Tichys Einblick
Rumoren hinter den Kulissen

Der Fall Spahn(s): Über die Nachfolge wird bereits spekuliert

Tritt Spahn seinen „freiwilligen“ Rückzug an und gibt Merkel die Möglichkeit, ein halbes Jahr vor den Wahlen einige Umgestaltungen im Kabinett vorzunehmen?

IMAGO / IPON

Wie zu erwarten legte die Bild-Zeitung auch am Sonntag kräftig gegen Jens Spahn nach, orientierte sich dabei (ohne Quellenangabe, selbstverständlich) am gestern bei TE benutzten Bild des stürzenden Ikarus. Das Boulevardblatt titelt „Spahn im Sturzflug“ und garniert diese Aussage mit der Unterzeile „Eben noch Möchtegern-Kanzlerkandidat, jetzt Minister mit großen Problemen“. Die kleine Konkurrenz vom Berliner Kurier legt nach und meint: „Jens Spahn: Sein tiefer Fall vom möglichen Kanzlerkandidaten zum Buhmann“.

Die Jagd auf den Mann, der es bis vor kurzem in den sogenannten Beliebtheits-Umfragen sogar schaffte, die Sonnenkönigin zu überholen, ist in vollem Gange. Und so beglückt Bild die Frau Bundeskanzler zum Sonntag mit einer Insa-Umfrage: Nur noch 28 Prozent der Befragten seien mit der Arbeit „des einstigen Hoffnungsträgers“ zufrieden. 56 Prozent hingegen hätten sich nun „unzufrieden“ mit der Arbeit des zum Abschuss freigegeben Ministers geäußert. Hat Bild den Münsterländer also bereits abgeschrieben?

Hektik hinter den Kulissen

Sobald Merkel ihr Vertrauen ausspricht …
Vom Shooting-Star zum Ikarus – Der Fall Spahn(s)
Da verwundert es wenig, dass dem Vernehmen nach hinter den Kulissen bereits die Telefone und Digitalkanäle heiß laufen. Armin Laschet, nach seinem Coup, den potentiellen Konkurrenten als Mitfahrer in sein CDU-Vorsitzendenboot zu nehmen, eng mit dem 40-Jährigen Borkener verbandelt, bangt, mit in den Strudel gerissen zu werden. In Düsseldorf soll deshalb an Strategien gearbeitet werden, wie sich der Aachener seine Chancen zur Kanzlerkandidatur durch ein am besten unauffälliges Absetzen vom „Skandalminister“ erhalten kann. Abtauchen oder den Saubermann herauskehren? So oder so – an dem für seine Bauernschläue bekannten Ministerpräsidenten von NRW könnte ein wenig „Spahn“ hängen blieben. Der für die Gegner günstigen Sprichworte kennt der deutsche Volksmund in solchen Situationen viele – angefangen bei jenem, wonach man seine Freunde zeigen möge, um zu offenbaren, wer man sei.
Der Streit ums Geld

Nicht ganz ohne Nebenwirkungen wird auch die Frage bleiben, weshalb die Abendgaben der Dinnergäste unmittelbar auf ein Konto des Spahn-Kreisverbandes gegangen sind. Das Ministerium wollte daraus die Legende stricken, es habe sich bei dem unmaskierten Treffen um eine Privatangelegenheit „der Partei“ gehandelt. Nur – diesen Schuh mag sich die CDU nicht anziehen. Und das sogar mit Recht, denn wäre es eine Parteiveranstaltung gewesen, so hätten die Spenden für den Fall, Spahn sei als CDU-Präsidiumsmitglied aktiv gewesen, an die Bundespartei in der Klingelhöferstraße gehen müssen. Oder aber, der Minister wäre als Vertreter seines Landesverbandes aufgetreten – dann hätte sich der Schatzmeister in Düsseldorf über den finanziellen Zufluss freuen dürfen.

Doch das Geld, um das Veranstalter Zimmermann bat, ist direkt an die Kriegskasse des Gesundheitsministers in dessen CDU-Kreisverband gegangen. Insofern kann sich Laschet zumindest hier beruhigt zurücklehnen: Spahns Auftritt war weder einer der Bundes- noch der Landes-CDU. Also wohl doch eher einer in der Ministerfunktion – was wiederum von der dortigen Pressestelle übereilt dementiert wurde, Spahn jedoch in erhebliche Erklärungsnot bringt.

Nutznießer Söder

So oder so wird Laschet nun alles daran setzen, zum früheren Erfüllungsgehilfen auf vorsichtige Distanz zu gehen. Denn Nutznießer der Hatz auf den Angezählten wird vor allem Bayerns wendiger Ministerpräsident Markus Söder sein, der nach eigenem Bekunden zwar so gern in Bayern bleiben möchte, doch als protestantischer Franke allem Anschein nach nichts dagegen hätte, von den großzügig angelegten Balkonen des Kanzleramts ein wenig preußische Regierungsluft zu schnuppern.

Also glühen die Kanäle nicht nur zwischen den Mitgliedern des CDU-Präsidiums. Doch auch dort wird sich Spahn auf seine bisherigen Unterstützer kaum noch verlassen können. Aus dem früheren Sonnyboy ist über Nacht Wählergift geworden, von dem niemand mehr kosten möchte.

An der Nachfolge wird bereits gestrickt

Nicht zuletzt deshalb soll dem Vernehmen nach bereits über eine Nachfolge nachgedacht werden. Im Gespräch ist demnach Annette Widmann-Mauz. Die 1966 in Tübingen geborene Berufspolitikerin mit achtjährigem Rechts- und Politikstudium ohne Abschluss, seit 2015 Vorsitzende der CDU-Frauen-Union, war bereits 2018 für das Gesundheitsressort im Gespräch. Als langjähriger Parlamentarischer Staatssekretär des Ministeriums seit 2009 galt sie gleichsam als „natürliche“ Anwärterin auf den Kabinettsposten.

Doch sie musste Platz machen, um den für Merkel unbequemen Spahn in die Kabinettsdisziplin zu zwingen und die Forderungen der Konservativen in der CDU zu beruhigen. Abgefunden wurde sie mit dem Job des „Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration“ – einer Materie, von der sie nach Aussagen von Migrantenvertretern allerdings kaum Ahnung hat und deshalb auf die üblichen Beraterstäbe und Schönredelobbyisten angewiesen ist.

Auch Scheuer wankt

Sollte Spahn nun seinen Platz räumen müssen, knallen bei der Damenfraktion die Korken – ein weiterer Mann aus dem politischen Weg geräumt und vorsorglich schon einmal das Gesundheitsressort für die kommende Legislaturperiode gesichert.

Gut möglich also, dass Spahn seinen „freiwilligen“ Rückzug antritt und Merkel die Möglichkeit gibt, ein halbes Jahr vor den Wahlen einige Umgestaltungen im Kabinett vorzunehmen. Denn dort gibt es noch einen weiteren Mann, der zur Dauerbelastung geworden ist: Verkehrsminister Andreas Scheuer. CSU-Parteichef Söder soll bereits sein Einverständnis zur Demission signalisiert haben – allerdings mit einem kleinen Wehrmutstropfen für die auf Durchmarsch programmierten Frauen.

Für Scheuers Nachfolge ist der CSU-Generalsekretär Markus Blume im Gespräch. Dem diplomierten Politikwissenschaftler wird zugetraut, mit seiner besonnenen Art das Skandal-geschüttelte Verkehrsressort in ruhiges Fahrwasser zu steuern. Dass er in Berlin ganz nebenbei schon einmal ein paar Pforten für einen Kanzler Söder öffnen könnte, wäre ein aus bayerischer Sicht nicht unerwünschter Nebeneffekt.

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