Italien macht sich jetzt wieder, wie bereits vor einem Jahr, für einen totalen Lockdown bereit. Etwas freizügigere Regionen, als „gelb“ gekennzeichnet, soll es zumindest bis Ende April gar nicht mehr geben. Dafür nur noch Regionen in Orange und knallrot, in denen nur noch eingeschränkte Mobilität der Bürger möglich sein soll, mit Passierscheinen, die den Grund darlegen.
Kanzlerin Merkel und deren Hardliner in Politik und Wissenschaft können nun also für ihre eigenen Lockdownpläne auf Frankreichs Macron und auf Draghi Italien zeigen. Noch einmal müsse diese Quarantäne der gesamten Nation her, heißt es in den drei größten EU-Staaten Deutschland, Italien und Frankreich. Wer dabei wem folgt, ist unklar und vielleicht auch gar nicht zu sagen. Sind die Italiener auf Deutschland fixiert, oder gar umgekehrt? Ist Macron der eigentliche Hardliner? Womöglich aus Angst, weil er den Atem der Souveränistin Marine Le Pen im Nacken spürt?
Mario Draghis Regierungspartner mit den höchsten Umfragewerten ist die Lega von Matteo Salvini. Viele seiner Anhänger nahmen es Salvini zunächst übel, dass er sich mit der Lega für die Regierungsbeteiligung anbot, manch ein Kritiker in den eigenen Reihen meinte gar, anbiederte. Salvini ist seither im Ton gemäßigter geworden, bemüht sich aber weiter um klare Kante und eigenes Profil. Salvini und die Lega unterstützen zwar Draghis Lockdown bis Ende April, also über Ostern hinaus, doch dies, so Salvini vor ein paar Tagen, „könne nicht ewig so gehen, die Nation hat schon zu viele Opfer gebracht.“
Während Italien also die Schotten dicht macht, ein letztes Mal, wie die Bürger hoffen, reiste Matteo Salvini mit einem kleinen Tross der Lega am Donnerstag nach Ungarn, um in Budapest ein europäisches Bündnis der Souveränisten aus der Taufe zu heben. Neben dem Gastgeber, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán war auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit von der Partie, um ein deutliches Zeichen in die EU hinein zu senden.
Salvini hatte sich mit Viktor Orban auch bewusst auf Budapest als Ort geeinigt, nachdem Orbán Partei Fidesz die Europäische Volkspartei verlassen hatte.
Mit Mateusz Morawiecki gemeinsam wollen sie sich nun für eine Reform der ‚Gemeinschaftsinstitutionen‘ einsetzen, von einer „neuen Renaissance“ war die Rede, einer europäischen Auferstehung, passend zu Ostern. Bei der abschließenden Pressekonferenz hoben alle drei Parteichefs hervor, dass sie diese Kooperation als sehr wichtig ansähen, gerade in der „schwierigsten, dunkelsten, und ja, auch obskursten Zeit, nach dem zweiten Weltkrieg“, wie es Salvini formulierte.
Man müsse gerade jetzt, mit diesem Bündnis der Souveränisten „Hoffnung“ vermitteln, sowie die europäischen Werte und Rechte der Bürger wieder hervorzuheben, die da wären: „die Rechte der Familie, Freiheit, Arbeit und Wohlstand“, wie Matteo Salvini am Pult aufzählte. Zu Orban blickend, fügte Salvini hinzu, „im Kampf gegen diese Pandemie wurde sichtbar“, wie ineffektiv und fehlerhaft eine europäische „Elite“, gehandelt habe. Zudem sei es bis heute auch ein Fehler gewesen, so Salvini, dass die konstituierenden Verträge der EU, die gemeinsamen jüdisch-christlichen Wurzeln leugneten. Dass man sich am heiligen Donnerstag vor Ostern zusammen gesetzt habe, zeige die Bedeutung dieses Bündnisses
Die Eckpfeiler des gemeinsamen Programms, waren sie sich einig, sind auch der Kampf gegen die illegale Einwanderung, ebenso der Schutz der traditionellen Familie und die Verteidigung von kleineren Familienbetrieben und Mittelständischen Unternehmen. Matteo Salvini hob hervor, dass man nicht gegen ein „vereintes Europa“ sei, dass aber die Grenzen und die kulturellen Unterschiede besser geschützt und verteidigt werden müssten.
Salvini erwähnte auch seinen Einsatz für die heimische Landwirtschaft. Seine Lega sei dagegen, dass die EU normiere, was auf den Küchentisch komme, etwa durch das Programm von Nutriscore, das einheimische Esskultur und Produkte herabstufe.
Man wolle gemeinsam um ein Europa der Werte kämpfen und einstehen, und nicht einer ideoligischen Denkwelt von Links zu viel Raum geben. Es sei nicht normal, dass neue linke Modelle alles vereinheitlichen, Probleme verteilen wollen, dem Individuum die Würde nehmen, und normale Familien mit „einer Mama und einem Papa“ verhandelbar machen. Dagegen wolle man aufklären und normalen Bürgern eine Stimme geben, sprach Salvini.
Die Reaktion auf dieses neue Bündnis bei Salvini innenitalienischen Verbündeten Fratelli d’Italia unter der Führung von Giorgia Meloni war eher kühl. Die FdI gehören der Fraktion der ECR, der europäischen Konservativen und Reformer im EU-Parlament an, zu der auch die Morawieckis polnischer Regierungspartei PiS gehört.
Stimmen innerhalb der FdI meinen, Gespräche zwischen Kritikern des Brüsseler Mainstreams seien zwar immer positiv, aber letztlich sei eine Internationale der Souveränisten ein innerer Widerspruch.
Aus der sozialistischen PD um Enrico Letta, der ebenfalls in Draghis Fast-Allparteien-Kabinett sitzt, war demnach zu hören, Ungarn und Polen hätten in den letzten Jahren immer gegen Italiens Interessen gearbeitet: von der subtilen Erpressung beim Wiederaufbaufonds bis hin zum Scheitern der Migrantenverteilung. Was werde Salvini letztendlich mit seiner Lega tun, wenn Orbán und Morawiecki in Europa gegen die Vorschläge der Draghi-Regierung sind?
Bei der Formulierung dieser Vorschläge wird Salvini allerdings ein gewichtiges Wort mitreden.