Früher war es essentiell für das grüne Menschenbild, dass der mündige Bürger das demokratische Recht haben sollte, selbst politische Entscheidungen zu treffen. Jetzt geht es den Grünen nicht mehr darum, aus der Opposition zu agieren. Jetzt gilt es, die ideologische Vorherrschaft zu sichern. Und da kommen mögliche Bürgermehrheiten, die der grünen Ideologie widersprechen, ungelegen.
Direkte Demokratie: Nein Danke!
So haben sich die Grünen auf ihrem letzten Parteitag von der Forderung nach direkter Demokratie verabschiedet. Bundesweite Volksentscheide sollen nicht eingeführt werden.
Also musste ein Surrogat für die direkte Demokratie her. Jetzt sollen ausgeloste Bürgerräte für etwas Mitsprache sorgen. Per Los werden Bürger eingeladen. Falls diese erscheinen, dürfen sie ihre Meinung sagen. Entscheiden dürfen sie nix.
Dabei ist allen klar: In den „Räten“ wird vor allem die politikinteressierte Ökobourgeoisie auftauchen. Die unteren Schichten werden sich fernhalten, die migrantischen Unterschichten sowieso. Dann ist es so, wie die Grünen es sich wünschen: Sie sind unter sich, alle sind sich einig, Diversität in Form abweichender Meinungen wollen wir lieber nicht.
Das Demokratieverständnis der Grünen hat sich um 180 Grad gedreht
Früher haben sich die Grünen als Sandkorn im Getriebe gesehen, als Vertreter der Basisdemokratie, in der Bürger über sich entscheiden können. Heute darf eine ausgeloste Bürgergruppe ihre Meinung kundtun. Damit vollziehen die Grünen eine Wende in ihrem Demokratieverständnis und ihrem Menschenbild: Aus Störern eines demokratiefernen Politbetriebes sind dessen Vertreter des Machterhalts geworden.
Früher wollten die Grünen mit Bürgerinitiativen und Demonstrationen eine Demokratisierung der Demokratie. Heute wollen sie die Herrschaft der Funktionäre gegen einen bedrohlichen Volkswillen sichern. Der Paradigmenwechsel wird am Bühnenbild des Online-Parteitages deutlich: In Ökospießers Wohnzimmer dozieren die Funktionäre wohltemperiert ihr Machtcredo. Platz für die Außenseitermeinung ist keine mehr. Störer müssen draußen bleiben.
Von der direkten Demokratie zur Funktionärsherrschaft
Inzwischen hält der Parteivorsitzende Robert Habeck den Befürwortern von Volksentscheiden vor, Populismus und Antiparlamentarismus zu beflügeln. Dabei glänzten gerade die Grünen durch außerparlamentarische Opposition und bis heute sind sie geprägt von Populismus aller ökologischen Art. Man dürfe dem Sound des „das Volk weiß es besser“ nicht nachgeben, meint Habeck. Volksentscheide würden nur stören und spalten, statt den „Diskurs“ der richtigen Meinung zu befördern.
Es fehlt nur noch, dass die Funktionäre verlauten lassen, Demokratie und unterschiedliche Meinungen störten, wären antidemokratisch und würden die „richtige“ Meinung nur behindern.
Der Bürger ist inzwischen auch bei den Grünen ein Subjekt, dem man mit Misstrauen begegnet. Das wäre in Zeiten der Grünengründer unvorstellbar gewesen. Bei Petra Kelly und den anderen Begründern der Grünen ging es um Einbeziehung der Bürger, nicht um die Fernhaltung „falscher“ Meinungen.
Die pseudodemokratische Lösung: Bürgerräte
Zu den von den Grünen einberufenen „Beratungs-Räten“ werden dann natürlich vor allem politisch interessierte Grünen-Wähler kommen, die die Meinung der Partei dann bestätigen. Analog zu Volksbegehren, wo sich vor allem die Gebildeten und das Establishment engagieren, also diejenigen, die politisch sowieso schon an den Schaltstellen der Gesellschaft sitzen. Das wissen die Grünen genau.
Von der Opposition zum Machterhalt
Die plötzliche Angst der Grünen vor direkter Demokratie spiegelt die Sorge wieder, dass das Volk „falsch“ abstimmt und womöglich Positionen der AfD teilt. Deshalb der 180 Grad Schwenk. Was früher gewünscht war, gilt heute als falsch demokratisch. Die direkte demokratische Emanzipation der Bürger war für die Grünen nur so lange wünschenswert, wie sie nicht fürchteten, dass sie ihre Macht beschränkte.
Die Grüne Partei misstraut, indem sie die direkte Demokratie über Bord wirft, den Menschen, aber auch der eigenen Überzeugungskraft. An diese Stelle rückt allein der Wille zum Machterhalt.
Das grüne Misstrauen gegenüber den Bürgern
Letztlich ist die Verweigerung der direkten Demokratie eine Herabwürdigung der Wähler. Je indirekter die Demokratie, desto undemokratischer ist das System. Obwohl laut Grundgesetz vom Bürger alle politische Macht ausgehen soll, wird seine Fähigkeit, demokratisch und vernünftig agieren zu können, einfach negiert. Mit dem Vorwurf des möglichen politischen Extremismus der Bürger zielen die Verweigerer der direkten Demokratie nicht nur auf die AfD, sondern sie beschimpfen damit auch deren Wähler.
Das parlamentarische System heute ist grundgesetzwidrig
In Artikel 38 des deutschen Grundgesetzes(GG) steht, Der Abgeordnete ist bei der Wahrnehmung seines Amts weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden, sondern lediglich seinem Gewissen unterworfen.
Aber der Parlamentarier ist schon lange nicht mehr seinem Gewissen verpflichtet. Er agiert nach Fraktionszwang. Er stimmt nach Befehl ab. In Wirklichkeit ist der Parlamentarier seiner Partei verpflichtet. Setzt er deren Vorgaben nicht um, landet er ganz schnell auf den hintersten Listenplätzen. Wir müssen also feststellen, dass sich das parlamentarische System in seiner heutigen Form grundgesetzwidrig ist.
Wären die Abgeordneten nur ihrem Gewissen verpflichtet, bedeutete dies, dass es eine Meinungsvielfalt jenseits der Ideologien gäbe. Wenn man sich das Abstimmungsverhalten der Parlamentarier ansieht, stellt man fest, dass die Parteiführung und nicht das Gewissen die Entscheidung vorgibt.
Hans Herbert von Arnim kritisiert den Parteienstaat
Dazu der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim: „So gesehen, dürfte die direkte Demokratie letztlich das einzig wirksame Gegenmittel darstellen. Besonders das Wahlrecht und die Politikfinanzierung und überhaupt die Regeln des Machterwerbs sollten für die direkte Demokratie zugänglich gemacht werden.“ .
Was in der Schweiz gut funktioniert, kann für Deutschland nicht schlecht sein.
Nach dem Grundgesetz sollen die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. In der Wirklichkeit haben sich die Parteien zu Staatsparteien im Parteienstaat gemacht und das Volk, die Bürger, von der politischen Willensbildung ausgeschlossen. Sie bestimmen zusammen mit den Medien die öffentliche Meinung.
Eine Umfrage aus dem Jahr 2017 zeigt, dass 74% der Deutschen sich für direkte Demokratie aussprechen. Die Mehrheiten im Bundestag sind das Gegenteil davon.