Dänemark hat 94 Syrern die Aufenthaltserlaubnis entzogen und will sie zurück in ihre Heimat schicken. Der Minister für Ausländer und Integration, Mattias Tesfaye, sagte dem britischen Telegraph: »Wir haben den syrischen Flüchtlingen immer deutlich gesagt, dass ihre Aufenthaltserlaubnis zeitlich begrenzt ist.« Die Hauptstadt Damaskus und ihre Umgebung, das Gouvernement Rif Dimaschq, seien inzwischen sichere Gebiete.
Die sozialdemokratische Premierministerin Mette Frederiksen sagte im Januar vor dem dänischen Parlament, ihr Ziel sei es, die Asylanträge in Dänemark auf Null zu drücken. Die Erreichung dieses Ziels könne man zwar nicht versprechen: »Aber wir können eine Vision erschaffen, wie wir es vor den Wahlen getan haben, dass wir ein neues Asylsystem wollen, und dann alles dafür tun, um es zu verwirklichen.« Laut dem Wahlprogramm der Sozialdemokraten gefährdet ein Zuviel an ungeregelter Immigration den sozialen Zusammenhalt im Land. Dieser Politikbaustein war, so wird geschätzt, von zentraler Bedeutung für den Wahlsieg der Sozialdemokraten im Sommer 2019.
Ein Nicht-Verfolgungs-Abkommen mit Assad?
2020 verzeichnete das Land die niedrigste Zahl an Asylbewerbern seit Beginn der Dokumentation im Jahr 1998. 1547 Asylsuchende wurden im Laufe des vergangenen Jahres registriert, eine extrem niedrige Zahl, an der natürlich auch die vorgenommenen Grenzschließungen einen Anteil hatten. Zugleich gerät die Regierung Frederiksen unter Druck, weil sie Sozialleistungen für Ausländer – entgegen einem Wahlversprechen – erhöht habe. Das behauptet die liberale Oppositionspartei Venstre: Ein neu eingeführtes Kindergeld werde größtenteils von Familien mit »nicht-westlichem Hintergrund« bezogen.
Mads Fuglede, seines Zeichens außenpolitischer Sprecher der Mitte-Rechts-Liberalen von Venstre, machte gar den Vorschlag, ein Abkommen mit dem syrischen Präsidenten Assad zu schließen, mit dessen Hilfe die Rückkehr der Syrer auch praktisch gelingen würde. In dem Abkommen sollten Garantien enthalten sein, die eine Verfolgung der Rückkehrer ausschließen. Wenn die dänische Regierung sich das nicht zutraue, dann müsse eben auf EU-Ebene ein Dialog mit dem Assad-Regime begonnen werden. Doch die Venstre-Führung machte sich den Vorschlag am Ende dann doch nicht zu eigen, wie der Parteivorsitzende Jakob Ellemann-Jensen einen Tag später erklärte.
Auch Fugledes Pendant aus der sozialdemokratischen Partei, Rasmus Stoklund, lehnt ein solches Abkommen ab: Das würde das »völlig falsche Signal senden, dass wir Assad als den Sieger in Syrien wahrnehmen«. Laut der Tageszeitung Jyllands-Posten kann Dänemark gegenwärtig keine Asylbewerber nach Syrien abschieben. Dem stünde die EU-Menschenrechtskonvention entgegen, die eine praktische Ausweisung nicht erlaubt, solange ein abgelehnter Asylbewerber in seinem Heimatland politisch verfolgt werden könnte oder in Gefahr gerät, gefoltert zu werden.
Die dänischen Sozialdemokraten wollen Syrer ohne Schutzstatus, die nicht freiwillig ausreisen wollen, daher zu einem Leben in Ausreise- oder Abschiebezentren verpflichten. Menschenrechtsgruppierungen wie »Refugees Welcome« befürchten eine jahrelange Existenz in einem Schwebezustand, wenn sich Syrer ohne Schutzstatus weigern sollten, in ihre Heimat zurückzukehren. Genau das wollte der Venstre-Sprecher Mads Fuglede vermeiden.
In Deutschland diskutieren wir noch über Gefährder
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) hat schon im März 2019 Teile von Syrien zu sicheren Herkunftsgebieten erklärt. Schon damals war nicht mehr von einem landesweiten bewaffneten Konflikt auszugehen. Aber wo wurde dieser Zustand früher erreicht als in der Hauptstadtregion um Damaskus?
Zum Jahresanfang lief der pauschale Abschiebestopp für Syrer in Deutschland aus. Rechtlich wäre es also auch den deutschen Bundesländern möglich, Syrer in ihr Heimatland zurückzuschicken. Praktisch stehen dem weiterhin viele Hindernisse im Weg. So wird auch hierzulande – etwa vom niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) – in gewollt kritischer Haltung gefragt, ob die Bundesrepublik bereit sei, »diplomatische Beziehungen mit dem Verbrecherregime von Assad aufzunehmen«.
Wenn man sich letztes Jahr noch mit der Überprüfung von Gefährdern schwertat, wo es um die Abschiebung von Gefährdern ging, dann ergibt sich auch heute noch ein bunter Flickenteppich in ebendieser Frage: Die allermeisten unionsgeführten Innenministerien scheinen die Frage noch nicht beantwortet zu haben, ob sie künftig Gefährder abschieben können. Die grün-roten Minister in Rheinland-Pfalz und Thüringen sind sogar strikt gegen Abschiebungen nach Syrien, ebenso der Niedersachse Pistorius. Entgegengesetzte Forderungen bezeichnete Pistorius als »ein Stück weit populistisch«. Es ist wie in so vielen Debatten hierzulande: Das eigentlich als richtig Erkannte (in diesem Fall: Straftäter und terroristische Gefährder abschieben) kann aufgrund von Bestimmungen, Konventionen und moralischen Verboten nicht umgesetzt werden. Etwas Realpolitik täte uns gut.