Die Stuttgarter Medien hatten mobil gemacht: Die sogenannten „Querdenker“ demonstrieren. Die „Corona-Leugner“ werden vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. „Rechtsradikale” „Reichsbürger” treffen auf „rechtspopulistische” AfD-Mitglieder. Das Gesundheitsministerium ist „besorgt”. Es werden „Gewalttätigkeiten” erwartet. Die Polizei hat sich am Samstagvormittag mit einigen Hundert Beamten für mehrere Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen und geplante Gegenproteste in Stuttgart aufgestellt. Es wird mit Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas gerechnet.
Alles wurde geschrieben, um die Leute in Angst zu versetzen und so davon abzuhalten, zum Cannstatter Wasen aufzubrechen. Offensichtliches Ziel, die Leute sollten sich kein persönliches Bild von der Demonstration des „rechten Esoterik-Mobs“ machen.
Die Rhetorik der „Querdenker” und seines Vordenkers Michael Ballweg beinhalten starke Elemente der Hippiekultur der 70er Jahre. Love & Peace. Naturromantik. Yoga und Meditation. Naturmedizin und Homöopathie statt Apparatemedizin und Chemie. Viele Akademiker. Unterschicht und Zuwanderer haben sich vom deutschen Politsystem sowieso verabschiedet. Netflix, RTL, türkisches oder arabisches Fernsehen. Mit der Lebensrealität dieser Menschen hat das deutsche Belehrungsfernsehen gar nichts mehr zu tun. Sie sind nicht mehr erreichbar. Mit denen „da oben“ wollen sie nichts zu tun haben: „Verarschen kann ich mich selbst.“
Bei den „Querdenker” wird niemand ausgegrenzt: „Wir sprechen mit jedem, der mit uns sprechen will. Wir haben keine Feindbilder. Aber leider sind wir Feindbilder derjenigen, die in den 70er Jahren dachten wie wir und die nun an den Schaltstellen der Macht sind.“
Die Enttäuschung, ausgegrenzt und abgewertet zu werden, ist mit Händen zu greifen: Kaum sind die politisch korrekten Vertreter der Toleranz an der Macht, machen sie das, wogegen sie sich immer gewendet haben: Ausgrenzen und Abwerten. Hatespeech sind natürlich die Anderen. Unsere Intoleranz ist für die gute Sache, sie ist für die Toleranz.
Kamerateams der Medien filmen und hoffen auf eine Eskalation. Jemand soll doch endlich aus dem Rahmen fallen, pöbeln, am besten „Heil Hitler“ rufen, etwas was dann zur besten Sendezeit millionenfach verteilt werden kann. Aber … NIX. Bloß Love & Peace.
Das kann nur bedeuten, dass sich die demonstrierenden Coronaleugner*innen verstellen, außen grün und innen braun. Oha, da sehe ich einen Rocker in der Lederjacke. Hat er sich verlaufen oder ist er ein heimlicher Neonazi? Er hat „Lügenpresse“ gerufen …
Viele hatten sich in der Vergangenheit links oder grün verortet. Heute fühlen sie sich von allen Parteien verlassen. Die AfD spielt als Protestpartei eine Rolle. Wirklich überzeugt ist hier von ihr niemand. Aber es ist die einzige Oppositionspartei und das wird gewürdigt.
Ansonsten sind die Meinungen sehr unterschiedlich. Was alle eint, ist die Vorstellung, dass das System die Demokratie verlassen hat. Das wird durch den polit-medialen Einheitsbrei begründet.
Alle sind an einem politischen Diskurs interessiert, fühlen sich aber mit Absicht falsch verstanden oder ganz ausgeschlossen. Vielen geht das nicht erst seit Corona so.
In den Mainstream-Medien spielen die „Querdenker” als Verschwörungstheoretiker eine Rolle. Als Beispiele werden immer Q-Anon-Verehrer genannt, die kinderfressende Eliten vermuten, oder es geht um „Reichsbürger”, die eine jüdisch gesteuerte Weltverschwörung fabulieren.
Ein typischer Trick der Macht: Ich übersteigere eine These meines politischen Gegners und schicke ihn so ins politische Abseits.
Dann muss ich mich nicht damit auseinandersetzen, dass ich es bin, der großflächig Andere geradezu in Verschwörungstheorien drängt.
Wenn man sieht, dass alle Medien die gleiche politisch korrekte Meinung vertreten, dass Merkel idealtypisch das Parteiprogramm der Grünen umsetzt, dass die Corona-Zahlen inkonsistent und deshalb wenig relevant sind, komme man ins Grübeln, und man fragt sich, was da wohl dahinterstecken könnte.
Wobei die Anzahl der „mit oder im Zusammenhang mit Corona Verstorbenen“ eine weitere Lachnummer ist, bei der einem aber das Lachen im Hals steckenbleibt.
Virologen sagen, dass die Ansteckungsgefahr zwischen drinnen und draußen sehr gravierend verschieden ist. Also mit anderen Worten: Ein Treffen in Innenräumen führt mit 20 Mal größerer Wahrscheinlichkeit in demselben Setting zu einer Ansteckung, als wenn es draußen stattfindet.
Dann sagt man hier mit bitterer Ironie: Da ist es nur folgerichtig, dass unsere weise Bundesregierung die Außengastronomie geschlossen hält, damit sich mehr Menschen privat in Innenräumen treffen.
Aber immerhin: Die Demonstration verlief erfolgreich. Der alte Geist von Woodstock ist ein bisschen wiedererwacht und hat die Menschen berührt. Eine neue peacemäßige, außerparlamentarische Opposition scheint erwacht. Gespannt, wohin sie sich entwickelt.