Tichys Einblick
"Expedition Grundeinkommen" und das DIW

Ein Idiot, wer arbeitet und Steuern zahlt

Der Verein "Expedition Grundeinkommen" propagiert mit Unterstützung des DIW (also letztlich des Staates) ein Modell des bedingungslosen Grundeinkommens, das das Solidarsystem dreist überdehnen würde.

IMAGO / Jannis Große

Was macht man, wenn man einmal Theaterregisseur und Schauspieler war, dann aber – aus welchen Gründen auch immer – beschloss, Politiker zu werden, es zwar bis zum Bundesgeschäftsführer der Piraten schaffte, aber sich 2013 vom Amt und aus der Politik zurückzog? Dann kann man immer noch „Mitgründerin des Trägervereins Expedition Grundeinkommen e.V.“ werden.

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Erfahrung mit staatlicher Finanzierung der eigenen Existenz hatte Johannes Ponader, der sich jetzt Joy Ponader nennt, schließlich reichlich gesammelt. So schreibt Wikipedia: „Seit seiner Wahl wurde in den Medien thematisiert, dass Ponader Arbeitslosengeld II bezog. Er kündigte Anfang Juli 2012 an, in Kürze vom Jobcenter finanziell unabhängig zu sein und auf Sozialleistungen zu verzichten. Mitglieder der Piratenpartei initiierten eine Spendenaktion zu Ponaders Gunsten, die im Sommer viel Kritik aus der Partei erhielt.“ Weiter teilt Wikipedia mit: „In einem Interview mit der Bild-Zeitung kritisierte Heinrich Alt, ein Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, 2012 Ponaders politische Betätigung bei gleichzeitigem Bezug von Sozialleistungen als Selbstverwirklichung „auf Kosten der Steuerzahler“. Die Agentur hielt Ponader vor, dass er mit 60 bis 70 Stunden pro Woche zu viel Zeit für seine ehrenamtliche politische Tätigkeit aufwende und deshalb keinen Leistungsanspruch habe …. Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung schreibt der Spiegel in einem Artikel: „Ponader ärgert, dass die Arbeitsagentur jetzt so kleinlich wird: ‚Ich werde vom Sozialsystem heftig hinterfragt, weil ich mich politisch engagiere und trotzdem Sozialleistungen beziehe. Das ist eine extreme Entartung des ganzen Systems.“

Über Laura Brämswik, „Vorstand und Gründerin des Trägervereins Expedition Grundeinkommen e.V.“ heißt es in der Vereinsbroschüre, dass „Laura in Berlin lebt und arbeitet und eine große Leidenschaft für Gesellschaft, Innovation und Politik“ hätte und dass sie von der London School of Economics and Politics, von der Leuphana und von der Universidad Autonoma de Barcelona zur Sozial-, Wirtschafts- und Kulturpsychologin sowie Politologin ausgebildet worden sei. „Zuvor war Laura Partnerin bei Ashoka Deutschland und hat dort Sozialunternehmer*innen beraten und zu sozialer Innovation gearbeitet. Davor war sie Unternehmensberaterin bei der Boston Consulting Group, wo ihr Schwerpunkt auf Öffentlichen Institutionen, Social Impact und Nachhaltigkeit lag.“

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Die beiden Gründer haben sich nun ausgedacht, dass sie einen bundesweiten Modellversuch zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) in der Bundesrepublik am 23. Februar 2021 starten wollen. „Der Kostenanteil liegt bei 30.000 € pro Versuchsteilnehmer*in über die gesamte Zeit des Modellversuchs.“ Damit wurden natürlich „alle Kosten“ der Studie „abgedeckt“, als da wären „Befragungs-, Verwaltungs-, Forschungs- und Gemeinkostenanteil“ und die „Anteile an den Gemeinkosten der Forschungspartner“. Forschungspartner ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. So steht es auf der Homepage und in der Broschüre des Vereins. Sowohl der Verein „Expedition Grundeinkommen“, als auch DIW benutzen für Homepage und Broschüre als Farbe ein ähnliches Grün.

Das DIW, das von dem Ökonomen Marcel Fratzscher geleitet wird, dessen Statements auf Twitter oft den Eindruck hinterlassen, dass er von Claudia Roth promoviert und von Robert Habeck habilitiert worden sei, was natürlich nicht stimmt, wird zu 62 Prozent von Bund und Ländern, also von Steuergeld finanziert. Das DIW gibt an, dass „knapp ein Drittel der Einnahmen des DIW Berlin … aus der Projektförderung sowie aus der Auftragsforschung (37 Prozent)“ stammen, zu einem Großteil auch steuerfinanziert, denn ein Blick auf die Projekte des DIW weist häufig die DFG, die Leibniz-Gemeinschaft, deren Mitglied das DIW ist, und Bundesministerien als Auftraggeber aus. Weiter stellt das DIW klar: „Bedeutendste Auftraggeber sind dabei deutsche und europäische öffentliche Institutionen (25 Prozent). Weitere Fördermittel werden von anderen Forschungseinrichtungen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworben (neun Prozent). Die Projektmittel von Stiftungen, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen machen etwa drei Prozent des Institutshaushalts aus. Rund ein Prozent des Gesamthaushalts wird durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und sonstige betriebliche Erträge finanziert.“ Wirft man einen Blick auf den Vorstand der Freunde des DIW, fällt auf, dass die Vorständler in der Kommunikations- und Unternehmensberatung vorwiegend an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft tätig sind.

Laut Welt signalisierte der DIW-Forscher Jürgen Schupp, dass er gern die fachliche Beratung übernähme, wenn die „Expedition Grundeinkommen“ genug Unterstützer zusammentrommelt.

Bei soviel Sachverstand im Verein und im DIW ist natürlich klar, woher das Geld für das Projekt und für die Aufwände von Verein und DIW kommen soll. Natürlich aus dem Steueraufkommen, diesmal aus dem der Kommunen.

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Allerdings werden die Teilnehmer für die Studie in zwei Gruppen eingeteilt: die einen bekommen das BGE, die anderen nicht, weil sie als Probanden der Vergleichsgruppe agieren sollen. Der Verein hat schon einmal ausgerechnet, „dass der Grundeinkommensanspruch für erwachsene Teilnehmer*innen mindestens 1.200 Euro und für minderjährige Teilnehmer*innen mindestens 600 Euro betragen“ soll. Auf Kommunen, die sich an der famosen Studie oder an dem famosen Modell beteiligen, würden folgende Kosten zukommen „Pro 1.000 Einwohner*innen nimmt eine Person an dem Modellversuch mit Kosten in Höhe von jeweils 30.000 € teil. Das heißt, dass eine Gemeinde sich an die Kosten des Modellversuchs durch eine pauschale Kostenbeteiligung in Höhe von 30 Euro je Einwohner*in in der Gemeinde beteiligt (je 10 Euro über 3 Jahre). Leipzig mit 605.407 Einwohner*innen (Stand Januar 2021) würde dementsprechend 18,2 Mio. Euro zahlen, 605 Teilnehmer*innen für die Versuchsgruppen und 907 Teilnehmer*innen für die Vergleichsgruppe entsenden.“ Die Zusammenarbeit in der Studie oder in dem Modellprojekt wird in „einem Vertrag zwischen der Stadt/Gemeinde und dem Projektträgerverein“ festgelegt, und zwar „wie viele Teilnehmer*innen die Stadt/Gemeinde für die Studie entsendet und wie viele Kosten sie übernimmt. Diese Kosten werden in Form von Zuwendungen der Gemeinde an den Projektträgerverein ausgezahlt.“ Die Kommunen zahlen also alles.

Sowohl dem DIW, als auch dem Verein könnte entgangen sein, dass die Kommunen durch die verfehlte und desaströse Corona-Politik der Bundesregierung mit erheblichen Steuerausfällen rechnen müssen. Nicht wenige Kommunen sind jetzt schon hoch verschuldet. Der Verein argumentiert, dass die Kommunen durch das BGE Sozialausgaben sparen würden, nur geben sie die ja wieder in Form des BGE aus – und finanzieren obendrein noch den Verein und das DIW.

Dass Fratzschers Institut billigend in Kauf nimmt, dass möglicherweise Kommunen das Budget für Schwimmbäder oder Sportplätze oder die Unterstützung örtlicher Vereine, wie Sportvereine oder die Freiwillige Feuerwehr, die eine wichtige Arbeit leisten, reduzieren müssten, spricht für sich und nicht für das DIW.

Berechtigt zum Erhalt eines BGE soll nach Ansicht des Vereins jeder sein, der unter einer bestimmten Grenze der von ihm zu entrichtenden Einkommenssteuer liegt. „Wer mit seiner Einkommensteuer über einer bestimmten Grenze liegt, bekommt keine Grundeinkommenszahlung“, sagt Brämswig der Welt. Wer unterhalb liegt, soll einen staatlichen Transfer erhalten, formal eine Steuererstattung.

Sollte sich dieses Modell durchsetzen, kann man jedem Steuerzahler nur raten, die Arbeit einzustellen. Wer so dreist das Solidarsystem überdehnen will, zerstört es schließlich.

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