Jetzt also will auch noch Jens Spahn einen Total-Lockdown. Rabiat treiben Merkel und ihre Anhänger wie Karl Lauterbach und Norbert Röttgen die Debatte um eine Verschärfung des Lockdown weiter. Die SPD-geführten Länder halten dagegen. Es ist Wahlkampf und es ist ein politischer Kampf um die Deutungshoheit mit Mitteln der angeblichen Pandemie-Bekämpfung. Längst geht es nur noch um Inszenierung und Show – kaum mehr um sachgerechte Entscheidungen. Denn das Virus lässt sich von Scheindebatten nicht beeindrucken.
Trotzdem hat bereits die Debatte schädliche Folgen: Es droht schon allein wegen des Lockdowngeredes weiterer und zwar massiver wirtschaftlicher Schaden. Egal, wer sich bei diesem Poker durchsetzt – die Debatte schadet Deutschland. Denn stillschweigend wird so getan, als ob nach der letzten, der allerletzten Schlacht, in die die Lockdown-Sekte Deutschland führen will, das Land einfach wieder aufgesperrt werden könne – auf ein paar Tage komme es nicht. Aber läuft „danach“ wirklich wieder alles rund – wie auf Knopfdruck? Springt die Wirtschaft auf Pfiff wieder an? Das wird immer schwieriger und unwahrscheinlicher.
Folgen des Stotter-Lockdowns
Fleisch wird knapp – und Kunststoff. Logistik fällt aus
Auch Schlachtereien haben keine Ware und das auf Dauer: Viele Bauern haben auf die Anzucht neuen Schlachtviehs verzichtet, nachdem sie schon vor einem Jahr zu viele Tiere im Stall stehen hatten. Das feingliedrige Netz der Wirtschaft zerreißt jeden Tag mehr. Nicht nur in Handel und Gastronomie. Viele Industriebereiche melden Verknappung bei Vorprodukten. Auch hier gilt: Die großen Anlagen der Grundstoffindustrie können nicht einfach auf Knopfdruck in Gang gesetzt werden. Es kann Monate dauern, bis die Produktion läuft; auch die Fachkräfte haben sich in einem Monat Lockdown buchstäblich verlaufen.
Dass Produkte knapp werden, betrifft immer mehr Branchen: In einer Blitzumfrage des Verbands IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen berichteten 80 Prozent der befragten Unternehmen, ihre Produktions- und Lieferfähigkeit sei wegen fehlender Rohstoffe eingeschränkt. Ebenfalls 80 Prozent erwarteten eine Fortsetzung oder Verschärfung der Entwicklung in den kommenden Wochen.
Einer der größten Polyethylen-Folienhersteller in Deutschland erklärte TE: „Wir werden Mitte April ein Drittel unserer Anlagen herunterfahren müssen, weil unser Rohstofflager leer sein wird.“ Man könne nur noch die Hälfte des Rohstoffbedarfs an sogenanntem PE-Granulat einkaufen. Schon jetzt reduziere man die Liefermengen: Wolle ein Kunde etwa 10 Tonnen Folie bestellen, biete man ihm 5 Tonnen an. In den kommenden Wochen werde man manche Kunden gar nicht mehr beliefern können. Die Folie aber ist unverzichtbar für ganz andere Branchen: „Ohne Folie ist keine Lagerung möglich, da sonst ein Ziegel nass werden kann und die Steine somit unbrauchbar sind„, erklärt er. Gleiches gelte für Holzwerke, Getränkehersteller oder die Zementindustrie, die man ebenfalls beliefere. Die Getränkeindustrie verpackt Sixpack-Flaschen auf eine Palette und umhülle diese mit PE-Folie. Das dient zur Ladungssicherung: „Ohne Verpackungsfolie können keine Paletten ausgeliefert werden“ – das gilt für fast alle Wirtschaftsbereiche mit kleinen Gebinden und Ladungsgrößen. Damit verzögern sich Transport und Logistik.
Die Inflation springt an
Wie die Wirtschaft kaputt geredet wird
Jeder Tag Lockdown, aber auch nur jeder einzelne weitere Tag politisch gewollter Unsicherheit, erschwert die wirtschaftliche Erholung und die Rückkehr zum normalen Leben um viele weitere Tage. Das Land hat längst an wirtschaftlicher Dynamik eingebüßt und wird buchstäblich kaputt geredet. Das ist kein ungerechtfertigter Pessimismus – wirtschaftlicher Sachverstand und wirtschaftliche Erfahrung fehlen vielfach in der Politik. Planungssicherheit ist eine Grundvoraussetzung für Wirtschaft. Genau die fehlt. Politik sollte versuchen, in dieser Lage so viel Planbarkeit wie irgend möglich zu erzeugen. Stattdessen aber: Täglich neue, wöchentlich ganz andere Ideen, die in der Konsequenz zerstörerisch wirken.
Die Forderung nach einem kurzen, harten Lockdown, wie ihn mehrere Ministerpräsidenten der Union und Kanzlerin Merkel befürworten, sehen die meisten SPD-geführten Landesregierungen kritisch. So sei völlig unklar, was ein neuerlicher Lockdown im Detail beinhalten solle, argumentierte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte zu Laschets Brücken-Lockdown: „Ich halte generell gar nichts davon.“ Man habe in der Bekämpfung der Pandemie alle Instrumente in der Hand, die man gegenwärtig benötige. Trotzdem haben Merkel und ihr Gefolgsmann Norbert Röttgen die Debatte um eine Ausschaltung der Bundesländer losgetreten – ohne sachliche Notwendigkeit: Corona-Politik ist längst zum Instrument parteipolitischer Machtkämpfe geworden – und ruiniert das Land. Denn ohne Öffnungsperspektive wird der Total-Lockdown zur Realität – nicht für das Virus, aber für Wirtschaft und Gesellschaft.