Tichys Einblick
Illegale Migrationserleichterung

Griechenland im Abwehrkampf gegen Schlepper und ihre Helfer

Die griechischen Sicherheitsbehörden setzen ihre Investigation des Schleppergeschäfts aus der Türkei fort. Eine neue Geheimdienstoperation zeigt, dass verschiedene NGOs sich weiterhin bemühen, irreguläre Migration auf die griechischen Ägäis-Inseln zu ermöglichen. Die griechische Regierung will das nicht dulden.

picture alliance / AP | Giannis Spyrounis

In den vergangenen Wochen und – man muss vermuten – Monaten haben Mitglieder verschiedener NGOs hunderte Migranten in meeresnahen Höhlen und Wäldern auf den griechischen Ägäis-Inseln versteckt und so dem Zugriff der Behörden entzogen. Das ist das zentrale Ergebnis einer zweiten Operation der griechischen Polizei in Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst. »Alkmene 2« heißt diese Operation. Ihre Vorläuferin »Alkmene« hatte ergeben, dass verschiedene NGOs auf der Ägäis-Insel Lesbos und in der Türkei die irreguläre Migration unterstützt haben.

Die September-Sache liegt weiterhin bei der Staatsanwaltschaft, die bald über eine Anklage entscheiden sollte. Oder wollen die Sicherheitsbehörden zunächst noch mehr Daten sammeln? Ein Täuschungsmanöver werden die Ermittlungen nicht sein, dazu sind die Vorwürfe zu schwer. Aber vielleicht ›eignen‹ sie sich am Ende nicht für ein Gerichtsverfahren – weil in dasselbe Akteure verwickelt wären, die der Asylindustrie in der EU lieb und teuer sind.

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Die Geschichte um die Migrationserleichterung in der Ägäis ist jedenfalls noch keineswegs zu Ende, wie die Operation »Alkmene 2« ergab. Weiterhin – und dazu bedarf es keines Geheimdienstes – ist die Notruf-Plattform »Alarm Phone« in Benutzung, mit deren Hilfe die Kommunikation zwischen Bootsmigranten und Migrationshelfern organisiert wird. (Die Sonntagszeitung To Vima tis Kyriakis spricht von einer »speziellen Internet-Plattform«.) Dadurch wird letztlich die Küstenwache eines souveränen EU-Staates unter Druck gesetzt – ja erpresst, wie man vielleicht richtigerweise sagen müsste. Die griechischen Küstenschützer werden über Boote zwischen türkischem Festland und griechischen Inseln informiert und zur »Rettung« aufgefordert. Kommen sie diesem Begehr aus irgendeinem Grunde nicht nach, drohen die Leute von »Alarm Phone« mit der Veröffentlichung über diverse soziale Medien.
Ist der Stern der NGOs im Sinken begriffen?

Details über die neueste Polizei- und Geheimdienst-Operation wurden erneut von der angesehenen, eher sozialdemokratisch orientierten Sonntagszeitung To Vima tis Kyriakis veröffentlicht. Die griechischen Behörden »rekrutierten« demnach ausländische Migranten und diesmal sogar Schlepper in der Türkei, um die Wege und Methoden der irregulären Migration über die türkisch- griechische Grenze aufzuklären. Und erneut wird der Vorwurf laut, die beteiligten Nichtregierungsorganisationen (NGO) hätten Spionage zu Lasten des griechischen Staats und Militärs betrieben, indem sie die griechische Marine und Küstenwache überwachten und deren Bewegungen an Migranten weitergaben.

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Einem der angeworbenen Ausländer soll es nun gelungen sein, sich in einen Schleuserring »einzuschleichen«. Am 3. Februar konnte er zusammen mit weiteren Agenten ein Boot betreten, dessen Fahrt von NGOs auf Lesbos überwacht und, so die griechische Sonntagszeitung, »geleitet« wurde. Für die scheinbar migrationswilligen Agenten ging es vom antiken Smyrna (türkisch Izmir) in den nahegelegenen Küstenort Aivali, wo ein Boot bereitstand. Die NGO-Mitglieder hatten die Migranten zuvor mit einer internationalen Rufnummer ausgerüstet, die rund um die Uhr besetzt ist. Das dürfte das bekannte »Alarm Phone« (oder eine ähnliche Einrichtung) sein. Außerdem sollten die Migranten über Handy-Anwendungen wie WhatsApp, Signal und Telegram mit den ortsnahen NGOs auf Lesbos in Kontakt bleiben. Ihnen übermittelten sie demnach immer wieder den eigenen aktuellen Standort.

Das Verfahren ist bekannt: Die NGO-Migrationshelfer würden die Migranten offenbar informieren, sobald sie in griechischen Gewässern einlaufen, um dann mit den genannten »sozial-medialen« Druckmitteln eine »Rettungsaktion« durch die griechische Küstenwache zu erzwingen. In mindestens einem Fall erhielten die Küstenschützer sogar die Warnung, dass »ihre Bewegungen live und weltweit« dokumentiert würden, sie sollten also die Überfahrt des Bootes nicht behindern. Schließlich wurden die Migranten von den NGOs in die besagten Höhlen und Waldstücke navigiert, alles natürlich mithilfe der genannten Smartphone-Apps. Erst nach ein bis zwei Tagen sollten sie die Polizei aufsuchen, um sich registrieren zu lassen.

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An dieser Front scheint es gewisse Fortschritte zu ergeben. Denn im August 2020 stellte die britische NGO »Refugee Rescue« die Aktivitäten auf Lesbos ein. Zuvor hatten sie mit ihrem »Rettungsschiff« Mo Chara sozusagen ganz regulär die Boote von Migranten an die Nordküste von Lesbos geführt. In ihrer Abschiedsbotschaft auf Facebook macht die NGO deutlich, dass die Behörden dem Treiben einen Riegel vorgesetzt haben. Von einer »sich verschlechternden Situation« für NGOs sprechen deren Leiter. Auch diese NGO-Aufgabe gehört zum Durchgreifen der griechischen Behörden gegen illegale Immigration an ihren Küsten.
Nationale Territorien und Rechtssysteme über den Haufen geworfen

Interessant ist nun insbesondere, dass im Rahmen von »Alkmene 2« auch der Namen einer neuen NGOs an die Öffentlichkeit drangen – oder nicht eben der Name, aber doch eine genaue Beschreibung, die kaum mehr Zweifel zurücklässt, um wen es sich handelt. Die Rede ist von einem 49-jährigen Norweger, der die Operationszentrale einer NGO mit zahlreichen Mithelfern bildet. Diese NGO dürfte auf den Namen »Aegean Boat Report« hören und ist der im Moment vielleicht einflussreichste ›Beobachter‹ der illegalen Migration in der Ägäis.

Wie der Name besagt, veröffentlicht der »Aegean Boat Report« wöchentliche, monatliche und Jahresberichte über die illegale Migration, die quer zur Seegrenze in der Ägäis stattfindet. Der »Report«-Gründer Tommy Olsen hat freilich zugegeben, dass aus seiner Sicht nichts Illegales an der unerlaubten Überwindung gesetzesbewehrter Landesgrenzen ist. Jeder Migrant habe das Recht, auch ohne gültige Papiere jede beliebige Grenze zu überwinden, um danach das Wort »Asyl« zu rufen – auch wenn er sich schon vor seiner Tat in einem sicheren Land befand: »[…] it is the fundamental human right of any person to enter a country – with or without paperwork – as long as they apply for asylum at the first available opportunity«.

Posts und Bilder auf der Facebook-Seite der Organisation belegen dieses Denken, in dem das Gerechtigkeitsgefühl des Sprechers nationale Territorien und Rechtssysteme unbesehen über den Haufen wirft. Rote Pfeile, die direkt von einer türkischen Landzunge auf die griechische Küste deuten, erinnern an eine offene Flanke in einem Schlachtverlauf.

Im Interview mit Al-Jazeera äußerte sich nun auch Notis Mitarakis, der griechische Asyl- und Migrationsminister, erneut zur Lage an der griechischen Seegrenze. Auch Mitarakis nennt, wie alle anderen Offiziellen, nicht die Namen der NGOs, gegen die seit September letzten Jahres durch die Staatsanwaltschaft ermittelt wird. Er sagt aber das Andere: dass Migranten (gemeint sind Somalis) in ihren Aussagen eindeutig diejenigen Organisationen benannt haben, die ihnen einerseits halfen, in die Türkei zu gelangen, und die andererseits bei der Überfahrt nach Griechenland behilflich waren: »Das betrachten wir als Verbrechen, und es sind die Polizei und die Gerichte, die darüber entscheiden werden.«

24/7-Call-Center für Bootsüberfahrten

Was die umstrittenen Pushbacks an der griechisch-türkischen Grenze angeht, war der Minister ebenfalls überaus klar: Zunächst einmal sei es die Aufgabe der türkischen Küstenwache, die Menschen daran zu hindern, das türkische Festland zu verlassen. Denn die Türkei, das ist der zweite Punkt von Mitarakis, ist ein sicheres Land und keineswegs »Kriegsgebiet«. Zum dritten dürfe man daher die Menschen nicht in seeuntüchtige Kleinboote setzen. Manchmal, so schließt der Minister in diesem Interview-Ausschnitt, helfen die türkischen ›Küstenschützer‹ den Migrantenbooten sogar dabei, die Seegrenze des Schengen-Raums illegal zu überqueren.

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In der kurzen Reportage des arabischen Fernsehsenders kann man außerdem einen Mitarbeiter von »Alarm Phone« live bei der Arbeit beobachten. Als Teil eines 24/7-Call-Centers sammelt er Daten und Fakten zu Migrantenbooten, die das Mittelmeer in Richtung Schengen-Raum durchqueren. Dasselbe kann natürlich auch genauso gut vor Sizilien oder Malta stattfinden. Nicht gezeigt wird natürlich, was dann aus dieser Datensammlung folgt. Denn der zweite Schritt besteht gemäß den griechischen Erkenntnissen darin, die Migranten über die magische Grenze zu lotsen, an der sich entscheidet, ob sie als Tagelöhner in der Türkei überleben müssen oder im europäischen Asylsystem unterkommen werden. Tommy Olsen vom »Aegean Boat Report« bestreitet übrigens, solches zu tun. Doch er muss es ja auch nicht tun, wenn es ein anderer für ihn übernimmt.

Eines scheint dennoch deutlich zu werden: Bei NGOs wie dem »Aegean Boat Report« oder »Alarm Phone« arbeiten die Agenten des Resettlement, und sie werden vermutlich weitermachen – egal ob wir es wollen oder nicht. Von strafrechtlichen Konsequenzen der zweiten Operation »Alkmene« ist noch nichts zu hören. Aber dass der »Aegean Boat Report« in den Blick der griechischen Behörden geraten ist, scheint begrüßenswert. Die Arbeit dieses zweifelhaften Gebildes ist ein weiterer Baustein für die jahrelange, immer noch andauernde Überforderung der ägäischen Inseln, daneben auch der übrigen Küstenregionen am Mittelmeer, durch den ungebremsten Zustrom immer weiterer irregulärer Migranten, die letztlich durch das Wohlstandsversprechen des europäischen Kontinents angezogen werden.


TE hat mehrfach über ähnliche Praktiken von NGOs berichtet, die auf diese Weise den Menschenschmuggel von der Türkei nach Griechenland befördern. Auch hier geht es um logistische Unterstützung und Informationen über Standorte der Küstenwache, Abfahrts- und Ankunftsorte. Mittlerweile sieht sich TE rund einem halben Dutzend Abmahn- und Folgeverfahren ausgesetzt und musste auf Betreiben der Organisation Mare Liberum vorerst informative Beiträge aus dem Netz nehmen; auch Presseberichte aus Griechenland und Mitteilungen der dortigen Behörden. Nichts soll über das Treiben in Deutschland bekannt werden. Diesen Maulkorb fechten wir an und werden dies bis zur Letzt-Entscheidung bringen. Solche Verfahren ziehen sich über Monate und Jahre. Das wissen die Kläger und wollen uns so zum Einlenken zwingen. Da sie von Kirchen und dem Staat gefördert werden, setzen sie darauf, dass sie den längeren Atem haben. Sie werden sich täuschen. Wir fassen den Kampf um die Pressefreiheit als unsere Aufgabe auf, nachdem viele Blätter sich auf die Seite von „Mare Liberum“ geschlagen haben und ihren Agitationsjournalismus weiter wider die Wahrheit betreiben.

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