Ein gutes Stück Braukultur dürfte der Corona-Politik der Bundesregierung anheimfallen. Der Deutsche Brauer-Bund hat seine Mitgliedsbetriebe befragt, wie die mit dem Lockdown zurecht kommen. Das Ergebnis: Jeder vierte Betrieb bangt um seine Existenz. Zwischen Januar und März ist der Umsatz außerdem um ein Drittel geschrumpft. Bei manchen Betrieben fielen sogar 85 Prozent der Erlöse weg.
“Einbrüche dieser Dimension hat es seit Ende des Zweiten Weltkriegs in der deutschen Brauwirtschaft nicht gegeben”, sagte Verbandschef Holger Eichele und fügte hinzu: “Nach fast sechs Monaten Dauerlockdown sind das Gastronomiegeschäft und Teile des Exports vollends zusammengebrochen, eine Erholung des Marktes ist nicht in Sicht, weil jede Perspektive fehlt.”
Die Bierbranche ist hierzulande stark fragmentiert. Laut Zahlen des Brauer-Bunds gab es im Jahr 2019 über 1.500 Brauereien. Etwa 850 sind dem Verband “The Brewers of Europe” zufolge sogenannte “Mikrobrauereien”, die einen Jahresausstoß von unter 1.000 Hektolitern haben. Gerade sie dürften von der Gastronomie-Schließung am stärksten betroffen sein. Denn oft handelt es sich um Brauereigaststätten, die einen Großteil der Produktion selbst ausschenken. Die meisten Branchengrößen, etwa Krombacher oder Veltins, haben dagegen einen Fassbieranteil von unter 20 Prozent, den sie in den Gastronomie absetzen.
In der Umfrage, die nicht repräsentativ ist, aber laut dem Brauer-Bund die Bandbreite der Branche gut abbilde, gaben 58 Prozent der Unternehmen an, “sehr stark” vom Gastronomie-Shutdown betroffen zu sein. 30 Prozent waren stark betroffen. Vier von fünf Unternehmen verschieben aktuell anstehende und für die Zukunft wichtige Investitionen oder streichen diese ganz. Knapp ein Drittel musste bereits betriebsbedingte Kündigungen aussprechen.
Staatliche Hilfen kommen nur teilweise an. Das Überbrückungsgeld III haben zwar 69 Prozent beantragt, aber nur 3 Prozent erhalten. Das Kurzarbeitergeld bekamen 64 Prozent vollständig – jeder fünfte Betrieb erhielt eine Teilzahlung. Die November- und Dezemberhilfe ging bei 44 beziehungsweise 31 Prozent vollständig wie beantragt ein. Drei Viertel der Unternehmen sagten, die beschlossenen Hilfen reichten nicht aus.
Was die Zukunft angeht, sind viele Betriebe pessimistisch. Neben Insolvenzen erwarten sie auch höhere Steuern und Abgaben. 86 Prozent rechnen mit entsprechenden Gesetzen, um die Staatsfinanzen zu stützen. Viele sprechen sich für eine entbürokratisierte Wirtschaftspolitik aus und fordern eine klare Öffnungsperspektive für die Gastronomie.
Bereits im vergangenen Sommer warnte Veltins-Chef Michael Huber vor einem Brauerei-Sterben. “Die Pandemie trifft die heterogene Struktur der Brauereienlandschaft mit ihren 1.400 Unternehmen in ihren Grundfesten”, ließ er sich in einer Mitteilung zitieren. Besonders die regionalen, kleinen Brauereien lebten stark vom Gastronomiegeschäft und seien durch Investitionsstau, geringe Profitabilität und dem Damoklesschwert der Steuerstundung zusätzlich geschwächt, sagte der Veltins-Chef vor mehr als einem halben Jahr.