Man muss nicht Psychologe sein, um zu erklären, warum Menschen Spaß daran haben, einen Psychotest zu machen: Der Reiz liegt in der Bewertung, der Zuordnung, der Einschätzung des Getesteten durch einen vollkommen Fremden bzw. einen abstrakten Algorithmus. Werden da wohl die dunkelsten Geheimnisse der eigenen Seele offengelegt?
Solche Psychotests sind so beliebt, dass sie schon Werbeangeboten vorgeschaltet werden, zum Beispiel für ein Zeitungsabonnement, wo nach wenigen beantworteten Fragen bereits das dreiwöchige Probeabo präsentiert wurde, na klar.
Weniger offensichtlich dürfte eine Motivation für die Testanbieter sein: Die Idee der Manipulation über einem dem Menschen innewohnenden Wunsch nach Zugehörigkeit. Schlau, aber auch perfide. Es basiert darauf, dass der den Test Ausfüllende schon zu Beginn in etwa weiß, oder mindestens ahnen darf, was er ankreuzen muss, um zum „richtigen“ Ergebnis zu kommen. Richtig heißt hier: einer bestimmten Sichtweise folgend, die dem Test zugrunde liegt. Einer Sichtweise, der man sich Kreuz für Kreuz mehr unterwirft, wenn das Ziel zuletzt nur noch lautet, die richtigen Kreuze zu machen, um am Ende dafür mit einem Hurra-Ergebnis belohnt zu werden.
Das sind Ergebnisantworten des „Newstests“ – über die Stiftung, die ihn anbietet gleich mehr. Der Online-Test beginnt mit „Ein paar Infos vorab“. Da heißt es einführend und um den Teilnehmer auf die richtige Fährte zu setzen: „Der Umgang mit Nachrichten im Internet ist nicht immer einfach. Um echte von falschen Nachrichten zu unterscheiden, braucht man bestimmte Fähigkeiten. Im Test kannst du diese Fähigkeiten überprüfen.“ Auch durch Hinweise erlangen?
Der „Newstest“ beginnt mit einem Ausschnitt eines Artikels von Welt-Online und der Frage, was man hier für einen Beitrag sehen würde. Zur Auswahl stehen: „Information, Werbung, Meinung, Falschinformation.“ Die Überschrift des Artikels lautet: „Offshore-Windkraft: Beitrag für die Energiewende.“ Das kann alles sein, alles ist hier richtig. Information über ein Thema, Werbung für ein Windkraft-Unternehmen oder Werbung für eine politische Entscheidung für Windkraft, sicher aber auch eine Meinung, da die Überschrift diese Energieform als Beitrag zur Energiewende – also einem politischen Vorhaben – versteht. Und es kann eine Falschinformation sein, die sich erst nach Studium des Artikels selbst als solche offenbaren würde.
Im Weiteren wird der Ausschnitt einer Spiegel-Kolumne von Nikolaus Blome gezeigt. Als Kolumne ist das ein Meinungsartikel. Hier kann allerdings auch alles andere anteilig der Fall sein, bis hin zur „Falschinformation“. Aber dafür müsste man den Artikel gelesen haben, was dieser Test nicht ermöglicht.
Beispielsweise dieser: „Es gibt Einrichtungen, bei denen man melden kann, dass Nachrichten nicht korrekt berichtet wurden.“ Der Teilnehmer erfährt also, dass es gute und schlechte Nachrichten gibt und welche das beispielhaft sein könnten. Und er erfährt, was er gegen die schlechten tun kann.
Vertiefend anschließend die Frage, was im Vordergrund steht: Meinung oder Tatsache. Es beginnt mit einem Facebook-Eintrag von Annalena Baerbock, der Co-Chefin der Grünen. Dann ein Artikel des Focus mit der Überschrift „Grüne wollen Rassismus in eigenen Reihen bekämpfen – doch ihr Plan hat Schwächen.“ Gefragt wird weiter, ob man den russischen Sender RT für eine neutrale oder eher nicht neutrale Quelle hält. Zuletzt wird noch das eigene Verhalten „im Umgang mit Nachrichten im Internet“ abgefragt und „wie gut du es einschätzen kannst.“
Und hier folgt dann auch die Abfrage des zuvor im Test bereits „gelernten“. Anzukreuzen sind „stimmt“ oder „stimmt nicht“: „Ich würde allen, denen ich die Nachricht weitergeleitet habe, Bescheid geben, dass es eine Falschinformation ist.“ Und weiter: „Ich würde der Person, die mir die Nachricht geschickt hat, Bescheid geben, dass es eine Falschinformation ist.“ Ebenso: „Ich würde das Video als Falschinformation melden.“ und „Ich würde das Video auf der Plattform kommentieren und für alle sichtbar auf die Falschinformation hinweisen.“
Dann informiert der Test die Leser in einer „falsch“/ „richtig“- Abfrage darüber, dass Facebook Beiträge löschen kann. Zuletzt heißt es noch: „Jemanden zu beleidigen kann über 1.000 Euro kosten.“ Ist das „falsch“ oder „richtig“?
Und wer der Idee des Tests nicht folgen wollte, wer also renitent ist, wer nicht dazugehören will, der bekommt folgende Ergebnis-Antwort: „Das könnte noch besser sein: dein Ergebnis liegt unter dem Durchschnitt. Du hast 2 von insgesamt 30 Punkten erreicht.“
Es gibt also bei den Ankreuzmöglichkeiten „falsche“ und „richtige“ Antworten. Die Fragen und Antworten sind teilweise kommentiert. So heißt es, wenn man ankreuzt, seine Freunde nicht über Falschmeldungen, die man geteilt hat, informieren zu wollen: „Das ist keine gute Idee. Vielleicht merken deine Freund:innen es nicht von selbst. Es könnte sein, dass sie die Falschinformation noch weiter verbreiten. Deswegen solltest du auf jeden Fall mit ihnen sprechen.“
Nein, hier geht es gar nicht um einen Test, dessen „Ergebnis“ geeignet sein könnte, etwas über sich selbst und sein Verhalten zu erfahren, hier geht es von Anfang an um politische Erziehung.
Aber wer will erziehen? Über den Hintergrund des Tests heißt es diesem vorgeschaltet: „Es gibt Personen, die gezielt Lügen in Sozialen Medien verbreiten. Für den Umgang damit braucht man bestimmte Fähigkeiten.“ Und die werden im Test angeboten: Die Denunziationsfähigkeit selbst gegenüber Freunden, das gegenseitige Belauern, dass dann zu Löschungen oder gar zu „über 1.000 Euro“ teuren Beleidigungsklagen führt. Die Erziehung also zum Denunziantum selbst im Freundeskreis.
Auf Website der Stiftung wird übrigens noch eine Studie vorgestellt, die behauptet, dass eine Mehrheit der Deutschen beim Umgang mit Nachrichten im Netz „eher mittelmäßig bis schlecht abschneidet.“ Studie und der Test stehen offensichtlich in direktem Zusammenhang. Die Studie kommt zum Ergebnis: „Unterschiede zwischen Desinformation, Information und Werbung werden zum Teil nur schwer erkannt.“ Quellen würden nicht richtig eingeschätzt. Und „Hinweise von Social-Media-Plattformen zu Desinformationen sind bisher kaum wirksam.“ Die Studie kommt auch zum Ergebnis: „Menschen zweifeln an der Unabhängigkeit des Journalismus von der Politik.“
Ob Menschen auch an der Unabhängigkeit der Stiftung Neue Verantwortung zweifeln, wurde nicht gefragt.