Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich gab vor wenigen Wochen den letzten Anstoß zu der Kampagne, der viele Medien offenbar willig folgen. Am Mittwoch legte der staatlich hoch subventionierte Verein „Neue deutschen Medienmacher*innen“ (NDM), der sich als Interessenvertretung von „Journalist:innen of Color und Medienschaffende mit Einwanderungsgeschichte“ versteht, ein „Handbuch für Diversity“ vor. Beklagt wird, dass nur fünf bis zehn Prozent der Journalisten in deutschen Medien „eine internationale Familiengeschichte haben“. In manchen Redaktionen seien Weiße „noch ganz unter sich“. Die Medienhäuser sollten endlich „Diversity-Daten“ erheben, wie es derzeit nur der WDR und die Nachrichtenagentur Reuters täten.
In der guten alten Zeit der bürgerlichen Gesellschaft waren Verleger und Chefredaktionen stolz darauf, dass sie Journalisten gemäß ihrer Qualifikation und Leistungen einstellten, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres sozialen Hintergrunds, ihrer Religion, Hautfarbe oder Rasse. Heute sollen Medienhäuser sich rühmen, so die implizite Botschaft des Diversity-Handbuchs, wenn sie Personalentscheidungen nach Hautfarbe, Herkunft und Religion treffen – das Geschlecht und die sexuelle Orientierung sollen bei der Personalauswahl auch nicht vergessen werden, wird ausdrücklich betont.
Die Ideologisierung des Journalismus
Diese Diversity-Initiative für Redaktionen, gestützt auch von der Bundes-Integrationsbeauftragten, der Bundeszentrale für politische Bildung und großen Medienhäusern, ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem ideologisch aufgeladenen Journalismus. Seit einigen Jahren ist der Gesinnungsjournalismus auf dem Vormarsch, der vor allem „Haltung“ und „Wertejournalismus“ einfordert; erfunden wurde ein „konstruktiver Journalismus“, der mit zur Lösung von Problemen und Konflikten beitragen soll. Die damit verbundene Akzeptanz von Journalisten, die gleichzeitig politische „Aktivisten“ sind, waren ein weiterer Schritt bei der Aufgabe journalistischer Standards. Nun geht es frontal um die Machtverhältnisse in den Redaktionen, natürlich auch ganz materiell um die Fleischtöpfe in den Medienhäusern.
„Ich spüre die Verantwortung dafür, ein Land und eine Gesellschaft so zu zeigen, wie sie sind und nicht, wie sie mal waren“, betonte der Chefredakteur der einflussreichen Deutschen Presse-Agentur (dpa), Sven Gösmann. Offenbar glaubt der dpa-Chef, dass die etwa 1.000 Redakteure und freien Journalisten der Agentur bisher dieser Aufgabe nicht gerecht geworden sind. Denn auch die dpa, die seit längerem an der biologischen, religiösen und ethnischen Zusammensetzung ihrer zahlreichen Redaktionen bastelt, erfüllt noch lange nicht die NDM-Ideale von einem 30-prozentigen Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund.
Deutschland verändert sich dramatisch
Fragt man nach dem Weltbild, das hinter diesen Diversity-Forderungen steht, stößt man unwillkürlich auf Vorstellungen aus einer Zeit, die längst überwunden schienen. Es dauerte Jahrhunderte, bis bei uns nicht mehr die Macht, die Privilegien und der Dünkel des Adels, der Kirchen und der Stände das Schicksal jedes einzelnen je nach Geburt bestimmten, sondern einzig und allein seine Fähigkeiten und seine Leistungen. Im Kampf gegen den „strukturellen Rassismus“, aber auch für eine „wirkliche“ Emanzipation der Frauen sollen diese bürgerlichen Ideale der Meritokratie – jedem nach seinen Verdiensten – aufgegeben werden.
Doppelter Verrat an den Idealen des Journalismus
Die wirre, uneinheitliche Ideologie der Postmoderne, auf die sich radikale Gendervertreter und Anti-Rassisten in ihrem Kampf gegen die westliche freie Welt beziehen, ist ein fundamentaler Angriff auf die Ideale der Aufklärung, sie diskreditiert die freiheitlichen und demokratischen Errungenschaften unserer Zivilisation, sie reduziert den Menschen auf bestimmte, nicht veränderbare Eigenschaften.
Unterstützt wird das alles von der Bundesregierung: „Um Diversität in Film, Fernsehen und Redaktionen zu fördern, soll der Verein Neue Deutsche Medienmacher*innen in Kooperation mit Medienhäusern und Journalistenschulen Medienschaffende mit Einwanderungs- und Fluchthintergrund gezielt unterstützen und Medienhäuser sowie journalistische Ausbildungsstätten bei der Weiterentwicklung ihrer Diversity-Ansätze beraten“, hieß es in einer Verlautbarung nach dem letzten Integrationsgipfel.
Die Diversity-Vorstellungen der NDM bedeuten einen doppelten Verrat an den Grundsätzen des guten Journalismus, der in erster Linie dem Ideal verpflichtet ist, ein möglichst objektives Bild der Welt zu vermitteln. Diese Ideologie bestreitet von Vorneherein, dass ein umfassend gebildeter, journalistisch gut ausgebildeter, kritischer und selbstkritischer Kopf überhaupt in der Lage ist, über seinen ethnischen, religiösen oder kulturellen Tellerrand hinweg zu blicken. Kurz: es gibt keinen guten Journalismus. Identität definiert die Arbeit. Die NDM-Journalistin Hadija Haruna-Oelker glaubt, dass eine diverse Zusammensetzung in den Medienhäusern einen „anderen Blick auf die Themen- oder Gästeauswahl“ mit sich bringe. Dies hänge „mit der Sozialisation von Menschen mit Diversitätsmerkmalen zusammen“.
Dieses deterministische, sehr schlichte Denken führt zum einen zu einem entsprechenden Verhalten eines jungen Journalisten, der glaubt, völlig zu Recht Sichtweisen und Interessen vertreten zu dürfen; andererseits gibt es in den Redaktionen die Erwartung, dass die Betroffenen am besten über ihr Milieu berichten können. Dabei ist eher das Gegenteil der Fall: die beste Grundlage für eine gute Berichterstattung ist Distanz und eben nicht persönliche Betroffenheit. Es ist fatal, wenn beispielsweise eine Nachrichtenagentur, die auf ihre Unabhängigkeit größten Wert legt, einer Frau mit palästinensischen Wurzeln Verantwortung für die Nahost- und Israel-Berichterstattung gibt.
Die Verantwortung der Frauenbewegung
Wie es um die Pressefreiheit steht, sei „Gradmesser, wie es um unsere Demokratie insgesamt steht“, hatte Kanzlerin Merkel im Mai 2020 zu Recht betont. Der neue NDM-Angriff auf die Unabhängigkeit des Journalismus fügt sich in der Tat nahtlos ein in die Beschädigung der Demokratie und den Abbau von Freiheitsrechten durch „Cancel Culture“, „gendergerechte Sprache“ und Zensurmaßnahmen im Netz, die mit dem Kampf gegen Hassrede und Rechtsradikalismus begründet werden.