Für Kinder fließt die Zeit langsam; ein Jahr ist eine Ewigkeit; eine lange Zeitspanne, in der sie sich verändern, lernen, wachsen. Ein Jahr Corona bedeutet für sie meist eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten, kaum Schulunterricht, das Diktat der Angst und der Zwang zur Maske. Familiäre Probleme mögen dazu kommen, Isolation und Vereinsamung, zunehmend auch anwachsende häusliche Gewalt im Lockdown. Viele Kinder reagieren depressiv und apathisch. Es ist mehr als ein verlorenes Jahr. Es ist ein Jahr, dessen traumatische Folgen sich erst später zeigen werden.
Viele Städte und Gemeinden gehen rücksichtslos mit diesen Problemen um. Städtische Parks sind gesperrt, in Düsseldorf gilt jetzt ein „Verweilverbot“ am Wochenende in der Altstadt und an der Rheinpromenade, der einzigen Frischluftschneise in der verdichteten Stadt. Viele Mittelgebirge sperren am Wochenende ihre Straßen gegen Besucher. Das ist so in der Eifel und im Taunus. Parkplätze werden blockiert, die Städter sollen ferngehalten werden. Rodeln ist verboten, Spazierengehen ein Gnadenakt. Wie sollen Kinder und Eltern sich erholen – ohne Parks, ohne Freizeitmöglichkeiten, ohne Bolzplatz, ohne Kinderspielplatz?
Anders bei den Alten. Für sehr alte Menschen verfließt die Zeit schnell. Oft zählen nur noch Monate, ein halbes Jahr oder ein ganzes. In dieser Zeit allein zu sein, die Familie nicht mehr zu sehen, die Liebsten, die Kinder, die Enkelkinder: Viele empfinden es, so sagen uns Pfleger, als vorgezogenes Sterben, als sozialen Tod, dem der geistige und physische folgen. Die Entscheidungsfreiheit ist ihnen genommen: Noch einmal bei wachem Bewusstsein die Angehörigen sehen. Überleben um jeden Preis ist für viele nicht erstrebenswert, sondern die letzten Wochen oder Monate in Würde und in liebevoller Umgebung zu verbringen.
Kindern wird ein schlechtes Gewissen eingeredet. Sie könnten die Alten anstecken. Wie viele Schuldkomplexe werden hier Kindern aufgeladen – und das, ohne die Einsamkeit der Alten zu lindern? Sinnlos, zwecklos.
Diese Gelassenheit können die Jungen und die Alten nicht haben.
Und es sind die Sensiblen. Sie leiden nicht nur unter Isolation, dem Zerbrechen ihrer sozialen Eingebundenheit, dem Fehlen von Freundschaften. Es ist ein düsterer Nachruf, den TE-Autor Alexander Wendt anlässlich des Todes von Stefan Mickisch geschrieben hat: ein sehr persönliches Stück über das Scheitern eines sensiblen Pianisten, der wie kaum ein Zweiter Musik erklären und in Worte fassen konnte. Umgebracht hat ihn die Reaktion auf seine eigenen Worte: Eine ungeschickte Bemerkung auf Facebook wurde zum Anlass genommen, seine Existenz, seinen Ruf und sein Leben zu zerstören. Besonders niederträchtig dabei hervorgetan haben sich der Bayerische Rundfunk und das Haus Wahnfried in Bayreuth.
Es wurde eine Hexenjagd veranstaltet, eine öffentliche Jagd auf einen Menschen, der eine andere als die erlaubte Meinung vertritt. Daran ist Stefan Mickisch zerbrochen. Die selbstgerechten Rächer der Regierung und ihre Subventionsempfänger reagieren nicht betroffen, sie werfen noch schäbige Bemerkungen nach ins offene Grab.
Aber Politiker leben nicht so. Ihr Leben geht weiter wie bisher; Kinder zählen nicht, der Kampf geht nicht um konkrete Menschen, sondern abstrakte Formeln wie den Genderstern.
Die Opfer dieser gedankenlosen Politik sind die Schwachen, die Sensiblen. Sie sind keine organisierbare Minderheit, die auf die Pauke haut und sich durchsetzt, rücksichtslos auf ihre Identität pochend und ihre verletzten Gefühle vor sich hertragend wie eine Panzerfaust. Eine Gesellschaft zerbricht. An unmenschlicher Politik.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.