Tichys Einblick
vertragsverletzungsverfahren gg Griechenland

Grüner Abgeordneter will Griechenland anklagen und profitiert vom Elend

Der Grüne Erik Marquardt, selbst Betreiber einer NGO auf Lesbos, strickt mit am Narrativ über unhaltbare Zustände an den EU-Außengrenzen. Jetzt fordert er gar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland.

imago Images/Zuma Wire

Nach nur einer Woche Schonfrist brannte es am vergangenen Dienstag erneut im Migrantenlager Kara Tepe (griechisch Mavrovouni, beides bedeutet »schwarzer Berg«). Zwei Zelte wurden zum Raub der Flammen, da die Feuerwehr verspätet ankam. Die Ursache soll ein Kurzschluss gewesen sein, wie schon beim Brand vor drei Wochen. Man wundert sich ein wenig über die Elektrik in dem neu errichteten Lager. Könnten die Gründe vielleicht doch andere sein? Ganz so wie bei anderen Feuern in Migrantenlagern auch.

In der letzten Zeit gab es mehrere Brände und eine eindeutige Brandstiftung einer Afghanin, die zeigen, dass Feuer durchaus bewusst von den Migranten genutzt werden, um mit der Außenwelt zu kommunizieren und, muss man wohl sagen, um diese zu erpressen. Wie die lokale Website Sto nisi berichtet, entfachte Ende Februar eine 26-jährige, schwangere Afghanin einen Brand in Kara Tepe, »weil ihr Transfer nach Deutschland abgelehnt« wurde. Erst setzte sie ihre beiden Kinder vor das Zelt, dann zündete sie es an. Das Detail ist nicht unbedeutend: die Aggression richtete sich gegen das ihr zur Verfügung gestellte Zelt, in dem sie nicht mehr ausharren wollte. Sie wurde mit Verbrennungen ins örtliche Krankenhaus gebracht.

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Etwa zur gleichen Zeit kam ein sechsjähriger Junge aus dem Iran ums Leben, weil Rettungskräfte nicht in der Lage waren, einen Brand im Lager von Charaidini bei der Stadt Theben zu löschen. Die Feuerwehrleute wurden von anderen Migranten angegriffen, als sie die Flammen an einem der Gebäude löschen wollten. Erst mit Hilfe herbeigerufener Polizisten konnte die Löschung gelingen. Die Brandursache wird noch von der Polizei untersucht.
Bild verlässt sich auf Marquardt

Die Bild-Autoren Mohammad Rabie und Jeanne Plaumann berichteten lediglich vom jüngsten Kurzschluss-Brand in Kara Tepe, den sie mit einem versonnenen Blick auf das im Spätsommer abgebrannte »Camp Moria«  verbinden: »Schon vor sechs Monaten brannte auf der griechischen Insel Lesbos ein Flüchtlingslager ab – das Camp Moria. Damals war nichts mehr zu retten, ein neues Lager musste errichtet werden.« Ein bisschen klingt das wie »Ich hatte eine Farm in Afrika«. In der griechischen Presse  kann man noch immer lesen, dass der Moria-Großbrand vom letzten September vielleicht auch von NGO-Mitgliedern angefacht wurde, und zwar von solchen, die mit dem eigentlichen Lager nichts zu tun hatten, also nicht etwa dort mithalfen und unterstützten, sondern von außerhalb ihre eigenen Pläne verfolgten.

Die Bild zitiert Erik Marquardt (33), einen Politiker der Grünen und EU-Abgeordneten, der sich intensiv mit der Lage in der Ägäis auseinandersetzt. Marquardt meint zu Kara Tepe: »Eigentlich sollte alles besser werden, doch als die Aufmerksamkeit weg war, ist nichts besser geworden. Keine Schule, schlechtes Essen, viele unbeheizte Zelte und kaum Freiheit.« Und dabei war es doch die Freiheitsliebe vor allem anderen, die die Migranten auf die Ägäis-Insel trieb. Man weiß es von ihren Plakaten, wenn sie mal wieder ihre Weiterreise nach Westen, in wohlhabendere EU-Staaten fordern.

Erik Marquardt hat fünf Jahre lang Chemie studiert, ohne einen Abschluss zu machen, zog dann als Photojournalist los, um »Fluchtrouten« bis nach Afghanistan zu studieren. Derzeit hat er sich auf der Mittelmeerinsel Lesbos niedergelassen und beobachtet dort den vorläufigen Endpunkt dieser postmodernen Reiserouten. Inzwischen sitzt er im EU-Parlament. An einem Bundestagsmandat schrammte er 2017 knapp vorbei. Aber Marquardts Freunde sind ja bereits gut vertreten unter der Reichstagskuppel.

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Auf Lesbos hat Marquardt auch selbst »eine kleine Hilfsorganisation«, wie er im Zoom-Call mit den Hamburger Grünen verrät. Mit dieser seiner NGO habe er den Griechen einen Generator für Kara Tepe angeboten, um dort etwas mehr Strom zu haben. Die griechischen Behörden lehnten das Angebot aus Gründen ab, die Marquardt nicht kennt oder verschweigt. Wichtiger ist, was er selbst daraus schliesst: Die griechische Regierung wolle nicht, so Marquardt, dass es den Migranten im Lager besser geht als dort, wo sie herkamen, und das diene der Abschreckung von Migration. Aber tut es das wirklich, wenn in der Folge Direktflüge nach Hannover herausspringen? Und so lässt sich einwenden, dass dieselben problematischen Umstände auch einer politischen Partei dienen, die der irregulären Ein- und Weiterreise der Migranten in die EU-Länder positiv gegenübersteht. Der grüne Politiker Marquardt profitiert selbst von dem Elend, das er anklagt.

Immerhin weiß Marquardt aber das eine: »Nur vor Ort kann man das Problem nicht lösen.« Entlässt Erdogan erneut zehntausende Migranten in die griechischen Gewässer, dann werden die Inseln diese Belastung nicht mehr tragen können und wollen. Und das gibt wiederum dem Grünen Hoffnung: auf mehr Direktflüge für Migranten nach Deutschland und anderswohin. Dabei ist die öffentliche Meinung, was die irreguläre Zuwanderung betrifft, in den meisten EU-Ländern eindeutig. Auch Deutschland dürfte hier, fragte man die Bürger einmal wirklich nach dem, was sie wollen, nicht aus der Reihe tanzen. Insofern kann man Marquardt eine Illusion mehr zusprechen.

»Machtpolitisches Instrument« der EU-Kommission

Welche hat er noch? Vor allem eine: Der grüne Abgeordnete hätte gern, dass die EU-Kommission Griechenland wegen Menschenrechtsverletzungen anklagt. Aus Marquardts Sicht köchelt die Sache freilich schon seit einem Jahr vor sich hin. Denn was Marquardt unter EU-Strafe stellen will, begann mit der Verteidigung der EU-Außengrenzen im Südosten im letzten Frühjahr. Es geht ihm um vorgebliche griechische Gewehrschüsse an der Evros-Grenze, die damalige Aussetzung von Asylverfahren und – ganz zuletzt – auch um die sogenannten »Pushbacks«, die Griechenland heute zur Last gelegt werden. All das sieht Marquardt als »systematische Missachtung von EU-Recht«.

Ein Vertragsverletzungsverfahren, wie es der Grüne aus dem EU-Parlament fordert, ist laut der Bundeszentrale für politische Bildung »ein besonders wichtiges machtpolitisches Instrument« für die Europäische Kommission als »Hüterin der Verträge«. Nach Polen und Ungarn könnte bald also auch Griechenland in den Genuss eines großmächtig politischen Prozesses kommen. Aber wie wahrscheinlich ist das wirklich?

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Auch Marquardt weiß, dass er das Verfahren nicht selbst einleiten kann. Das könnte nur die Kommission oder höchstens ein anderer betroffener EU-Staat, und der wird sich wohl nicht leicht finden lassen. Unwahrscheinlich ist bis dato auch, dass die von konservativen Stimmen abhängige EU-Kommission auf die grüne Linie einschwenken wird – wenn es sich überhaupt darum handelt und nicht nur um Marquardts Privatmeinung als Betreiber einer Hilfsorganisation.

Was ist ihm in der Sache zu erwidern? Griechenland bestreitet rundheraus, dass es überhaupt Pushbacks an seinen Grenzen gibt. Außerdem gehöre es natürlich nicht zur normalen Praxis griechischer Grenzschützer, auf Grenzübertreter zu schießen. Und was nun die Aussetzung des Asylrechts vor einem Jahr angeht, war sie wohl ein Versuchsballon Athens, der zudem anzeigte, dass viele dieser Asylanträge nicht viel Sinn besaßen. Es handelt sich, wie allseits bekannt, meist nicht um Migranten mit triftigem Asylgrund, sondern um Armutsflüchtlinge und Glücksritter. Ja, man kann kritisieren, dass Griechenland diese Regelung nicht seit dem letzten März auf Dauer gestellt hat. Aber was würden die Asylfreunde in der EU wohl dann anstellen?

NGO Mare Liberum will Frontex abschaffen

Darüber hinaus muss man wieder und wieder feststellen: Pushbacks wären, wenn überhaupt, dann sicher nicht an der Grenze zur Türkei rechtswidrig. Die Türkei ist nun einmal ein Staat, den Integrationisten jahrzehntelang zum EU-Mitglied machen wollten und der sich auch weiterhin in einem Dialog mit den politischen Führern in der EU befindet. Sie ist offensichtlich ein sicherer Drittstaat, an dessen Westgrenze folglich keine »Flucht« stattfinden kann.

Zuletzt ist einer Beobachterin aus den Niederlanden Recht zu geben, wenn sie meint, dass zwei Absätze aus einem Frontex-Bericht fast alles sagen.

— Julia Verheul (@verheul_julia) March 12, 2021

Der Kernsatz für unsere Zwecke ist: »Die griechische Küstenwache erklärte, dass die Umstände des Vorfalls keine Möglichkeit boten, um internationalen Schutz zu bitten.« Im anderen Zitat steht, dass Bootsmigranten freudig auf ein schwedisches Patrouillenschiff reagierten, sich bedankten und die Hände symbolisch aufeinanderlegten. Dabei waren sich Schweden und Griechen einig, dass die Migranten weder der Besatzung des einen noch des anderen EU-Schiffs Folge leisteten.

Die berüchtigte NGO Mare Liberum verband diesen Tweet mit der Forderung, Frontex abzuschaffen. Das hat man irgendwo schon einmal gehört…

Derweil konnte man im Europamagazin des WDR aus dem Mund der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson höchstpersönlich erfahren, dass sie zwar die politische Verantwortung für Frontex trägt, den EU-Grenzschützern gegenüber aber keineswegs weisungsbefugt sei. Genauso verhält es sich natürlich mit den nationalen Grenzschützern der Mitgliedsstaaten, auch wenn sich Johansson jüngst in Bosnien vor ein Kamerateam der Deutschen Welle stellte und – im übrigen folgenlos – moralische Platitüden verbreitete.

Im Februar hatte sie etwas Ähnliches getan.

Daneben wärmte das Europamagazin vom Sonntag eine einst schon vom Spiegel aufgegriffene Geschichte von einigen afrikanischen Einwanderern auf, die nun bezeugen sollen, dass sie letztes Jahr in die Türkei zurückgeschoben wurden. Es sind Erfahrungsberichte, die ebenso falsch wie wahr sein könnten. Gewicht erhalten sie durch den Auftritt eines UNHCR-Botschafters, der in extrem guter Laune von seiner großen Besorgnis berichtet und feststellt, dass Griechenland (oder irgendein EU-Land sonst) jedem Ankommenden eine »individuelle Beurteilung« schulde. Man kann das sehr entspannt sagen, wenn man in feinem Tuch von den UN-Mitgliedsstaaten ausgehalten wird.

Die Realität der Migrationsbewegungen, die von solchen Reden ermutigt werden, sieht leider sehr anders aus als diese UN-Traumwelt. Der gewöhnliche Grieche oder Europäer wird sich schlicht fragen, was einen Migranten dazu ermächtigt, aus einem sicheren Drittstaat einzureisen, um dann sehr laut und vernehmlich »Asyl« zu rufen. Wer in Europa versteht und akzeptiert das wirklich? Oder ergibt man sich nur einem Migrationsdruck, der nun einmal – durch lose Reden und wirres Handeln diverser Organisationen befördert – auf die EU-Außengrenzen ausgeübt wird?

Immerhin weiß das Europamagazin der ARD, dass auch Ylva Johansson an keiner Stelle von einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland gesprochen hat.  Was sie fordert, ist lediglich »ein solides Grenzmanagement«, das mit den Grundrechten und Werten der EU »Hand in Hand geht«. Doch was soll man mit »Management« anfangen, wo die eigenen realpolitischen Interessen so sehr im Nebel liegen. Nebel, der über die Ägäis zieht und immer noch illegale Migration befördert.


TE hat mehrfach über ähnliche Praktiken von NGOs berichtet, die auf diese Weise den Menschenschmuggel von der Türkei nach Griechenland befördern. Auch hier geht es um logistische Unterstützung und Informationen über Standorte der Küstenwache, Abfahrts- und Ankunftsorte. Mittlerweile sieht sich TE rund einem halben Dutzend Abmahn- und Folgeverfahren ausgesetzt und musste auf Betreiben der Organisation Mare Liberum vorerst informative Beiträge aus dem Netz nehmen; auch Presseberichte aus Griechenland und Mitteilungen der dortigen Behörden. Nichts soll über das Treiben in Deutschland bekannt werden. Diesen Maulkorb fechten wir an und werden dies bis zur Letzt-Entscheidung bringen. Solche Verfahren ziehen sich über Monate und Jahre. Das wissen die Kläger und wollen uns so zum Einlenken zwingen. Da sie von Kirchen und dem Staat gefördert werden, setzen sie darauf, dass sie den längeren Atem haben. Sie werden sich täuschen. Wir fassen den Kampf um die Pressefreiheit als unsere Aufgabe auf, nachdem viele Blätter sich auf die Seite von „Mare Liberum“ geschlagen haben und ihren Agitationsjournalismus weiter wider die Wahrheit betreiben.

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