Normalerweise hat vor allem Spanien als direkter Nachbar und historischer Feind mit den Machtspielen des hoch militarisierten Marokko zu tun, jetzt kriegt sie aber auch Deutschland zu spüren. Es geht dabei wohl letztlich um die illegale Einwanderung seiner Landsleute. Nun hat der marokkanische Außenminister Nasser Bourita laut eines am Montagabend veröffentlichten Briefs sämtliche Ministerien aufgefordert, den Kontakt zur Deutschen Botschaft in Rabat einzustellen. Wenige Tage zuvor waren die Flüge aus Deutschland nach Marokko bis zum 21. März unterbrochen worden, angeblich aus Sorge vor der Einschleppung neuer Covid-19-Varianten.
Eine Sprecherin der deutschen Botschaft in Rabat sagte dazu gegenüber TE am Mittwoch früh: „Die von Ihnen erwähnten Meldungen haben wir aus der Presse mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Eine offizielle Unterrichtung durch die marokkanische Regierung ist bislang nicht erfolgt. Die Botschafterin Marokkos wurde gestern(02.03.2021) zum Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten, um mögliche Missverständnisse auszuräumen.“ Die Maghreb-Post zitiert aus dem Auswärtigen Amt: „Die Bundesregierung sieht keinen Grund für eine Beeinträchtigung der guten diplomatischen Beziehungen zu Marokko“. Der Spiegel zitiert „aus der deutschen Gemeinde in Marokko“: „Druck aufzubauen, ist eine Verhandlungstechnik, die wir nicht ganz so gut durchschauen.“
Die bilateralen Spannnungen begannen mit dem Ausschluss Marokkos von der Berliner Libyen-Konferenz im Januar 2020, während Vertreter aus dem Nachbarland Algerien eingeladen waren. Algerien ist ein scharfer Kritiker der Westsahara-Politik Marokkos.
Einseitige Diplomatie und europäische Naivität
Marokkos Politik gegenüber europäischen Staaten scheint nur einer Maxime zu folgen: einfach immer das Beste für sich herauszuholen. Man will zu Europa gehören (ein Beitrittsantrag wurde 1987 abgelehnt), bekämpft es aber gleichzeitig. „Der Wille des Volkes spielt dabei keine Rolle“, glaubt Marokko-Experte Ignacio Cembrero. Der spanische „El País“-Journalist hat das Machtgehabe von König Mohammed VI. lang beobachtet. Er ist einer der schärfsten spanischen Kritiker des dortigen Regimes. Der König ist, glaubt man westlichen Medienberichten, ein launischer und oft kranker Monarch, der wie ein trotziges Kind reagiert, wenn er oder die von seinen Gnaden berufene Regierung kritisiert wird. „Marokko ist keine Demokratie, auch wenn es dort Wahlen gibt, deswegen ist das Taktieren nicht ungewöhnlich, aber es wird immer dreister“, warnt Cembrero. Die Polizei greift inzwischen sehr hart durch gegen Staatsfeinde, vor allem in der teilweise annektierten Westsahara. Der Auwanderwille der marrokanischen Bevölkerung wächst auch deswegen. Unter den jüngst auf den Kanaren eingetroffenen Migranten waren auch viele Marokkaner.
Der Auswanderungsdruck ist enorm und Europa ist über die Meerenge von Gibraltar sehr leicht zu erreichen. In Deutschland leben laut Statista knapp 80.000 Marokkaner, während es in Spanien schon fast eine Millionen sind. Nach marokkanischen offiziellen Angaben leben fünf Millionen Landsleute bereits im Ausland.
Ähnlich still wie jetzt blieben auch die deutschen Reaktionen nach dem Entwicklungshilfe-Deal, den Marokko angekündigt hat vor Weihnachten. Die Regierung in Rabat bezog sich auf ein Telefongespräch zwischen dem marokkanischen Außenminister und dem deutschen Entwicklungsminister. Es geht um ein deutsches Hilfe-Paket von 1,38 Mrd. Euro. Das Auswärtige Amt beschreibt die Beziehungen mit Marokko im Internet als „traditionell eng, freundschaftlich und spannungsfrei“. In dem Land sind mit eigenen Büros unter anderem die Friedrich-Ebert-, die Konrad-Adenauer- und die Friedrich-Naumann-Stiftung vertreten. Marokko sollte der grüne Wasserstoff-Lieferant für Deutschland werden. Die Hans-Seidel-Stiftung bezeichnet Mohammed VI. 2017 auf seiner Internetseite noch als „Garant für religiöse Toleranz“ und „institutionelles Bollwerk gegen islamistische Versuchungen jeglicher Art“.
Ein Garant für außenpolitische Stabilität jedenfalls ist Mohamed offensichtlich nicht. Seit geraumer Zeit schon sind die Grenzen zu Ceuta und Melilla geschlossen. „Die spanischen Exklaven sind immer mehr ein Dorn im Auge der dortigen Regierung. Ohne den Schwarzhandel mit dem Nachbarland können die autonomen spanischen Städte kaum überleben und die Pandemie wird jetzt als Entschuldigung für ein weiteres Drosseln der Handelsbeziehungen zum Anlass genommen“, berichtet der spanische Sicherheitsexperte Fernando Cocho. In der spanischen Zeitung „Diario16“ wird derweil davon berichtet, dass Marokko dank der Beziehungen zu Israel schon bald über eine Atombombe verfügen könnte, das könnte die Sicherheit im Maghreb, die bereits aufgrund des Konfliktes mit Algerien auf wackligen Beinen steht, endgültig sprengen. Ein großer Vorteil Marokkos gegenüber seiner Nachbarn: Bisher hat der König es geschafft, Proteste des Volkes zu unterdrücken.