Seit Monaten findet eine Medienkampagne gegen Kardinal Woelki statt. Am vergangenen Mittwoch fielen einige Medien darunter auch katholisch.de noch über Rainer Maria Kardinal Woelki her. Ich schrieb am 23. Februar auf TE, dass hinter dem ganzen ein Feldzug gegen den innerkirchlichen Konservativen steht und es im Kern nicht um die Vertuschungsvorwürfe gegen Woelki geht – die scheinen nämlich ziemlich aus der Luft gegriffen.
Am gestrigen Donnerstag, dem 18. März, wurde diese Sichtweise bestätigt: Das lang erwartete Gutachten wurde veröffentlicht!
Das erste Gutachten, erstellt von einer Münchner Rechtsanwaltskanzlei war im Herbst 2020 als unbrauchbar eingestuft worden, und das, obwohl in diesem Gutachten – wie man jetzt erfahren durfte – Kardinal Woelki rein gewaschen wurde. Diesmal durften Strafrechtsprofis ran, denen die gleiche Aufgabe gestellt worden war, wie den Münchner Anwälten zuvor.
Insgesamt 75 Pflichtverletzungen hat der mit dem neuen (dem zweiten) Gutachten beauftragte Strafrechtler Gercke bei Verantwortungsträgern im Erzbistum Köln festgestellt. Woelki ist nicht dabei! Das Gutachten ging dennoch schonungslos vor und machte dabei auch nicht vor großen Namen in der katholischen Kirche in Deutschland halt. So werden Verstöße von Kardinal Meisner benannt, ebenso wie solche von dem jetzigen Erzbischof Dr. Stefan Heße, der dem Papst inzwischen bereits seinen Amtsverzicht anbot.
Woelki selbst betonte: „Die von Professor Gercke genannten Vorfälle und Vorgänge treffen mich zutiefst. Geistliche haben sich schuldig gemacht, indem sie ihnen anvertrauten Menschen Gewalt zugefügt haben. Und das in vielen Fällen ohne dafür bestraft zu werden und – umso schlimmer – ohne dass die von dieser Gewalt betroffenen ernst genommen und geschützt wurden. Das ist Vertuschung.“
Woelki ist – und das zeigte die Pressekonferenz deutlich – vielmehr der erste Diözesanbischof in Deutschland, der klar und unmissverständlich berichtet, dass sich Priester schuldig gemacht haben, dass Opfer nicht ernst genommen und Täter geschützt wurden. Woelki gestand ein, dass man bei Laienmitarbeitern in der Diözese sehr viel strenger vorgegangen sei, als bei Priestern. Auch das zu benennen, zeigt Größe.
Für jene, die Woelki in den letzten Monaten zu Fall bringen wollten, wird nun klar erkennbar: Die Vorverurteilungen waren falsch! Das ist die „Frohe Botschaft“ des Tages! – Vor allem für die vielen katholischen Gläubigen im Erzbistum Köln, die auch in den letzten fünf Monaten zu „ihrem“ Kardinal gestanden und auf sein Wort vertraut haben.
Gutachter Gercke hob übrigens hervor, dass Kardinal Woelki das Ergebnis des ersten Gutachtens gekannt habe, das ebenfalls seine Unschuld feststelle. Trotzdem habe Woelki nicht den bequemen Weg gewählt, das Gutachten trotz äußerungsrechtlicher Bedenken kurzerhand zu veröffentlichen.
Aber Woelki schaut nicht nur zurück auf die vielen Kölner Missbrauchsfälle in der Vergangenheit, die in die Amtszeit der Kardinäle Joseph Höffner und Joachim Meißner fielen. Woelki wäre auch nicht Woelki, wenn er nicht umgehend Konsequenzen aus dem Gutachten ziehen würde. Mit sofortiger Wirkung entband Woelki noch in der Pressekonferenz seinen Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und seinen Offizial Günter Assenmacher von ihren Aufgaben im Erzbistum, bei denen die Gutachter Pflichtverstöße festgestellt haben. Beide sind keine Bauernopfer! Bei den übrigen Verantwortlichen liegt ein weiteres Vorgehen nicht in Woelkis Hand. Damit wird zugleich demonstriert, dass Woelki eben nicht davor zurückschreckt, bei Fehlverhalten personelle Konsequenzen zu ziehen. Er selbst hatte ja propagiert: Keine Toleranz!
Michael F. Feldkamp (Berlin) studierte in Rom (Gregoriana) und in Bonn. Er ist promovierter Historiker und Autor zahlreicher Bücher zur Verfassungsgeschichte, Zeitgeschichte und kirchlichen Rechtsgeschichte.