Tichys Einblick
Anhörung im bayrischen Landtag

Die Energiewende und ihre ungelösten Probleme der Stromspeicherung

Am Donnerstag, dem 18. März findet von 10 bis 14 Uhr im bayerischen Landtag eine Anhörung zum Thema Stromspeicher mit Liveübertragung statt. TE-Autor Frank Hennig nimmt als Fachmann in der Anhörung teil.

Batterie zur Speicherung von Windstrom beim Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinztal (Baden-Württemberg)

picture alliance / Uli Deck/dpa | Uli Deck

Unser Autor Frank Hennig wird bei der Anhörung im bayerischen Landtag zum Thema Stromspeicher mitwirken. Wir dokumentieren seine offene Einladung zur Liveübertragung und fügen seine schriftliche Stellungnahme als Dokument bei.

Liebe Mitbürger,

am Donnerstag, dem 18. März findet von 10 bis 14 Uhr im bayerischen Landtag eine Anhörung zum Thema Stromspeicher statt, wobei ich die Möglichkeit der Teilnahme habe. Es erfolgt eine Liveübertragung über diesen Link.

Eine Aufzeichnung erfolgt nicht. Die Tagesordnung und evtl. weitere Unterlagen sind hier einsehbar. Meine Stellungnahme befindet sich im Anhang.

Mit freundlichem Gruß
Frank Hennig


Bayerischer Landtag
Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung
Stellungnahme zur Anhörung am 18. März 2021 „Stromspeicher der Zukunft“

– Drucksache 18/10504 –

Ausgangssituation:

Die Speicherfrage kann nicht isoliert von anderen Fragen der Energiewende behandelt werden. Voraussetzung für die Nutzung von Elektrizität in einem Stromnetz ist ein stabiles Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch, das durch eine Frequenz von 50 Hertz gekennzeichnet ist.

Zeit zum Lesen
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Im ausgeregelten Verhältnis von Produktion und Konsumtion fallen lediglich Netzverluste an. Das Zwischenspeichern von Strom erfordert Aufwendungen und laufende Kosten. Speicher sind nicht wertschöpfend und wirkungsgradbelastet. Deshalb ist die sofortige Verwendung von Strom seiner Speicherung vorzuziehen. Volkswirtschaftlich gesehen ist damit der Netzausbau dem Speicherbau vorzuziehen.
Die deutsche Energiewende erfolgt aus CO2-zentrierter Sicht und vernachlässigt mit der Versorgungssicherheit und der Preiswürdigkeit zwei wesentliche Punkte des energiepolitischen Zieldreiecks.

Dem liegt kein Masterplan zugrunde, der den zeitgerechten Ersatz der entfallenden konventionellen Kraftwerkskapazitäten sichern würde. Deshalb sind ab 2023 Ungleichgewichte in Form einer Unterdeckung des Strombedarfs vor allem im Gebiet südlich der Mainlinie, der so genannten Südzone, absehbar.

Eine Studie der Uni Stuttgart und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchte 2018 die Leistungsbilanzen und konstatierte für die Zeit bis 2025 „noch“ ausreichende Erzeugungskapazitäten, wobei die Sicherheitsbereitschaft deutscher Braunkohlekraftwerke und Importe mit eingerechnet wurden. Die zu erwartenden Importmengen, die vor allem aus Kern-, Kohle- und Wasserkraft stammen werden, sind allerdings nicht vertraglich gesichert.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) geht von einer Stromerzeugungslücke bereits 2022 aus. Für 2023 prognostiziert man einen Spitzen-Importbedarf von 30 Gigawatt (GW).

Der Binnenimport Bayerns aus Deutschland wird sich durch den Atom- und Kohleausstieg verringern. Verbunden mit dem abnehmenden Angebot werden die Strompreise im Großhandel marktgetrieben steigen. Insbesondere die energieintensive Industrie wird durch zusätzliche Netzkosten belastet. Im Großraum Hamburg ist diese Entwicklung bereits erkennbar. Ursache sind die Stilllegungen der Kraftwerke Krümmel, Brunsbüttel, Moorburg und künftig Brokdorf. Auch in Norddeutschland werden in absehbarer Zeit keine Überkapazitäten mehr bestehen. Windenergie wird nur temporär für größeres Stromaufkommen sorgen und es ist unklar, wer künftig die großen Nord-Süd-Stromtrassen besichert.

Der Atomausstieg erfordert den Ersatz dieser emissionsarmen und regelfähigen Erzeugung. Im Jahr 2019 wurden noch 75 Terawattstunden (TWh) Atomstrom produziert. Ins Verhältnis gesetzt zu den 125 TWh Windstrom (Quelle: AG Energiebilanzen, Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern) würde der Ersatz des wegfallenden Atomstroms durch Windkraft den zusätzlichen Betrieb von etwa 18.000 Windkraftanlagen erfordern, nur im jährlichen Durchschnitt betrachtet und ohne Berücksichtigung zeitpunktgerechter Produktion. Dadurch würde noch keine einzige Kilowattstunde Kohlestrom ersetzt. Bis 2023 gehen deutschlandweit fast 15.000 Megawatt gesicherte Leistung aus dem Netz.

Bayern ist in keinem Landesteil ein Windeignungsgebiet. Im Süden und Osten des Landes liegen die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in 150 Meter Höhe bei 3 bis 6 Metern pro Sekunde. Die Einschaltgeschwindigkeit der Anlagen liegt bei zwei Metern pro Sekunde. Ein exzessiver Ausbau der Windkraft in Bayern ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und erbringt als Ertrag keine nennenswerten Strommengen.

Optionen zur Stromspeicherung

Um Zeiten der Unterdeckung im Netz zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, Strom bei hohem Aufkommen an Umgebungsenergie zu speichern, anstelle ihn zu niedrigen bis negativen Preisen zu exportieren. Die verfügbaren Technologien sind für kurz- und mittelfristige Speicherung anwendbar, d.h. im Bereich von Sekunden bis zu einigen Tagen. Die Umstellung der Stromproduktion von gesicherter, bedarfsgerechter Erzeugung auf meteorologisch- und tageszeitabhängige und damit volatile würde jedoch die intersaisonale Speicherung erfordern, also die Verlagerung des sommerlichen Energieüberschusses in die Wintermonate. Dafür gibt es gegenwärtig keine wirtschaftlich sinnvolle Technologie.

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Zur Speicherung von Strom gibt es verschiedene und bewährte Methoden. Man unterscheidet mechanische, chemische, elektrische, thermische und neuerdings virtuelle Verfahren. Für jeden Anwendungsbereich hat sich die jeweils optimale Variante ergeben. Für die großtechnische Anwendung existieren seit etwa 100 Jahren Pumpspeicherwerke. Sie stellen heute die größte Kapazität dar (40 Gigawattstunden (GWh) bei etwa 7 GW Speicherleistung), sind technisch ausgereift und betriebssicher bei einem Wirkungsgrad von über 70 Prozent. Sie eignen sich vor allem für den Lastausgleich über Zeiträume von Stunden bis zu wenigen Tagen und könnten derzeit theoretisch die Versorgung Deutschlands für etwa eine halbe Stunde übernehmen. Für einen weiteren Zubau solcher Anlagen gibt es regulatorische, wirtschaftliche und politische Hemmnisse. Neuinvestitionen sind unwahrscheinlich.

Weitere mechanische Speicherverfahren wie Druckluft-, Schwungrad- oder Kugelpumpspeicher sind für die großtechnische Anwendung ungeeignet.

Großbatterien sind in jüngerer Vergangenheit zu Hoffnungsträgern aufgestiegen. Die Speicherkosten sind hoch. Ihre Eignung liegt vor allem in ultrakurzen Zeiträumen, was sie zur Bereitstellung von Primärregelleistung im Netz prädestiniert. Die chemische Alterung durch die zahlreichen Be- und Entladevorgänge ist dabei noch unklar. Auch die Verwendung vieler Einzelbatterien als Schwarmspeicher auf dem Weg des V2G (Vehicle to grid) ist weit von wirksamer Anwendung entfernt. Es fehlt die hinreichende Anzahl an E-Mobilen und ungewiss ist die Bereitschaft der Eigentümer, Anteile ihrer Batteriekapazitäten den Versorgern zur Verfügung zu stellen.

Schwarmspeicher in Form häuslicher Kellerspeicher können zur Glättung des Tagesganges beitragen und zudem einen Kostenvorteil für die Besitzer bieten. Die Schwankungen der Solar- und Windstromeinspeisung (gegenwärtig etwa 50 GW, steigende Tendenz) können sie nicht im Ansatz ausgleichen.

Gegenwärtig werden Diskussionen zu Stromspeichern oft mit dem Hinweis auf Wasserstoff beendet. Wasserstoff ist kein Energierohstoff, sondern ein Energieträger. Er ist vielseitig energetisch und stofflich einsetzbar und im Gasnetz gut speicherbar. Zudem verfügt Deutschland über fast 50 große Gasspeicher. Wasserstoff muss unter Energieaufwand hergestellt werden, wozu es verschiedene Technologien und Energierohstoffe gibt:

Die Herstellung durch Ökostrom-Elektrolyse ist dabei das teuerste Verfahren. Laut BASF werden bei der Herstellung von einer Tonne türkisem Wasserstoff mit Methanpyrolyse 10 Megawattstunden (MWh) Energie gebraucht, bei grünem Wasserstoff sind es 55 MWh.Die Kosten des grünen Wasserstoffs liegen entsprechend höher. Die Elektrolyse erfordert zudem einen Wasserbedarf von etwa 9 Litern Süßwasser pro Kilogramm Wasserstoff. Die Verfügbarkeit sehr hoher (zudem billiger) Ökostrommengen zur massenhaften Wasserstoffproduktion ist in Deutschland nicht gegeben. Deshalb hebt die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung auf Importe ab, die aber hinsichtlich künftiger Termine, Mengen und Preise unklar sind. Zudem ergeben sich Restriktionen hinsichtlich der Tatsache, dass regenerativ erzeugter Strom auch dem Erzeugerland zu gute kommen muss (Ausschluss eines Energiekolonialismus) und eventuelle politische Differenzen wie gegenwärtig mit Marokko.

Grüner Wasserstoff ist zur Stromspeicherung ungeeignet. Die Prozesskette P2G2P erzielt einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 25 Prozent. Damit ist es keine Speicherung, sondern Verschwendung von Naturressourcen.

Regulatorische Hemmnisse

Das EEG benachteiligt Stromspeicher. Sie werden wie Verbraucher behandelt und müssen für Speicherstrom Netzgebühren und Umlagen bezahlen. Das EEG befördert ausschließlich den Zubau von Erzeugungsanlagen, mit Fotovoltaik und Windkraft vor allem Zufallseinspeiser. Stromspeicher können gegenwärtig durch stärkere Preisschwankungen des Stroms und damit zeitweise auftretende hohe Preise wirtschaftlicher werden. Private Investitionen in Großspeicher wird es im gesetzlich wenig verlässlichen Umfeld der Energiewende nicht geben. Insbesondere ausländische Investoren werden sich außerhalb des Subventionsbereichs in Deutschlands Energiesektor nicht mehr engagieren.

Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell und die Energywatchgroup haben 2020 vorgeschlagen, die Einspeisevergütung an konstante oder regelfähige Leistung zu binden und so genannte Kombikraftwerke, die bedarfsgerecht produzieren, zu fördern. Dies ist der einzig gangbare Weg, die ausufernden Systemkosten zu beherrschen und Stromspeicherung zu vermeiden. Wenn das Ziel „100-Prozent- Erneuerbar“ lautet, ist es längst überfällig, diesen Erzeugern auch Systemverantwortung zu übertragen. Gleichzeitig müssen die Regularien zugunsten von Stromspeichern geändert werden, um eventuell private Investoren zu finden. Gelingt dies nicht, bleibt nur die Option, andere Flexibilitätsoptionen vermehrt einzusetzen. Dies würde bedeuten, Stromspeicher wie auch Reservekraftwerke, besondere netztechnische Betriebsmittel, die Sicherheitsbereitschaft von Kraftwerken, die so genannten Netzbooster und den Netzausbau über Umlagen, Entgelte und Steuergeld zu finanzieren. Dies wäre der nächste Schritt in Richtung einer staatlich regulierten und organisierten Energiewirtschaft, in der marktliche Elemente nicht mehr wirken.

Optionen

Neben dem Ausbau von Kellerspeichern lässt sich kurzfristig durch die Kraft-Wärme- Kopplung (KWK) ein begrenztes Flexibilitätspotenzial heben. Im Gegensatz zum Strom lässt sich Wärme gut und verlustarm speichern. Der Einsatz von Wärmespeichern an KWK-Anlagen ermöglicht eine variablere Verteilung der Energie bedarfsabhängig in Richtung Wärme oder Strom.

Denkbar ist der Import von Erdgas, dem bereits emissionsarm erzeugter Wasserstoff beigefügt ist. Gazprom will eine solche Infrastruktur aufbauen und dazu türkisen oder gelben Wasserstoff herstellen, der ebenfalls emissionsarm, aber billiger als grüner Wasserstoff ist. Der Röhrentransport ist zudem ein deutlicher Vorteil gegenüber dem Transport hochverdichteten und tiefgekühlten Wasserstoffs oder Methans per Schiff.

Fazit

Verschiedene Modellrechnungen zum Speicherbedarf eines vor allem auf Wind- und Sonnenstroms basierenden Stromsystems ergeben enorme erforderliche Kapazitäten. Eine fünftätige Dunkelflaute würde einen Vorrat an Speicherstrom von etwa 8 TWh erfordern, verfügbar sind gegenwärtig weniger als 0,05 TWh. Dies würde eine 120-fache Steigerung der jetzigen Kapazitäten bedeuten. Für das Füllen der Speicher wären deutliche Überkapazitäten volatiler Erzeuger erforderlich.
Möglich ist die kleinteilige Speicherung über Kellerspeicher, die aber in der Gesamtkapazität begrenzt sind. Die großtechnische Verwendung emissionsarm erzeugten Wasserstoffs ist angesichts der fraglichen zur Verfügung stehenden Mengen und Preise nicht kalkulierbar.

Es besteht die Möglichkeit der Nutzung von Flexibilitätsoptionen im Netzbetrieb. Zum einen kann innerhalb des europäischen Stromverbundes Elektrizität importiert werden. Angesichts absehbarer Engpässe sollten langfristige Verträge mit ausländischen Versorgern abgeschlossen werden, um nicht den teils heftigen Preisausschlägen am Spotmarkt ausgeliefert zu sein.

Zum anderen kann die Steuerung der Verbraucherseite (demand site management – DSM) glättend wirken. Über Regelungen zur Spitzenglättung des Lastganges könnten zunächst auf freiwilliger Grundlage, später verpflichtend, Verbrauchsspitzen entschärft werden. Diese Verfahrensweise kann mit vergleichsweise wenig Komfortverlust gestaltet werden. Ein geordneter Brownout hilft, einen Blackout zu verhindern. Ziel muss sein, drastische Maßnahmen zur Zwangsregulierung bis hin zum „load shedding“ (Lastabwurf) zu vermeiden.

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