Tichys Einblick
Achtes Weltwunder bei Hart aber Fair

Lauterbach plädiert für schnelle Lockerungen, der Lockdown wirke nicht (kein Scherz!)

Nein, wir wollen Sie weder hinter die Fichte führen noch auf den Arm nehmen. Es stimmt wirklich: Karl Lauterbach will den Lockdown beenden und zwar zügig. Wenn das mal nichts heißen mag.

Screenshot ARD: hart aber fair

Immer wieder Lauterbach: Nachdem er letzte Woche erst bei Lanz und Illner vorstellig wurde, ist er heute wieder der Star des Abends bei Plasberg in Hart aber Fair, der heute unter dem Motto „Viel Druck im Kessel“ mal wieder über den Lockdown debattieren ließ. 

Das Phänomen Lauterbach ist die vielleicht bizarrste Corona-Folge nach dem Verweilverbot. Vor wenige Monaten war der SPD-Gesundheitsmann noch ein ziemlich ins Abseits gedrängter Politiker, die Fliege zog sich für ihn zu. Jetzt ist er der gefragteste Corona-Erklärer der Republik. Und er hat tatsächlich viele Fans: Jede Kommentarspalte zu den Sendungen ist voll von harten Lauterbacherianern, die ihm dankbar sind und alle anderen Gäste der Sendung ganz unmöglich finden. Sie bewundern ihn für seine Ruhe und seine kühle und klare Wortwahl. Einer fordert gar, dass Karl Lauterbach eine eigene Sendung bekommt, bei der ihm „keiner mehr reinquatscht“. Aber eigentlich hat der die ja schon längst. Dieses mal war Frank Plasberg zu Gast.

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Der Umgang mit Karl Lauterbach wird in der Tat immer härter. Erst nach einer halben Stunde durfte er diesmal zu Wort kommen. Heute Abend wird er kräftig eingeseift, immer wieder fällt man ihm ins Wort, immer wieder wird ihm jeder Fehltritt um die Ohren gehauen. Als er sagt, man solle Testkapazitäten nicht verbrauchen, um am Wochenende Party zu machen, kriegt er voll auf die Zwölf: „Warum muss man denn immer das Bild von Extremen zeigen?“

Erst als eine Lehrerin, ein Restaurantbetreiber und ein Unternehmer lang und breit die untragbaren Folgen des Lockdowns skizzierten, kommt Lauterbach zu Wort. Thalia-Boss Busch macht klar: „Der Lockdown ist ein totales Desaster! Ohne wahrgenommene Strategie und Perspektive nach vorne!“ Die Hart aber Fair-Redaktion hat eine eindrucksvolle Liste zusammengestellt: Der Mode-Discounter Pimkie schließt 29 Filialen, die Hair Group Klier 315 Salons, die Modekette Promod sperrt 32 Geschäfte zu, H&M 14 Läden, Douglas 60 Parfümerien und das Reisebüro DER 40 Filialen.

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Doch dann nach langem Warten ist es endlich Zeit für die Gegenrede für einen neuen Lauterbacher, von dem man sich nicht weniger erwartet als einen neuen Gipfel des Wahnsinns. Sowas in der Art wie: Der Lockdown muss mindestens noch drei bis vier Jahre auch mit Impfung fortgesetzt werden. Oder: Wir bräuchten endlich mal einen richtigen Lockdown mit Ausgangssperren und Militärpolizei. Oder die Menschen sollten sich scheiden lassen, um Kontakte zu reduzieren, oder man sollte vorübergehend die Lebensmittelgeschäfte schließen. Aber nichts, nichts, nichts dergleichen kam an diesem Abend. Karl Lauterbach erklärt uns tatsächlich, dass der Lockdown nicht gegen die Welle der Virus-Variante wirke. Er sei zu schwach. Doch anstatt dann dafür zu plädieren, ihn härter zu machen, solle man lockern. Lockern und gleichzeitig die Infektionszahlen drücken.

Er skizziert dafür folgende Strategie: In Betrieben und Schulen soll jeder wöchentlich und wenn möglich öfter einen Schnelltest machen, dessen negatives Ergebnis dann als Eintrittskarte für den Einzelhandel laufen soll. Zusätzlich solle die Impfstrategie angepasst und sollen Erstimpfungen vorgezogen werden, die würden zunächst mit 80-prozentiger Sicherheit vor schweren Verläufen schützen – das bräuchten wir jetzt, um die Welle aufzuhalten. Wahnsinn: Und das nur zwei Tage vor dem Gipfel, auf dem Merkel Lockerungen verhindern und den Lockdown gegen jeden Widerstand durchsetzen will – jetzt geht ihr ausgerechnet Lauterbach als treuster Unterstützer von der Fahne.

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Bleibt die Frage: Wann lockern? Als der Moderator nachbohrt, meint Lauterbach, diese Strategie solle man erst beschreiten, wenn ausreichend Testkapazitäten vorhanden seien, das passiere aber Mitte/Ende März. Haben Sie was mitbekommen? Lauterbach hat gerade ganz im Ernst flächendeckende Öffnungen in zwei, drei Wochen gefordert. What a time to be alive. 

Es ist das erste mal in der Corona-Geschichte, dass Lauterbach nicht die radikalste Position vertritt, im Gegenteil: das ist ja schon fast ein Schlag gegen Merkel. Der Lauterbach-Indikator zeigt endgültig, dass die Stimmung längst gekippt ist. 

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