In einem offenen Brief haben sich der ehemalige Chef der Charité-Virologie Detlev Krüger und der Epidemiologe Klaus Stöhr an den Deutschen Bundestag gewandt und vor den Plänen der Bundesregierung gewarnt, Maßnahmen bundesweit in Zukunft automatisch an die Inzidenz zu koppeln. Wie die WELT aus dem Schreiben zitiert, heißt es dort: „Wir raten dringend davon ab, bei der geplanten gesetzlichen Normierung die ‚7-Tages-Inzidenz‘ als alleinige Bemessungsgrundlage für antipandemische Schutzmaßnahmen zu definieren.“ Stattdessen wirbt man dafür, die Pandemiepolitik an der Belegung der Intensivbetten zu orientieren.
Die Wissenschaftler warnen vor einem Szenario in dem „die verbindliche Koppelung von Maßnahmen an die 7-Tages-Inzidenz der Infektionen zur Folge haben können, dass selbst dann massive Einschränkungen der Freiheitsrechte mit gravierenden Auswirkungen auf Wirtschaft, Kultur und die körperliche und seelische Gesundheit erfolgen müssten, wenn längst weniger krankenhauspflichtige Erkrankungen als während einer durchschnittlichen Grippewelle resultierten.“
Insbesondere aufgrund der vermehrten Durchführung von Tests gebe der Wert „zunehmend weniger die Krankheitslast in der Gesellschaft wieder. Zudem unterliegt dieser Wert zunehmend schwankenden Erfassungswahrscheinlichkeiten, die völlig unabhängig vom eigentlichen Infektionsgeschehen sind.“ Auch wehren sich die Wissenschaftler dagegen, die Inzidenz in allen Fällen gleich zu gewichten – es komme vielmehr auch auf das Alter der Erkrankten und den Schweregrat der Infektion an.
Detlev Krüger war 27 Jahre lang Chef der Charité-Virologie und als solcher Vorgänger von Christian Drosten, Klaus Stöhr war in verschiedenen Positionen in der internationalen Seuchenbekämpfung aktiv, u.a. als Leiter des Globalen Influenza- und Pandemievorbereitungsprogrammes der WHO Genf.
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