Tichys Einblick
Happy birthday, Mr. Gorbatschow

Die Wiederauferstehung des Sozialismus durch deutsche Geschichtsvergessenheit

Das Hätscheln des wiederauferstehenden Sozialismus ist nur durch das verheerende Vergessen seiner Geschichte vor 1989 begreiflich. Dieses Vergessen ist nicht zufällig. Es ist die alte Blindheit auf linken Auge.

Das Ernst-Thälmann-Denkmal in Berlin wurde 1986 im Beisein von Honecker und Gorbatschow eingeweiht.

IMAGO / Hohlfeld

Der Leierkastenmann kann noch so viel kurbeln, aber es dreht sich stets nur dieselbe Walze: Die Geschichte wiederholt sich und wiederholt sich und wiederholt sich. Und jedes Mal erhebt sich die Leiche wie neugeboren aus dem Sarg und grinst: hier bin ich wieder! Als Farce? Aber nein! Ich meine es bitterernst. 

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Die Rede ist nicht vom Nationalsozialismus, dessen Wiederkehr wir hierzulande ja täglich und stündlich zu Wasser, zu Land und in der Luft bekämpfen, eine staatlich verordnete und bestens dotierte Aufgabe, der sich insbesondere die Jungen und Linken mit Hingabe widmen. Die Rede ist von der Wiederauferstehung des Sozialismus, kaum sind nach seinem erneuten Scheitern ein paar Jährchen vergangen. Der Bub gedeiht besonders prächtig im Windschatten des Kampfs gegen Rechts, hinter dem der Schrecken anderer Versuche, den neuen Menschen zu erzwingen, zurücktreten muss. Und das ist wohl auch die Absicht. 

Während die AfD so erfolgreich in die rechte Ecke geschoben wurde, dass ihre Vertreter, egal, wie vernünftig der eine oder andere von ihnen ist, zu Unberührbaren geworden sind; während ein Machtwort der Kanzlerin dafür sorgt, dass eine bereits abgewählte Linksregierung in Thüringen weitermachen darf, weil sich die Alternative, ein FDP-Mann, mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten hat wählen lassen; während rechts von der Kanzlerin also ein Abgrund gähnt, wird Links gehätschelt. Die meinen es doch nur gut! Davon profitiert auch die Partei gleichen Namens, „Die Linke“, die mit der SED, der Mauerschützenpartei der DDR, schon aus Gründen des Erhalts des Parteivermögens rechtsidentisch ist.

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Nicht auszudenken, wie mächtig der Sturm der Entrüstung gewesen wäre, wenn ein nicht völlig unwichtiger Vertreter der CDU einem wie Jörg Meuthen zu seiner Wahl als erstem Bundesvorsitzenden der AfD gratuliert hätte. Bei einer „bekennenden Kommunistin und Trotzkistin, die die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschlands in Frage stellt“, darf man das, wie Generalsekretär Manfred Pentz der hessischen CDU wohl glaubte, als er im Namen seiner Partei der neugewählten Bundesvorsitzenden der Linken Janine Wissler überschwenglich zur Wahl gratulierte – sie sei eine „charismatische Persönlichkeit“ mit „beachtlichem Ruf“.

Man könnte das als Ausdruck bürgerlicher Höflichkeit nehmen – auch dem politischen Gegner gegenüber den Anstand zu wahren, ist ja keine Schande. Sofern es sich nicht um die AfD handelt, natürlich. 

Ich fürchte jedoch, es steckt keine Tugend, sondern die alte deutsche Geschichtsvergessenheit dahinter, auf dem linken Auge blind zu sein. Rund ein Drittel der Bundestagsabgeordneten der Linken unterstützt in aller Offenheit Gruppierungen, die beim Bundesamt für Verfassungsschutz als extremistisch gelten und auf einen „grundsätzlichen Systemwechsel“ hinarbeiten. Die Traditionsextremisten nennen sich „Antikapitalistische Linke“, Kommunistische Plattform“ oder „Marx21“. Dort war auch Janine Wissler Mitglied. Auch der Fall der Linken Barbara Borchardt ist interessant, die mit den Stimmen von CDU und SPD im vergangenen Jahr zur Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern gewählt wurde. Sie ist Mitglied der „Antikapitalistischen Linken“. Wie der Aufruf zum „Systemwechsel“ mit der Sorge um Verfassungstreue zusammengehen soll, wissen selbst die Götter nicht. 

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Der staatlich finanzierte „Kampf gegen Rechts“ ist ein probates Mittel, auch alle einst lediglich bürgerlich-vernünftigen Positionen ins rechte Ghetto zu verbannen. Vor allem aber sorgt er dafür, dass der „besorgte Bürger“ kaum noch wagt, sich über anderes zu empören, das könnte ja Wasser auf die Mühlen der Rechten sein! Auf die Frage nach der Zahl der „Gefährder“ in Deutschland nannte das Bundesinnenministerium jüngst folgende Zahlen: Linksradikale 6, Rechtsradikale 71! Da sieht man es doch! Nun, die Zahl der Gefährder mit „religiöser Ideologie“ wird mit 532 beziffert. Man erwähne besser nicht, welche religiöse Ideologie gemeint ist, das wäre ja womöglich „islamophob“. 

Die Linke im Bundestag fragte kürzlich nach der Zahl der Brandanschläge mit extremistischem Hintergrund. Die Antwort dürfte sie nicht erwartet haben. 2018 und 2019 wurden Brandanschläge zu über 80 Prozent von Linksextremen verübt. Sind ja bloß Zahlen, deshalb wohl erhielt diese Erkenntnis wenig öffentliche Resonanz. Den Abfacklern ging es doch gewiss um eine menschlichere Zukunft. Weshalb auch die SPD-Vorsitzende seit ewigen Zeiten „Antifa“ ist. So sind sie, unsere Linksromantiker.

Der Leierkastenmann kurbelt, auf ewige Wiederkehr. 

Übrigens: Heute wird Michail Gorbatschow 90 Jahre alt, „der letzte romantische Kommunist, der den Kommunismus auf den Müllhaufen der Geschichte warf“ (Gail Sheehy). Ihm verdanken wir den Untergang der Sowjetunion und damit auch der DDR, obwohl er etwas ganz anderes wollte – so eine Art ökosozialistische Globalisierung des Kommunismus, also einen „Great Reset“. Manchmal gehen Wünsche in Erfüllung. 30 Jahre nach dem Ende des Arbeiter- und Bauernparadieses ist es wieder so weit. Happy birthday, Mr. Gorbatschow!


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