Es ist ein Schlag: Am Freitagmorgen gibt eine Regierungssprecherin nicht nur bekannt, dass die Bundesregierung daran arbeite, die Corona-Maßnahmen bundesweit einheitlich zu regeln – es heißt auch, die Bundesländer seien damit einverstanden. Und das scheint auch wirklich zu stimmen: Zwar sind einige Länderchefs wie Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt skeptisch; andere wie Markus Söder wirken regelrecht froh darüber, dass der Föderalismus ausgehebelt wird. Merkel hat die Landesregierungen in den letzten Tagen intensiv bearbeitet – jetzt soll sie eine Mehrheit der Ministerpräsidenten hinter sich haben.
Gestern war zunächst unklar, was der Bund genau plant. Definitiv war zunächst nur: Ab einer regionalen „Inzidenz“ von 100 (was die überwiegende Mehrheit der Kreise in Deutschland betrifft) soll der Bund per „Notbremse“ entscheiden. Jetzt existiert ein interner Entwurf für eine konkrete Änderung des Infektionsschutzgesetzes, der TE vorliegt (lesen Sie unten das ganze Dokument).
Nach diesem Entwurf sollen folgende Maßnahmen eingeführt werden:
Ab „Inzidenz“ 100 (also fast flächendeckend)
- Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr
- erneute Schließung des Einzelhandels
- Testpflicht für Unternehmen
Ab „Inzidenz“ 200
- Schulschließungen
Das entspricht einem Lockdown nie dagewesener Rücksichtslosigkeit: Lockdown Total, so wie Merkel es seit Wochen versucht durchzusetzen. Er geht auch weit über die „Notbremse“ hinaus, die bei den Ministerpräsidentenrunden angedacht wurde. Man fragt sich: Wofür hat sich Angela Merkel eigentlich vor wenigen Wochen noch entschuldigt? Die „Osterruhe“ war fast schon harmlos gegen das, was hier jetzt kommen soll.
Die Maßnahmen werden in einem Ton herbeigeredet, der fassungslos macht. Zur Ausgangssperre heißt es im Entwurf etwa: „Es handelt sich vorliegend nicht um eine Freiheitsentziehung, sondern lediglich um eine Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit zu regelmäßigen Ruhens- und Schlafenszeiten.“
Selbst wenn man Ausgangsbeschränkungen richtig findet, muss es einen spätestens bei diesem Satz schütteln. Bürger schlichtweg zuhause einzusperren und letztendlich von der Bundesregierung kontrollieren zu lassen, wer auf die Straße gehen darf und wer nicht – das soll keine Freiheitsentziehung sein? Was ist es dann?
Der Entwurf verhüllt sein Ziel nur mäßig: Die Corona-Politik soll in Zukunft direkt und ohne Umschweife aus dem Kanzleramt geführt werden – keine Debatten, keine Parlamente, kein Föderalismus.
Das Vorhaben soll jetzt im Eilverfahren durch den Bundestag gepeitscht werden. Nur einen Gegner scheint die Kanzlerin noch zu haben, der ihr wirklich gefährlich werden kann: Die Zeit. Vieles spricht dafür, dass der Höhepunkt der „dritten Welle“ bereits überschritten wurde oder jedenfalls kurz bevorsteht. Ihr Gesetz kann sie aber wohl frühestens in zwei Wochen durchgesetzt haben – bis dahin könnte es aber viel zu spät sein. Dann wäre ihr Maßnahmenpaket geradezu peinlich deplatziert und könnte angesichts sinkender Zahlen scheitern.
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