Die Ergebnisse der Landtagswahlen aus Stuttgart und Mainz lagen erst wenige Stunden auf dem Tisch, da sprach der CDU-Altvordere Thomas de Maizière in der ihm eigenen nüchternen und kalten Art aus, was die Stunde geschlagen hatte. Es sei nicht mehr gewiss, dass sich die Zeit der Kanzlerschaften der CDU nach der Bundestagswahl fortsetze, neue Mehrheiten jenseits davon seien denkbar. Diese Wahrheit muss für viele, die sich immer noch im bürgerlichen Lager wähnen, wie ein kalter Guss gewirkt haben. Plötzlich war da das Bild eines in die Jahre gekommenen Wolfsrudels zu sehen, dessen größerer Teil, besonders an seiner Spitze, über den langen Weg hinweg zu ergrauten Lämmern verkümmert war. Mit hängenden Köpfen, und träge geworden von den vielen abgefressenen Wiesen, trottet das Rudel hinter der Leitwölfin her, welche auch in die Jahre gekommen ist und tüchtig zugelegt hat.
Angela Merkel als Altwölfin hat Erfahrung in diesen Dingen. Ohne zu zögern, killte die damals junge Wölfin zwei Tage vor Weihnachten 1999 mit einem Offenen Brief in der FAZ ihren Ziehvater Helmut Kohl. Es geschah auf dem Höhepunkt einer, im Vergleich zu seinen historischen Verdiensten lächerlichen „Spendenaffäre“, deren wahre Umstände wohl erst Historiker aufdecken werden. Als Grund für ihr zumindest charakterlich fragwürdiges Verhalten, führte die spätere Kanzlerin an, nur auf diese Weise habe sie die Krise der CDU beenden können. Der Ehrlichkeit halber hätte sie hinzufügen müssen, dass nur ohne Kohl die CDU in ihrem Wesen grundlegend verändert werden kann.
Doch auch da hält sich die Geschichte an ihre eisernen Gesetze. Oder, um mit von Kleist zu sprechen, „der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht“. Was bleibt jetzt zu tun? Die Diagnose ist eindeutig: Die Regierung Merkel ist am Ende. Die Bürger, die mehr und mehr das Gefühl bekamen, als Untertanen behandelt zu werden, haben jegliches Vertrauen verloren. Das Beste – auch für sie – wäre, die Kanzlerin würde einfach zurücktreten. Denn solange sie im Kanzleramt sitzt, lähmt sie jedes Entkommen aus der Lage und verhindert den notwendigen Neuanfang. Für den Übergang bis zur Bundestagswahl könnte Wolfgang Schäuble das Ruder übernehmen, sein Amt als Bundestagspräsident ruhen und sich durch einen seiner Vize vertreten lassen.
Zu all dem fehlt aber noch der letzte Tropfen. Wer wird es wohl diesmal sein, der einen „Offenen Brief“ schreibt? Sicher hätte Frau Merkel dafür Verständnis, denn, wie eingangs erwähnt, im Briefeschreiben hat sie ja Erfahrung.