In einer pluralistischen Medienlandschaft wäre es keine Meldung wert, wenn ein Fernsehredakteur in einer Nachrichtensendung einen regierungskritischen Kommentar einspricht. Indes ist harte Lockdown-Kritik in den allermeisten Redaktionsstuben rar gesät. Umso mehr fällt ein Journalist auf, der gegen den Meinungsstrom schwimmt.
Genau das tat der Chefredakteur des regionalen Ablegers des Senders für Hessen und Rheinland-Pfalz. In der Sendung “17:30Sat.1live” stellte Richard Kremershof der Bundesregierung ein vernichtendes Zeugnis aus. Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes sei ein “Gesetzesirrwitz, den man dem Parlament vorlegen will”, sagte er. Etwa unterstelle die Bundesregierung in puncto Ausgangssperre “wildes nächtliches Treiben und fehlende Disziplin”. Aber habe sie dafür Belege, gerade im Hinblick auf mögliche Infektionswege zu nächtlicher Stunde, fragte er und kommentierte: “Bloße Annahmen reichen nicht, um die Grundrechte dermaßen einzuschränken”.
Angela Merkel mache mit dem Föderalismus gerade “kurzen Prozess”, erklärte er. Die Bundesländer würden “hoffentlich” wach, bevor sie entmachtet seien. Schließlich diene das föderale System seit Gründung der Bundesrepublik dazu, die Allmacht eines übermächtigen Zentralstaats zu beschränken. Es sei “alarmierend”, wie der Staat mit Grundrechten umgehe.
Bereits nach der Bund-Länder-Konferenz vom 3. März hatte Kremershof scharfe Kritik geübt. Angela Merkel und die Landesminister hätten “endgültig die Reise nach Absurdistan angetreten”, sagte er. Denn warum lege man sich zuerst auf eine Inzidenz von 35 fest, um sie nach wenigen Wochen wieder zu verwerfen? Dieses “Schauspiel staatlicher Unfähigkeit” bezahle man mit dem Dauerentzug der Freiheiten und viele Unternehmen und deren Mitarbeiter mit ihrer nackten Existenz.