundesgesundheitsministerium dem Logistik-Unternehmen Fiege bei der Beschaffung von Schutzmasken erstaunliche Sonderkonditionen ein? Diese Frage stellte TE dem Minister am 8. April 2021 – zusammen mit Fragen nach möglichen privatgeschäftlichen Kontakten des CDU-Politikers zu dem Unternehmen beziehungsweise dessen Gesellschaftern. Nach mehr als einer Woche gibt es noch keine Antwort Spahns. Dabei könnte er den Verdacht einer privaten Verbandelung mit dem Familienbetrieb aus dem Münsterland kurz und einfach beiseite räumen: indem er erklärt, dass es keine gibt.

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Zu den unbeantworteten alten Fragen kommen allerdings neue Details. Sie lassen Spahns zuvorkommende Behandlung für das Logistikunternehmen aus seiner Heimat noch seltsamer erscheinen.

Wie TE berichtete, schloss das Bundesgesundheitsministerium am 31. März 2020 mit Fiege einen Rahmenvertrag über die Beschaffung von maximal 110 Millionen FFP-2-Schutzmasken und 500 Millionen einfachen OP-Masken. Die Vereinbarung, die TE vorliegt, enthält eine besondere Klausel: „Im derzeitigen Markt ist es in der Regel aktuell erforderlich“, heißt es dort, „dass FIB den Ankauf bei seinen Lieferanten schon vor der Prüfung tätigt. Den Parteien ist das bewusst und die damit verbundenen Risiken aus dem Kaufvertrag trägt BGM.“ Das Bundesgesundheitsministerium übernahm also pauschal das gesamte Risiko, falls sich die beschafften Masken als minderwertig oder unbrauchbar erweisen sollten. Außerdem erhielt Fiege – anders als andere Lieferanten – Vorkasse in einem erheblichen Ausmaß. „Das BGM hat bereits eine Abschlagzahlung von 40 000 000.- Euro (vierzig Millionen) geleistet“, heißt es in dem Rahmenvertrag.

Volle Risikoübernahme durch das Spahn-Ministerium, Vorkasse – unter diesen Bedingungen konnte das Unternehmen aus Spahns Heimat nicht viel falsch machen.

In einem Anhang zum Vertrag korrigierten die Partner noch die Preise für die Schutzausrüstung nach oben, die das Ministerium zu bezahlen hatte. Für die FFP-2-Masken sollten demnach 3,05 Euro (statt ursprünglich 2,95), für die OP-Masken 0,53 Euro (statt 0,44) abgerechnet werden.

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Andere Unternehmen erhielten in dem von Spahns Ministerium angeschobenen Beschaffungsverfahren weder Vorkasse noch eine Risikoübernahme des Staates. Und mehr als 70 Lieferanten warten bis heute auf ihr Geld. Die meisten von ihnen klagen vor dem Landgericht Bonn; es geht um einen Gesamtbetrag von mehr als 200 Millionen Euro, die die Unternehmen von dem Ministerium fordern. In vielen Fällen behauptete die Behörde pauschal Qualitätsmängel – also genau das, wofür sie in dem Vertrag mit Fiege komplett selbst beziehungsweise auf Kosten des Steuerzahlers haftete.

Die Fiege International Beteiligungs GmbH (FIB) sitzt in Greven im Münsterland, ganz in der Nähe von Spahns Wahlkreis Steinfurt Borken. Vize-Vorsitzender des CDU-Bezirks Münsterland ist Jens Spahn. Angehörige der Unternehmerfamilie verfügen über sehr enge Beziehungen zur CDU: Mitgesellschafter und Ex-Chef Hugo Fiege sitzt im Präsidium des CDU-Wirtschaftsrats, Sohn Felix Fiege leitet die Fachkommission Digitale Wirtschaft des CDU-Wirtschaftsrats in Nordrhein-Westfalen.

Nach TE-Informationen verhandelte im März 2020 auch ein anderes Unternehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium, das anders als Fiege jahrelange Erfahrung beim Einkauf medizinischer Güter besitzt. Die Firma aus Franken hatte Lieferung auf Rechnung angeboten – also nicht wie Fiege auf Vorkasse. Und sie verfügte nach eigener Auskunft über alle notwendigen deutschen Zertifikate für die Importmasken.

Die Gespräche mit Ingo Behnel, dem Leiter von Spahns Zentralabteilung, waren offenbar schon weit gediehen. Dann brachen sie ohne Erklärung ab. Und zwar exakt einen Tag, bevor das Ministerium den Sonderkonditions-Vertrag mit Fiege abschloss. „Uns fehlten die politischen Kontakte“, heißt es sarkastisch von einem leitenden Mitarbeiter der fränkischen Firma.

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Spahn hatte in einem Interview mit dem SPIEGEL am 26. März über die Maskenbeschaffung seines Hauses gesagt: „Es funktioniert besser mit jemand, den man kennt.“ Allerdings beteuerte er, er habe gegenüber seinen Beamten darauf gedrungen, alle Anbieter gleich zu behandeln. Die Recherchen von TE passen nicht zu Spahns forscher Behauptung. Und der Unionspolitiker tut auch nichts, um die Affäre um Gefälligkeit und Nähe aufzuklären. Der bewusste Abschluss eines für die öffentliche Hand ungünstigeren Vertrags wäre Haushaltsuntreue.

Für die Frage nach möglichen privatgeschäftlichen Kontakten Spahns gibt es einen konkreten Anlass: seine teuren Immobilienkäufe. Mitte 2020 erwarb er zusammen mit seinem Partner Daniel Funke eine Villa in Dahlem, 285 Quadratmeter Wohnfläche, 1.317 Quadratmeter Grundstück. Den Kauf von über 4 Millioenen € finanzierte die Sparkasse Münsterland aus Spahns Heimat. Bis 2015 saß Spahn im Verwaltungsrat des Kreditinstituts. Als Verwaltungsratsvorsitzender amtiert der CDU-Lokalpolitiker Kai Zwicker, Landrat im Kreis Borken. Laut Grundbuchunterlagen ließ die Sparkasse 2020 im Zusammenhang mit der Villa mit einer Grundschuld von je 1,75 und 2,5 Millionen Euro eintragen – was zusammen in etwa dem Kaufpreis plus Maklergebühr und Grunderwerbssteuer entsprechen würde. Üblicherweise finanzieren Sparkassen nur Immobilien innerhalb ihres eigenen Gebiets. Unabhängig davon wäre eine hundertprozentige Finanzierung nach den Kreditvergabe-Richtlinien kaum möglich – es sei denn, jemand hätte das Darlehen mit einer Bürgschaft absichert. Die Sparkasse Münsterland finanzierte offenbar nicht nur die Villa in Dahlem, sondern auch weitere Immobilien des Ministers.

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Die Fragen zu solchen möglichen Bürgschaften oder anderen Hilfen von privater Seite will der Minister offenbar aussitzen – genau so wie die Gerichtsverfahren gegen sein Ministerium. Die mehr als 70 Lieferanten bezahlte das BGM offenbar deshalb nicht, weil es sich bei der Bestellung von Masken und anderem Schutzmaterial grob verkalkulierte. Statt wie geplant für 1,2 Milliarden Euro schloss das Ministerium Kontrakte für mehr als 6 Milliarden ab. Seit Mitte 2020 versucht sich die Behörde mit kreativen Begründungen aus vielen Verträgen zu winden.

Für Unternehmer, die keine so guten Konditionen wie Fiege und einige andere erhielten, bedeutet das bisher in vielen Fällen Schäden von mehreren Millionen Euro.

Die für das Bundesgesundheitsministerium tätigen Anwälte des Beratungsunternehmens Ernst & Young beantragte nach TE-Informationen reihenweise Fristverlängerungen beim Landgericht Bonn. Im Fall des Offenburger Unternehmers Joachim Lutz, der auf Bezahlung seiner Ware klagt, stand das Gericht auf Antrag der Ministeriums-Anwälte eine Fristverlängerung bis zum 7. April zu. Auch diese Frist ließen die Ernst & Young-Juristen verstreichen. Jetzt kündigten die Richter an, am 24. April das Urteil zu fällen. Es könnte das erste in einer ganzen Serie von Prozessen gegen das Ministerium des ehrgeizigen CDU-Politikers sein.
In anderen Verfahren verlangten sie eine Fristverlängerung bis Mai. „Spahn versucht offenbar, das ganze hinter die Bundestagswahl zu ziehen“, vermutet einer der klagenden Lieferanten.

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