Tichys Einblick
Roland Wiesendanger

Streit um Virus-Herkunft: Wissenschaftler wirft ZDF Manipulation vor

In einem „Faktencheck“ griff der Sender den Wissenschaftler Roland Wiesendanger an. Der wehrt sich: Die öffentlich-rechtliche Anstalt habe ihm ein erfundenes Zitat in den Mund gelegt

IMAGO / STPP

Legten ausgerechnet Faktenchecker des ZDF dem Hamburger Wissenschaftler Roland Wiesendanger ein erfundenes Zitat in den Mund, um ihn schlecht aussehen zu lassen? Das wirft Wiesendanger dem öffentlich-rechtlichen Sender vor. Das ZDF weist den Vorwurf zurück – kann aber nicht belegen, dass der umstrittene Satz tatsächlich so gefallen ist.

Der Physiker und Spezialist für Nanostrukturen Roland Wiesendanger war der Frage nachgegangen, woher das Sars-CoV-2-Virus stammt. Aus der Natur, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO, die chinesische Führung und auch zahlreiche Politiker und Journalisten im Westen behaupten? Oder aus einem Labor? Die WHO kam in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, ein natürlicher Ursprung sei wahrscheinlich. Wiesendanger gelangte nach Sichtung vieler Unterlagen zu dem gegenteiligen Ergebnis: „Das Virus kommt nicht aus der Natur. Es kommt aus dem Labor.“ Gleichzeitig sagt er aber auch: „Ich trage viele, zum Teil schwerwiegende Indizien für diese These zusammen. Ich behaupte nicht, einen Beweis gefunden zu haben.“

In Deutschland griffen zahlreiche Medien Wiesendanger an, und warfen ihm vor – ohne seine Arbeit konkret zu widerlegen – er verbreite eine „Verschwörungstheorie“, die „toxisch“ und „krude“ sei. Linke studentische Aktivisten beschuldigten ihn, er würde „antiasiatischen Rassismus“ schüren. Das ZDF widmete Wiesendanger und seiner These einen als „Faktencheck“ etikettierten Beitrag, der sich allerdings kaum mit dem Inhalt von Wiesendangers Papier auseinandersetzte.

Screenprint: zdf.de

„Uni Hamburg verbreitet fragwürdige Theorie“, hieß es dort. Wiesendanger würde sich auf „fragwürdige Quellen“ stützen, „unter anderem ‚Focus’, Twitter und Youtube.“ Der Physiker zeichnete in einem Papier allerdings auch die öffentliche Diskussion über den Ursprung des Virus nach. Dass er dazu die entsprechenden Quellen angibt – neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen – ist weder sensationell noch unseriös. Der Sender zitierte Wiesendanger in seinem „Faktencheck“:
„Wiesendanger selbst erzählt ZDFheute, dass er die Veröffentlichung gemeinsam mit Uni-Präsident Dieter Lenzen geplant habe. „Ich bin stolz auf den Präsidenten der Universität Hamburg. Wir haben sehr umfangreich über die Szenarien gesprochen, welche Reaktionen es auf die Veröffentlichung geben wird. Reaktionen, die uns in die Ecke von Verschwörungstheorien stellen wollen.““

Der Wissenschaftler, so suggeriert die Passage, wusste selbst schon, dass er Verschwörungstheorien verbreitete – zumindest, dass der Vorwurf plausibel wäre.
Allerdings: Wiesendanger besteht im Gespräch mit TE und Achgut darauf, diesen Satz in seinem Telefonat mit dem ZDF-Mitarbeiter Nils Metzger nie gesagt zu haben. Weder wörtlich noch sinngemäß. Über „Reaktionen, die uns in die Ecke von Verschwörungstheorien stellen wollen“, habe er mit Universitätspräsident Dieter Lenzen nie gesprochen.

Sollte das ZDF ausgerechnet in einem „Fakten-Check“, der im wesentlichen aus dem Vorwurf „unseriöser Quellen“ besteht, mit einem erfundenen Zitat gearbeitet haben, dann wäre das eine gewaltige journalistische Blamage.

„Ich habe während des Interviews mit dem ZDFheute-Redakteur am 18. Februar 2021 nicht gesagt, dass ich mit dem Präsidenten der Universität Hamburg über ‚mögliche Reaktionen, die uns in die Ecke von Verschwörungstheorien stellen wollen’ gesprochen habe“, so Wiesendanger auf Anfrage von TE„Da es sich hier um ein angebliches Zitat von mir handeln soll, ist das ZDF in der Pflicht, die schriftliche Freigabe meinerseits dieses angeblichen Zitats vorzulegen.“ Das sei nicht geschehen.

Auf TE-Anfrage teilt das ZDF mit: „Die von Herrn Prof. Wiesendanger kritisierte Aussage ist so während eines Interviews mit einem ZDFheute-Redakteur am 18. Februar 2021 gefallen.“ Allerdings gebe es keine Aufzeichnungen dazu, sondern nur „während des Interviews angefertigte Notizen“ von Metzger. Die Frage von TE, ob der ZDF-Mitarbeiter die Richtigkeit des Zitats auch an Eides Statt versichern würde, beantwortete der Sender nicht. „Herr Prof. Wiesendanger hat sich auch in anderen Medien zu einer Besprechung mit dem Präsidenten der Universität Hamburg geäußert“, schreibt das ZDF außerdem.

Ein Gespräch mit Lenzen hatte Wiesendanger allerdings auch nie bestritten. Sondern nur, sich darin so geäußert zu haben, wie das ZDF ihn wiedergibt.
Die Formulierung taucht so bisher auch nur beim ZDF auf, obwohl Wiesendanger mit etlichen Medien sprach – unter anderem der NZZ, Achgut und TE.

Roland Wiesendanger sagte gegenüber TE, er erwarte eine Entschuldigung des Senders. Derzeit wolle er nicht rechtlich gegen das ZDF vorgehen – schließt die Möglichkeit aber auch nicht aus.

Dieter Lenzen, der Präsident der Universität Hamburg, hat sich übrigens schon vor einigen Tagen in einer Video-Botschaft ausführlich zu der Veröffentlichung Wiesendangers und der dazu gehörigen Pressemitteilung geäußert. Er sagt da unter anderem: „Es ist unsere Pflicht, eine solche Hypothese anzuhören, abzuwägen und zu diskutieren. … Es ist besser eine unsichere Hypothese zur Diskussion zu bringen, als eine am Ende richtige verschwiegen zu haben.“ 

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