Niemand bezweifelt die weiterhin großteils schlechten Zustände in den Lagern für illegale Migranten auf Lesbos. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Migranten nicht aus Syrien oder Afghanistan kommend in diese Lager „geflüchtet“ sind, sondern aus mehr oder weniger stabilen Verhältnissen in der Türkei. Dort nämlich sorgen die u.a. von der EU massiv subventionierten Türken und diverse oft gut ausgestattete Hilfsorganisationen dafür, dass sie auf einem niedrigen zwar, aber einem verlässlichen Niveau versorgt sind. Ja, auch in der Türkei gehen syrische Kinder zu Schule. Und einige leben dort überwiegend nicht schlechter als zu Friedenszeiten in Syrien.
Warum also machen sie sich dennoch auf den Weg nach Lesbos, warum bezahlen sie Schlepper oder setzen sich eigenständig in marode Schlauchboote, um die wenigen Kilometer von der Türkei nach Lesbos zu gelangen? Weil viele davon gehört haben, was sie im weit entfernten Deutschland erwartet. Weil Landsleute dort bereits angekommen sind und via sozialen Medien davon berichten. Nämlich von Zuständen, die ihre Lebensumstände und die ihrer Vorfahren bei weitem übersteigen. Ja, angesichts der Tatsache, dass der Deutsche in der Regel eine Hartz-4-Versorgung alles andere als einen Luxus empfindet, mag das seltsam anmuten, aber es gibt unbestreitbar ein Armutsgefälle weltweit. Und die Lebensverhältnisse in Syrien, auch in Friedenszeiten, waren für die Mehrheit der Syrer auf einem niedrigeren Niveau, als für die Mehrheit der Deutschen in ihrem Land.
Jetzt brannten wieder Zelte im Ersatzlager Kara Tepe, wie die Deutsche Welle gestern berichtete. Bewohner von Kara tepe hatten einen Instagram-Account eingerichtet, den sie „Now_you_see_me_moria“ nannten. Dort posten sie, wie Rauchwolken zwischen den weißen UNHCR-Zelten aufsteigen und Frauen verzweifelt um Hilfe rufen. Und die Bewohner drohen den Hilfsbereiten in der EU und in Deutschland ganz offen damit, dass sie noch mehr Chaos anrichten könnten, wenn wir nicht bereit wären, sie einwandern zu lassen: „Schon wieder Feuer im zweiten Moria Camp auf Lesbos. Zwei Zelte sind abgebrannt, und es ist weder das erste noch das letzte Mal. Es ist immer so, denn die Regierung kümmert sich nicht um Flüchtlinge. Video von Ali.“
Ali will mutmaßlich nach Deutschland. Das allerdings sollte ihm nach dieser Nötigung besser verweigert werden. Bitte nicht vergessen: Diese Lager auf Lesbos sind nicht das Wunschziel der Reise dieser Menschen, die hier nicht vor Krieg und Verfolgung flüchten, sondern aus der Türkei Richtung Deutschland einwandern wollen. „Now_you_see_me_moria“ hat Unterstützung von westlichen Nichtregierungsorganisationen, die eine gleichnamige Internetseite www.nowyouseememoria.eu beisteuern. Es gibt sogar eine Plakataktion in Deutschland gleichen Namens. Beispielsweise Hersbrucker Geschäfte (Mittelfranken) beteiligen sich daran, auf die Situation in den Flüchtlingslagern auf Lesbos hinzuweisen. Wie diese prekäre Situation allerdings entstanden ist, will offensichtlich keiner so genau wissen.
Stattdessen zeigt man Plakate beispielweise mit einem kleinen Kind darauf, das vor einer riesigen Pfütze steht, Regen, schlechtes Wetter und im Hintergrund die weißen UNHCR-Zelte. Zelte, die im Übrigen vor allem eines bestätigen: Die mittlerweile noch besser ausgestattete internationale Hilfsorganisation ist vor Ort, ebenso übrigens wie in Libyen. Nur dass sie auf Lesbos innerhalb eines EU-Landes agieren und jedwede Unterstützung der EU und auch der Griechen bekommen. Auf der Seite der UNO-Flüchtlingshilfe wird über Lesbos u.a. berichtet: „Der UNHCR und unsere Partner stehen vor Ort bereit, um die Menschen zu unterstützen und zu versorgen.“
Gleichzeitig wird um Spenden gebeten: „Eine regelmäßige Spende hilft Flüchtlingen am nachhaltigsten.“ Mal davon ab, dass man nun zum x-ten Mal denselben Hinweis geben könnte, dass es sich hier um illegale Migranten handelt, nicht um Flüchtlinge, dürfte es interessanter sein, zu erfahren, wofür da Geld eingesammelt wird. Die Seite nennt Zahlen: „80 € für sauberes Trinkwasser, 125 € für ein Gesundheitspaket, 360 € für ein Familienzelt, oder selbstgewählte Summe.“ Nebenan kann man ankreuzen, was man spenden will und schon hat man die Welt besser gemacht, verspricht hier also die UNO-Flüchtlingshilfe, die damit zur UNO-llegale-Migrationshilfe geworden ist.
Das Dilemma ist nicht neu: Es macht keinen Sinn, die Verhältnisse schönzureden, da gibt es nichts schönzureden. Aber es ist hier ebenso wie auf dem Meer vor Syrien, nur dass die Pflicht der Seenotrettung unmittelbarer ist, unabhängig davon, ob sich Migranten selbst in Seenot gebracht haben. Die Migranten würden aus Libyen in die Schlepperschauchboote fliehen vor Verfolgung, Folter und Vergewaltigung? Man darf nicht müde werden zu erwähnen, dass das keine Libyer sind, sondern dass hier Leute nach Libyen gewandert sind über die Schlepperrouten, mit dem Ziel, in die EU zu kommen und hier vorwiegend nach Deutschland.
Man müsse diese Armut bekämpfen? Natürlich muss man das, wenn man die Mittel zur Verfügung hat. Und Deutschland leistet ja einen gewichtigen Beitrag seit Jahrzehnten überall in der Welt, wo Armut herrscht. Aber – und das gehört zur Wahrheit zwingend dazu – Armut ist kein Asylgrund. Nochmal: Armut ist kein Asylgrund. Das mag man bedauern, weil Armut ebenfalls entsetzliches Leid erzeugen kann, aber das Asylrecht gibt keine Armutszuwanderung her.
Die Tagesschau titelt Stand 20.02.2021 über das Lager Kara Tepe: „Kälte, Krankheiten – und erhöhte Bleiwerte.“ Tatsächlich will die NGO Human Right Watch auf dem ehemaligen Militärgelände angeblich erhöhte Bleiwerte festgestellt haben.
Der deutsche Nachrichtenkanal Tagesschau beginnt mit den Worten: „Es ist immer noch kalt, aber immerhin: Es hat endlich aufgehört zu regnen. Die Tage zuvor war es stürmisch, manchmal schneite es sogar – ganz normales Winterwetter auf der griechischen Insel Lesbos.“ Die Tagesschau erzählt weiter, dort würden Menschen leben, die aus dem abgebrannten Lager Moria gekommen seien: „…15 Tage später brannte das Lager komplett ab.“ Kein Wort darüber, wie es zu dem verheerenden Brand auf Moria gekommen ist, das passt halt nicht ins Bild.
Und die Tagessschau beschreibt weiter die unhaltbaren Zustände in Kara Tepe. Und trotz der so emotionalen Eingangsschildderungen müssen die Nachrichtenmacher im weiteren Verlauf ihres Artikels eingestehen: „Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht, denn die griechischen Behörden verweigern Journalisten seit Monaten den Zutritt.“ Weiterhin indes schippern Schiffe deutscher Nichtregierungsorganisationen vor Lesbos und haben es sich selbst zur Aufgabe gemacht, die ordnungsgemäße Arbeit der griechischen Küstenwache zu überwachen, ebenso, wie die Arbeit der EU-Grenztruppe Frontex.
Der Focus wiederum eröffnet eine aktuellen Bericht über Kara Tepe mit der Überschrift: „Hilferuf aus dem Flüchtlingslager Kara Tepe.“ Aber ruft man wirklich so um Hilfe? Indem man damit droht, seine eigene Unterkunft abzufackeln und zu einem zweiten Moria zu machen? Die Bebilderung bei Focus macht zunächst einen etwas differenzierten Eindruck. Zwar lautet die Bildunterschrift: „Frau vor dem Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos“, aber fairerweise muss man hier erzählen, was man sieht:
Ja, das Wetter ist schlecht, aber die Frau hat einen Regenschutz um und sie hält eine Einkaufstüte in der Hand, kommt also offensichtlich gerade vom Einkaufen. Links von ihr sieht man die gemauerte Uferpromende, das Meer, Straßenbeleuchtung alle zehn oder fünfzehn Meter, im Hintergrund die weißen UNHCR-Zelte. Aber wichtiger: Man sieht auch feste Häuser und man sieht viele Kleinwagen vor diesen Zelten. Nein, niemand will die Zustände dort beschönigen, aber es ist unerlässlich, alle Seiten zu beleuchten und vor allem die genauen Ursachen zu benennen.
Wie war das denn ab 2015 in Deutschland? Auch hier gab – und gibt es noch – Aufnahmelager als Zwischenlösung. Auch hier wurden Migranten notgedrungen vorübergehend in Bierzelten untergebracht, gut beheizt zwar, aber hellhörig: Schreit nachts ein Kind, sind alle Zeltbewohner wach. Also wurden die Familien mit den Kindern bald extra untergebracht.
Aber noch etwas gehört zur Wahrheit dazu: Die Bewohner hatten kein Interesse, ihre Notunterkünfte pfleglich zu behandeln. Egal ob auf Lesbos oder bei Braunschweig: umso schlechter der Zustand der Lager, desto höher die Chance, bald besser untergebracht zu werden. Nicht nur Moria und Kara Tepe brennen, aus exakt dem selben Grund kam es auch schon in Deutschland zu Brandstiftungen. Der Autor hier hat schon vor Jahren über die Zustände in einem Durchgangslager sogar der Berliner taz berichtet, die abdruckte:
„Ihr Mann hat sie vor ein paar Wochen „aus der Arbeit geholt“. Die Sache war nicht mehr zuzumuten. Als Reinigungskraft in der Landesaufnahmebehörde hätte sie Dinge gesehen, die man nicht erzählen kann.“ (Sie) erzählt weiter in wachsender Empörung: „Man kann sich das nicht vorstellen! Jedes Wochenende Massenbesäufnisse. Die kotzen überallhin, spucken und rotzen, wo sie gehen und stehen. Die machen sogar ungeniert in die Duschen, wenn die Toiletten besetzt sind.“
Gerade hat uns eine weitere Abmahnung der fragwürdigen NGO „Mare Liberum“ erreicht. Der Vorwurf: Wir hätte die bisherigen Abmahnungen nicht korrekt zitiert. Natürlich dürften wir weiterhin aus Untersuchungsberichten der griechischen Behörden zitieren, nur eben nicht jene Passagen, die sie uns punktgenau untersagt hätten, weil die Ergebnisse „Mare Liberum“ nicht gefallen haben. (Der SPIEGEL zitiert übrigens wortgleich und nennt es „exklusiv“.) Und natürlich dürften wir weiterhin griechische Zeitungen zitieren, nur eben nicht jene Absätze, die „Mare Liberum“ nicht gefallen und daher abgemahnt wurden. (Das Gerichtsurteil dazu steht noch aus.) Es ist eben schwierig, die Wahrheit zwischen den Paragraphen durchzuschmuggeln, die in Deutschland ihre Verbreitung verhindern sollen.
Dass solche Aktionen uns nicht zum Verstummen bringen, dass wir meterweise Aktenordner zu diesen Fällen bearbeiten, nicht einknicken und derzeit in Lesbos recherchieren können, verdanken wir Ihnen, unseren Lesern. Durch Ihre Unterstützung ermöglichen Sie es uns, in den genannten Fällen auch vor Gericht gegen teure Anwälte der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen.
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