Die armen Textilarbeiter in Bangladesh, ausgebeutet von uns Westlern, von uns Deutschen, von mir. Soll Adidas den Armen doch statt 70 Euro pro Monat einfach 150 Euro bezahlen und die Arbeitsbedingungen verbessern. Das ist doch das Mindeste, was Adidas für mein gutes Gewissen tun kann. So lautet die gut gemeinte Einfach-Moral. Für Fair-Trade-Aktivisten und die Bundesregierung mit ihrem Lieferkettengesetz sind die Slogans: eine Welt!
Dabei gibt es so viele Welten auf der einen Welt. Und wie schaut dort die Realität aus?
Sehen wir uns doch in der Dritten Welt um. Nehmen wir eine Stadt in Bangladesh, Indien, Vietnam oder Burma. In ihr gibt es vielleicht zehn Textilfabriken. Nehmen wir an, eine produziert für Adidas und erhöht den Lohn der Arbeiter von 70 auf 150 Euro im Monat, zusätzlich verbessert die Fabrik die Arbeitsbedingungen. Aus Sicht der Arbeiter dieser einen Fabrik traumhaft. Die Arbeiter der neun anderen Fabriken, die für das eigene Land, für China, Afrika, Südamerika usw. produzieren, erhalten natürlich nach wie vor 70 Euro und sie arbeiten unter viel schlechteren Bedingungen. Aber diese sind immer noch sehr viel besser als die Bedingungen auf dem Reisfeld. Genau deshalb sind sie ja vom Land in die Fabrik arbeiten gegangen. Die Fabrikarbeit für 70 Euro hat ihre Lebensbedingungen deutlich verbessert.
Geringer Einfluss des Lieferkettengesetzes
Noch etwas anderes wird in den gut wollenden Medienberichten immer „vergessen“: Europa bezieht weniger als zehn Prozent des Welttextilbedarfs, Deutschland vielleicht zwei Prozent. Der Einfluss eines deutschen Gesetzes ist also gering, dagegen suggerieren Medien und Politik, so würden Probleme umfassend gelöst.
Und was macht der Rest der Welt, die fehlenden 90 Prozent? Wird die Bevölkerung Bangladeschs oder Afrikas bereit sein, die Kosten der höheren Löhne zu tragen?
Natürlich nicht, denn die Adidas-Näherin ist schon privilegiert. Die Nudelsuppenverkäuferin erhält nämlich nur 50 Euro, der junge Kellner sogar nur 40 Euro und damit immer noch mehr als der Reisbauer auf dem Land, der afrikanische Käufer eines T-Shirts aus Bangladesh hat meist noch weniger.
Korruption verschärft sich
Durch Projekte wie das Lieferkettengesetz werden also neue soziale Ungleichgewichte geschaffen. Es passiert dann, was in solchen Situationen immer passiert: Korruption zieht ein.
Der Personalchef wird die Stellen verkaufen: Er sagt der Näherin: Du bekommst statt 70 Euro nun 150 Euro Lohn bezahlt. Sieh dich um, die Verkäuferin auf dem Markt bekommt nur 40 Euro. Wenn du also 150 Euro bekommst, gibst du mir 50, dann hast du immer noch 100.
Oft genug kauft sich dann ein „reicherer” Arbeiter eine solch begehrte Stelle beim Chef, tritt diese aber nicht an, sondern stellt einen „Sub-Arbeiter“ für 80 Euro ein. Und der ist dann immer noch froh und glücklich, für Adidas arbeiten zu dürfen und nicht für die Firma, die NoName T-Shirts nach Afrika verkauft. Dort würde er nämlich nur 60 Euro bekommen. Und die Arbeitsbedingungen wären wesentlich schlechter. Ansonsten müsste er zurück aufs Land und Reis anbauen. Die Arbeit wäre härter und er würde nur 30 Euro verdienen. Und er hätte keinen Strom für sein Handy, es gäbe kein Krankenhaus und keine funktionierende Schule für seine Kinder. Das alles will er nicht, da arbeitet er natürlich lieber in der Fabrik.
Das Ergebnis des Lieferkettengesetzes
Und was ist also das Ergebnis des Lieferkettengesetzes? Jeder will etwas vom Kuchen abhaben, die korrupten Strukturen werden ausgebaut, ein paar Arbeiter haben etwas mehr und die „guten“ Deutschen mit dem besonders schlechten erkaufen sich ein gutes Gewissen.
Letztlich ist also das Lieferkettengesetz eine Art Ablasshandel für das schlechte Gewissen moralisierender Europäer. Für die Länder der Dritten Welt ist das Ergebnis eher kontraproduktiv, weil noch korruptere Strukturen und damit soziale Unordnung und noch größere Konfusion folgen.
Es gehen auf diese Weise sogar Arbeitsplätze in der Dritten Welt verloren, weil sie teurer werden. So hat Adidas wieder in Deutschland produziert, allerdings nicht mit Menschen, sondern mit Robotern. Jetzt brauchte niemand mehr gegen die Ausbeutung von Adidas-Zuarbeitern in der Dritten Welt protestieren, weil es sie gar nicht mehr gibt.
Ist Fair-Trade fair?
Ähnliche Probleme gibt es bei Fair-Trade. Warum soll der Bauer, der für den einheimischen Markt produziert, schlechter gestellt sein als der Bauer, der für den Export nach Deutschland arbeitet? Das gibt böses Blut und fördert die Korruption.
Darüber hinaus bekommt der Käufer von Fair-Trade-Produkten meist eine schlechtere Qualität, für die er mehr bezahlen muss. Die Bauern sagen sich nämlich: Da der Preis meiner Ernte garantiert ist, liefere ich für Fair-Trade meine schlechteren Produkte. Die Top-Qualität verkaufe ich auf dem freien Markt.
Lösung sozialer Probleme
Ein besseres Leben kann sich jedes Land selbst schaffen, denn Chancen gibt es, wie der epochale Aufstieg der asiatischen Tigerstaaten zeigt. Südkorea, Singapur, Malaysia und China brauchten kein Lieferkettengesetz. Hier waren Kennzeichen des Erfolgs ein starker Staat, eine starke Arbeitsethik, Frauenemanzipation und eine Verringerung der Geburtenzahl.
Europa spielt aus der Sicht Asiens keine große Rolle mehr. Längst sind Japan und Südkorea die Vorbildstaaten. Sie prägen die Alltags- und die Popkultur der Asiaten. Junge Thais tragen Frisuren und Kleider koreanischer Filmstars, Wohnungen werden wie in koreanischen Soapoperas eingerichtet. Was zählt ist der Erfolg, europäisches schlechtes Gewissen und Moralisieren stößt auf Unverständnis.