Nach der Bund-Länder-Konferenz ist klar: Alle dürfen langsam wieder öffnen. Alle? Tatsächlich gibt es eine Branche mit rund 250.000 Betrieben und über zwei Millionen Beschäftigten, die in großen Teilen geschlossen bleiben dürfte: die Gastronomie. Deren Vertreter können den Entscheidungen der Politik mittlerweile gar nicht mehr nachvollziehen.
“Die Politik verspielt ihren letzten Funken Glaubwürdigkeit”, sagt etwa Christoph Becker, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Nordrhein. Seit März 2020 sei die Politik nicht in der Lage gewesen, vernünftige und umsetzbare Maßnahmen zu erlassen, erklärt er. Das zeige auch die jetzige Entscheidung. “Soll nun etwa ein Gastwirt Schnelltests im Discounter nebenan kaufen und Corona-Tests durchführen?”, fragt Becker. Das erledigten private Unternehmen zuverlässiger und mit medizinischem Fachpersonal.
Der Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten sieht vor, dass nur Gastronomiebetriebe mit einem Außenbereich öffnen dürfen – und zwar frühestens ab dem 22. März. Allerdings müsste die Inzidenz dafür “landesweit oder regional stabil” unter 50 sinken, heißt es in dem Papier. Liegt die Inzidenz zwischen 50 und 100, müssen die Gäste im Voraus einen Termin buchen, damit die Behörden Kontakte nachverfolgen können. Außerdem muss jeder Gast den Angaben zufolge einen tagesaktuellen Schnelltest vorlegen, wenn er mit Personen aus mehreren Haushalten an einem Tisch sitzt.
Somit dürften die Regeln dermaßen streng sein, dass viele Gastwirte gar nicht erst öffnen und weiter Kurzarbeit beantragen dürften. Christoph Becker sieht für die Gastronomen “ein völlig unkalkulierbares Risiko” – auch wegen des unbeständigen Wetters im März und den hohen Fixkosten für etwa Personal und Strom. Außerdem hätten gerade in städtischen Gegenden viele gar keinen Außenbereich.
Laut Nazzal kippt die Stimmung unter den Gastronomen seit Februar. Damals hätten laut einer Umfrage der Deutschen Barkeeper-Union etwa 50 Prozent die Lockdown-Politik unterstützt, sagt er. Derzeit seien es seiner Einschätzung nach “noch 20 Prozent”.
Christoph Becker will mit seinem Verband, der Dehoga Nordrhein, nun klagen. Ansatzpunkte sieht der Anwalt bei der Beherbergung und der Speisegastronomie. Beides bleibe den Wirten aller Voraussicht nach untersagt. Laut einer Mitteilung vom Mittwoch hatten den Regionalverband zuletzt “zahlreiche Mitgliedsunternehmen” aufgefordert, rechtliche Schritte einzulegen.