Gespräch mit Ulf Küch, Bestsellerautor („Soko Asyl“) und ehemaliger Kriminaldirektor und Chef der Braunschweiger Kripo. Auf der Suche nach einem Intro bitten wir Küch um seine Vita, er schickt eine Sprachnachricht, die uns so gut gefallen hat, dass sie das Intro zu diesem Gesprächsprotokoll ersetzen soll:
„Ich bin 1957 geboren. Ich bin Salzgitteraner. Ich bin ein Kind – wie man heute sagen würde – aus Arbeiterverhältnissen. Und ich habe meinen Weg nach oben gemacht. Ich habe Schulen besucht, Abitur und ein Hochschulstudium gemacht. Und zum Schluss war ich Kriminaldirektor bei der Kripo in Braunschweig. Und ich war mein ganzes Leben gerne Polizeibeamter. Ich bin verheiratet, habe vier Töchter und mir geht es gut und ich hoffe, dass es dem deutschen Volk demnächst auch wieder gut geht.“
Alexander Wallasch: Mussten Sie früher auch diese jährlichen Polizei-Sportprüfungen absolvieren? Wie war das damals bei Ihnen?
Ulf Küch: Als ich das machen musste, in der Zeit waren die Einstellungsvoraussetzungen noch ganz andere. Wenn man da nicht einhundertprozentig fit war, wurde man gar nicht erst eingestellt.
Das ist heute wohl ein Problem, in Berlin ist aber noch ein zweites dazugekommen, da hatte man sich Clan-Angehörige oder den Clans nahestehende Leute mit Migrationshintergrund in die Polizeiausbildung geholt.
Eine Quote ist immer dann schlecht, wenn man versucht, sie um jeden Preis zu erreichen. Das geht nicht.
Als Braunschweiger kannte ich Sie natürlich, aber richtig kennengelernt habe ich Ulf Küch erst über das Fernsehen bei Talkshow-Auftritten im Zusammenhang mit Ihrem – ich nenne es mal so – Aufreger-Bestseller „Soko Asyl“.
Die Aktion, die letztlich zum Buch geführt hat, ist im Sommer 2015 entstanden: Ich war bis zu meiner Pensionierung Kriminaldirektor und Chef der Braunschweiger Kripo. Und da fing es schon 2014 an, dass wir Unregelmäßigkeiten im Bereich der Landesaufnahmestelle feststellten. Auf einmal drängten immer mehr Menschen in die Republik und zu uns. Und die kamen in Kralenriede an (Red.: Braunschweiger Vorort-Stadtteil). Die anwohnende Bevölkerung fing an zu murren, weil viele fremdländisch aussehende Menschen aus der Landesaufnahmestelle durch den Ort Richtung Edeka und Aldi-Markt liefen. Da machten sich leider auch rassistische Stimmungen breit. Sicher waren welche dabei, die sich nicht so benommen haben, wie man das hätte erwarten dürfen – sie sind Gast hier – aber ich bin auch nicht derjenige, der alle mit Bausch und Bogen verurteilt und möglicherweise dazu beiträgt, dass es zu irgendwelchen Progromen kommt.
Lange Rede kurzer Sinn: Dann haben wir uns mal angeschaut: Was sind das eigentlich für Straftaten? Zu unserer Überraschung waren das gar nicht so viele direkt aus dem Umfeld der Aufnahmestelle, sondern eher aus dem Schlepptau, dem Umfeld. Viele kamen aus den Maghreb-Staaten und nicht aus der Gruppe der Kriegsflüchtlinge, mit denen wir es zuerst zu tun hatten. Deswegen haben wir uns der Sache angenommen, ich habe gesagt, wir müssen uns damit auseinandersetzen, wenn hier ganz viele Menschen in die Republik eindringen und auch Kriminalität mitbringen. Das wollte aber zu dem Zeitpunkt noch keiner wissen.
Ich hätte aus meinen 1.500 kritischen Artikeln – alle veröffentlicht bei TE von 2015 bis heute – zitierend an einigen Stellen schon bei Ihnen einhaken können: Nicht konkret Ihre Arbeit betreffend, sondern im Überbau; zur Frage, warum kommen die Menschen überhaupt her, warum darf das sein, sind es wirklich Kriegsflüchtlinge, wo diese Menschen über ein dutzend Grenzen hinweg herkommen, auch aus diversen sicheren Ländern. Und um aus dem genannten Stadtteil zu erzählen, da gab es ja eine Straße, auf der die Karawane sich fast Tag und Nacht bewegte, da beklagten manche Anwohner bis zu vier Einbrüche in einem Jahr, etliche durchgeführt von georgischen Banden, wie man herausfand.
Das ist richtig. Da waren welche dabei, die eigentlich überhaupt nicht in diesen Flüchtlingstrom reingepasst haben. Unterm Strich – wenn man das aus heutiger Sicht betrachtet – waren die meisten der neu ankommenden Menschen Wirtschaftsflüchtlinge. Klassische Kriegsflüchtlinge waren doch die wenigsten. Aber das war zu diesem Zeitpunkt und in dieser Gemengelage vor Ort überhaupt nicht ersichtlich. Als zuständiger Polizeichef hatte ich an erster Stelle darauf zu achten, dass der Frieden innerhalb meines Zuständigkeitsbereiches erhalten bleibt. Das ist die Aufgabe gewesen. Und das war die Motivation. Ich hatte dann beschlossen: Wir gehen jetzt offensiv vor. Ich habe da auch keinen Klemmer gehabt, meine neue Sondereinheit „Soko Asyl“ zu nennen, die Arbeit hing ja mit Asylbewerbern und den Asylverfahren zusammen. Da wurde ich natürlich sofort zurückgepfiffen von der Politischen Correctness und in eine Ecke gestellt, da dachte ich damals schon: ‚Das kann doch wohl nicht wahr sein …‘
Das Interessante ist aber, dass Sie auch eine gewisse Enttäuschung ausgelöst hatten, als sie Ihr Buch über diese Zeit veröffentlichten. Viele dachten doch, da kommt jetzt endlich mal der Insider-Bericht und die Wahrheit des Ausmaßes der Katastrophe auf den Tisch. Einige haben mehr erwartet – auch in den Talkshows, zu denen Sie eingeladen wurden. Das wirkte für manche wie eine Vollbremsung aus der Höchstgeschwindigkeit, als hätte die politische Korrektheit bei Ihnen anklopft.
Ich hatte nie die Intention, irgendetwas zu verheimlichen. Ganz im Gegenteil. Und eine politische Weisung habe ich nur einmal bekommen im Hinblick auf den Namen „Soko Asyl“, da gab es keine Möglichkeit, die Änderung folgte der direkten Anordnung des Polizeipräsidenten.
Dann hieß ihre Sondereinheit Soko Zern …
Ja, ein Witz. Aber deswegen habe ich mein Buch dennoch „Soko Asyl“ genannt.
Was ja viele auch vergessen heute, Ihre Arbeit als Polizeichef ist mitten hineingefallen in eine überschäumende Refugees-Welcome-Stimmung …
Sicher richtig, aber das war nicht unsere Intention. Was mich am meisten überrascht hat an meinem Buch (Red.: Spiegel-Bestseller „Soko Asyl“, Riva Verlag) war, dass die wenigsten berichtenden Journalisten es tatsächlich gelesen hatten.
Sind Sie damit reich geworden?
Ich hatte zur Bedingung gemacht, das nur zu schreiben, wenn alles Geld, das ich damit verdiene, auch dafür verwendet wird, genau die Dinge zu fördern, die ich im Buch anmahne: nämlich die konsequente Förderung von Integrationsprogrammen. Ich habe daran bis heute keinen einzigen Cent verdient, das ist mir wichtig zu sagen.
Wie wurde das Buch geschrieben?
Dazu gab es viele lange Interviews und nochmalige Überarbeitungen von meiner Seite – insbesondere nach der Kölner Silvesternacht. Damit bekam die ganze Geschichte noch einmal einen ganz besonderen drive.
Nochmal: Die Leute haben eine Erwartungshaltung an Ihr Buch gehabt, dass hier endlich ein Polizei-Insider gewissermaßen erzählt, wieviel größer der Wahnsinn tatsächlich ist, als öffentlich wird. Oder hat sich das alles erst nach 2016 so entwickelt, wie es die jährlichen Kriminalitätsstatistiken erzählen, wenn man sie mal lesen würde und nicht nur die irreführenden Pressemitteilungen dazu …
Da wurden bewusst politische Falschmeldungen herausgegeben, ich erinnere mich an einen Zusammenprall von mir und einem AfD-Funktionär, weil Falschmeldungen über ein angeblich sexuell missbrauchtes 12-jähriges Mädchen verbreitet wurden. Die Geschichte stimmte vorne und hinten nicht, die war erfunden worden von einem damaligen Schatzmeister der AfD im Landkreis. Das hat mich wirklich geärgert, denn die Probleme waren ja da, wozu dann noch solche Falschmeldungen herausbringen? Das Problem war, dass es während des Flüchtlingstroms eine Phase gab, wo tausende und abertausende Migranten einfach vollkommen unregistriert ins Land kamen. Das hat überhaupt keiner zur Kennntnis genommen! Das wurde unterschlagen. Da sind wir dann auch wieder bei Aussagen bestimmter politischer Strömungen, die das wie selbstverständlich für sich instrumentalisierten.
Ich hatte mich einmal an die Gesundheitsämter gewandt, um nachzuprüfen, inwieweit die Pflicht-TBC-Untersuchungen in Unterkünften ordnungsgemäß durchgeführt wurden, aber die Daten wurden weitestgehend nicht einmal digital erfasst, sondern nur auf Papier und in einem Fall waren diese Papiere zudem einfach verschwunden! Viele mussten die Untersuchung gar nicht machen, weil sie schnell dezentral untergebracht wurden.
Wir hatten in Braunschweig im Jahr 2015 – also ziemlich am Anfang der Krise – ein System entwickelt, das uns eine schnelle Registrierung ermöglicht hätte. Im Prinzip ging das so: Die sollen uns erzählen, was sie wollen, sie geben uns einen Fingerabdruck und wir machen ein Digitalfoto, fertig. Aber als wir damit anfangen wollten, sind wir sofort wieder zurückgepfiffen worden. Da hieß es dann: Nein, das wäre Sache Bundesamt für Migrantion und Flüchtlinge, das Bamf macht es. 2015 gab es eine Mitteilung des Bamf, an die ich mich gut erinnere: Die Mitarbeiter sind mit ihrem Dienstherren böse ins Gericht gegangen, der Tenor lautete in etwa: Das, was ihr hier macht, entspricht nicht mehr den geltenden Gesetzen. Es waren also Warnungen genug da! Nur die wollte mal wieder keiner hören.
Hat Deutschland mit seiner Fingerabdruckregistrierung auf die europäische Regelung gewartet?
Hier ist es jedenfalls im Vorfeld nicht gemacht worden. Das haben bestimmte Asylbewerber ja schnell erkannt. Wir sind dann in Braunschweig gegen die Landesaufnahmebehörde (LAB) vorgegangen, nachdem eine mutige, sogar mit einem Courage-Preis ausgezeichnete Frau das öffentlich gemacht hatte. Später wurde sie dafür dann als rechtsradikal hingestellt.
Wie lief das in der Aufnahmestelle? Und was ist aus den Verfahren geworden?
Die Staatsanwaltschaft hat sehr lange gebraucht, bis sie das aufgearbeitet hatte. Und jetzt gab es im letzten Jahr einen Strafbefehl. Ein Witz ist das: Es gibt keine Gerichtsverhandlung, man möchte wohl nicht öffentlich diskutieren, was da passiert ist.
Zur Erinnerung für die Leser bitte: Was genau war da passiert?
Die Asylbewerber sind unregistriert angekommen in der Braunschweiger Landsaufnahmestelle. Und einige haben dann relativ schnell kapiert, dass man, wenn man vorne reingeht und sagt, ich heiße so und so, dann bekommt man 150 Euro, dann setze ich mir ein Mützchen auf, gehe hinten noch mal rum und komme wieder mit neuem Namen vorne rein – so haben manche mit bis zu zwanzig verschiedene Identitäten abkassiert.
Also das war gar nicht so, dass die an verschiedenen Orten abkassiert hätten?
Nein, alles in Braunschweig! Später wurde es schwieriger für Asylbewerber mit mehreren Identitäten, als die unter den diversen Namen auch bundesweit verteilt wurden und also das Problem hatten, in verschiedenen Städten gemeldet zu sein. Da sind einige später hart bestraft worden.
Wollte denn niemand wissen, ob die auch in ihren Betten liegen?
Das war das nächste Problem, denn auch das ist nicht gemacht worden. Ich habe von Anfang an gemahnt, aus meiner Erfahrung mit den Folgen des Libanonkriegs und seinen Flüchtlingen – das war die der Geburtststunde der deutschen Clans! Damals haben wir bei der Kriminalpolizei schon gewarnt: Leute, ihr könnt sie nicht einfach so in irgendwelche Stadtteile stecken und sie dann unbeobachtet bzw. besser: unbetreut lassen. Die verselbstständigen sich. Und das haben sie mit Bravour gemacht, da kann man schon fast sagen: Chapeau! Die haben sich ihre eigene kleine Welt geschaffen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers.
Hätte man es diesen Familien mit der Betreuung nur schwieriger gemacht, oder hätte die Chance bestanden sie im deutschen Wertesystem zu integrieren?
Man muss fairerweise sagen, das sind nicht alles Verbrecher. Wenn man die Rahmenbedingungen für diese Menschen entsprechend verbessert hätte, wenn man sich wesentlich besser um die Kinder gekümmert hätte … Aber der Schlüssel sind für mich immer die Frauen. Das ist heute noch so. Und zwar bei den türkischen Migranten und bei den arabischen ebenso. Der Schlüssel ist immer die Frau bei der Integration, der Mann ist relativ uninteressant, der hat nur ’ne große Klappe. Aber die Frauen haben wir alleine gelassen. Wir haben Generationen später festgestellt, dass es Frauen gibt, die zu Hause sitzen und nicht einmal richtig Deutsch sprechen. Viele Frauen sind überhaupt nie in unserer Gesellschaft angekommen. Das ist ein großes Problem!
Wir sind beide aus Westdeutschland und kennen also noch die Zuwanderung aus den 1970er, 1980er Jahren. Meine Großmutter hatte schon in den 1960er Jahren eine griechischen Untermieter namens Konstantin, später war er Arzt in Athen. Also wenn wir ganz ehrlich sind, damals, als mein Vater noch die Unterschrift geben musste für den Führerschein meiner Mutter beispielsweise, die Deutschen waren doch gegenüber Griechen, Italienern, Spaniern und Portugiesen nicht wirklich freundlich und nett oder? Heute würden doch viele diese europäischen Gastarbeiter mit Kusshand nehmen, wenn sie dafür auf die muslimische Klientel der Zuwanderung ab 2015 verzichten könnten. Aber wir beide wissen auch, dass diese Gastarbeiter teils gut integriert waren, aber dass das in den Nachfolgegenerationen kippte, zwei Drittel wählten auf einmal Erdogan, ebenso viele stellen die Scharia über dass Grundgesetz. Was ist da passiert, wo die erste Generation noch so in dieses Deutschland verliebt schien?
Die Erfahrungen habe ich auch gemacht mit den ersten nach Deutschland emigrierten Türken. Mein Vater war in der Salzgitter AG Obermeister im Walzwerk, und da kamen die ersten aus der Türkei an, mit denen haben die überhaupt keine Probleme gehabt. Das war eine andere türkische Sozialisation. Probleme gab es dann mit der zweiten und dritten Generation, als die ihre Familien und Frauen nachholten, aber dann auch in der zweiten Generation oft noch nicht dazu bereit waren, die Frauen am gesellschaftlichen Leben der Deutschen teilnehmen zu lassen.
Einige meiner türkischen Freunde waren zwar mit einer Türkin verheiratet, die hatten aber eine deutsche Freundin zusätzlich, was ist denn da eingerissen?
Ich bezeichne so etwas als eine bigotte Grundhaltung. Auf der einen Seite so tun, als wenn man die Gottesgebote einhält, aber auf der anderen Seite leben – Entschuldigung – wie ein Drecksack. Das beherrscht übrigens mitunter auch der eine oder andere katholische Geistliche. Sowas gibt es überall, es ist hier nur massiver aufgetreten.
Aber um nochmal zurückzukommen auf die 1970er, 1980er Jahre: Wir beobachteten damals, dass da sehr viele junge Männer kamen. Das waren aber keine Libanesen wie viele dachten, sondern türkisch sprechende Kurden, die aus dem Grenzgebiet Türkei/Syrien kamen. Und dann aus irgendwelchen Gründen im Libanon gelandet waren. Und die versuchten dann nach den Angriffen auf Beirut in Massen da rauszukommen. Und so sind einige schließlich hier angekommen.
Wir hatten hier auch viel Ärger mit der kurdischen PKK. Die Auseinandersetzung zwischen den Kurden und den Türken gab es von Anfang an. Es gab da eine Kurdenhochburg in Peine, das waren Menschen, die sich an den Marxismus angelehnt hatten. Die haben uns damals in den 1980er, 1990er Jahren große Probleme bereitet. Es kam sogar zu Selbstverbrennungen. Feuer spielte bei dieser Gruppe der Kurden eine große symbolische Rolle. Das waren aber wiederum nicht die Kurden, die später aus dem Libanon kamen. Das waren welche aus den Grenzgebieten, mehrsprachig Arabisch und Türkisch. Der Türke spricht kein Arabisch, deshalb hat er auch eine andere Beziehung zum Koran als der Araber.
Aber das sind doch gravierende Erfahrungen, woher kam da bloß diese fast zügellose Refugees-Welcome-Begeisterung? Das ist doch ein stückweit weltvergessen.
Die Gastarbeiterfamilien haben sich von der deutschen Gesellschaft zurückgezogen. Und da kann man trefflich darüber sinnieren, was der Auslöser war. War es das Nationalgefühl der Menschen untereinander oder lag es auch ein stückweit an uns, dass wir diese Menschen ablehnten?
Ich fürchte auch, das spielte eine Rolle.
Wir haben uns mit Fremdländischen immer etwas schwerer getan. Ich vermute mal, das war ein Gemengelage. Und wo wir in die Zeit schauen von 2015 bis heute, wenn jetzt Migranten hierher kommen, die möglicherweise hierbleiben wollen, dann macht bitte nicht wieder die Fehler, die wir vorher schon gemacht haben. Aber es scheint leider genau so zu kommen. Die hocken ja wieder in irgendwelchen Vierteln herum und man beobachtet sehenden Auges, dass es in zehn oder spätestens 15 Jahren wieder massive Probleme geben wird.
Was ist Ihre Insider-Erfahrung mit der Schwerkriminalität nach 2015 mit Beteiligung von Zuwanderern? Ist das in Braunschweig überhaupt ein Thema gewesen oder ist das alles nur in Berlin, Hamburg und Frankfurt und Köln und, und, und passiert?
Ich sage mal so, diese ganz krassen Verbrechen, die passiert sind, haben für uns in Braunschweig keine Rolle gespielt. Als ich noch in Verantwortung war, haben wir hier einen einzigen Fall gehabt, in dem eine Frau Opfer wurde, aber auch das waren keine klassischen Kriegsflüchtlinge. Aber es waren Migranten. Wir haben, das muss man glauben, auch wenig zu tun gehabt mit sexuellen Übergriffen. Aber wir haben früh etwas dagegen getan. Es gab massive Aufklärung, beispielsweise wie man sich in Badeanstalten zu benehmen hat usw., das war hier wirklich sehr umfangreich. Sicher, es mag dennoch den einen oder anderen Fall gegeben haben, aber bei der Polizei ist das nie angekommen, dass es da zu schweren sexuellen Übergriffen oder gar zu Tötungen kam. Das ist in anderen Orten anders gewesen, auch klar.
Wie ist Ihre Zukunftsprognose?
Die ist leider düster. Ich verfolge jetzt aus der Distanz – ich bin ja kein Aktiver mehr – die Statistiken. Ich gehe dafür aber noch einmal zurück in die Zeit, als ich ganz jung war und bei der Kripo angefangen habe. Da war es so, dass die Justizvollzugsanstalten kaum mit Ausländern belegt waren. Auch der Frauenanteil war noch sehr gering unter den Strafgefangenen. Jedenfalls waren da deutschstämmige Gefangene, die man heute als absolute Unterschicht bezeichnen würde. Teilweise Analphabeten, kein Schulabschluss. Der Grund der Gesellschaft spiegelte sich im Knast wieder mit Ausnahme von besonders intelligenten Tätern, die aber von der Polizei meistens nicht erwischt wurden. Das hat sich verändert: Unser Schulsystem ist reformiert worden im Laufe der Jahrzehnte, ist immer besser geworden. Heute kommt kaum noch einer aus der Schule, der nicht lesen und schreiben könnte. Das war aber damals erstaunlich häufig nicht der Fall! Das war eine Generation von Menschen am unteren Level der Gesellschaft. Die neigten zu Straftaten: Körperverletzungen, Säufereien, Schlägereien und Einbrüche waren die Klassiker. Diese Unterschicht gibt es heute nicht mehr, zumindest nicht deutschstämmig. Die ist ersetzt worden. Warum? Da gab es eine Vernachlässigung des Kümmerns um Menschen mit Migrationshintergrund. Deswegen sind die Gefängnisse auch genau mit diesen Leuten so voll.
Kann es sein, dass der Wert der Familie in Deutschland auch runtergerockt wurde? Kann es sein, dass es bei uns Deutschen auch zu Verwerfungen gekommen ist? Also sogar bis ins Bildungsbürgertum hinein?
Das wird ein gewichtiger Grund gewesen sein, aber es kommt noch etwas dazu: Einige Lebensläufe habe ich noch vor Augen, die Familien hatten in der Regel mehr als fünf bis zehn Kinder, es gab welche mit zwölf Kindern. Das war ein bunter Haufen, heißt, die waren sozial schwach schon von Haus aus. Diese Familien mit deutscher Geschichte haben wir jetzt nicht mehr. Da gab es einschlägige Siedlungen, da wohnten sie auch, teilweise in Barackensiedlungen, auch Polnischstämmige dabei, es gab das Männerwohnheim, das Homo- und Zigeunerlager, so sagte man damals noch.
Aber wenn es diese deutschen bildungsfernen Vielkind-Familien mit Hang zum Kriminellen nicht mehr gibt, dann ist doch etwas Vorteilhaftes in der Gesellschaft passiert. Oder ist auf dem selben Wege auch etwas Positives für die normalen Familien verloren gegangen?
Wie schon gesagt: Vorteilhaft war die Tatsache, dass diese Familien nicht mehr so viele Kinder bekommen haben. Aber sie sind abgelöst worden, es kamen andere, die sehr viele Kinder hatten. Wenn man sich um diese Kinder wieder nicht ausreichend kümmert wie zuvor bei den deutschen Familien nicht, dann passiert dasselbe. Da muss sich niemand wundern, wenn ein Teil dieser Familienverbände in die Kriminalität absackt. Unsere deutsche Unterschicht besteht heute viel mehr aus Menschen ohne deutschen Hintergrund. Die sind in die Rolle reingerutscht. Wenn Soziologen sagen, das wäre alles Unsinn, dann fahren wir gerne mal gemeinsam in Brennpunkthaftanstalten und schauen uns die Zusammensetzung dort an. Da hat sich in den letzten Jahren massiv etwas verändert.
Ich habe vor einer Weile für die taz (tageszeitung) mit einer Deutschen gesprochen, die in der Landesaufnahmestelle tätig war. Was sie mir da erzählte, war der Horror: von selbst verursachten übelsten hygienischen Mißständen, bis hin zu ärgsten Belästigungen und einer unerträglichen Missachtung der dort tätigen Einheimischen. Die Zustände in den Auffanglagern müssen doch extrem schlimm gewesen sein.
Natürlich, aber das Problem war – und hier schließt sich wieder der Kreis – man hat das alles der Polizei nicht mitgeteilt von Seiten der Landesaufnahmebehörde. Das wurde uns offenbar unterschlagen. Ich habe das erst hinterher aus anderen Bereichen gehört, was da alles gar nicht bei uns angekommen ist.
Sie hattet dort doch laufend Einsätze, die Zufahrtstraße war quasi Tag und Nacht von Blaulicht beleuchtet …
Diese Auseinandersetzung, die es da gab, das waren meistens Massenschlägereien unter den Männern. Ganz am Anfang hatte man die Menschen in Bierzelten untergebracht. Die Kriminalität im eigentlichen Sinne schälte sich erst 2016/17 heraus.
Sie haben vier erwachsene Töchter, sind schon Großvater, sind Sie froh, dass Sie Ihre Töchter nicht heutzutage großziehen und sich sorgen müssen?
Wahrscheinlich denkt man immer, eine andere Zeit wäre die bessere. Wie wäre das vor 100 Jahren beispielsweise gewesen? Wären es Jungen, wären sie womöglich irgendwo in einem Schützengraben in Flandern gelandet …
Schaut man sich heute die deutschen Jungs an, da muss man sich nicht wundern, dass die immer öfter bei den deutschen Mädchen ins Hintertreffen geraten. Diese Jungen sind doch irgendwie aus der Umlaufbahn geworfen.
Natürlich gibt es eine Veränderung in der Gesellschaft. Aber auch auf anderen Ebenen, wenn man sieht, da mogelt sich Landrat XY beim Impfen vor und der Kollege gleich mit, das sind doch diese Typen, die sich auch beim Untergang der Titanic Frauenkleider angezogen hätten, um in die Boote zu kommen. Der gegenseitige Respekt ist verlorengegangen.
Aber da ist doch was kaputtgegangen im Land, was man früher auch mit Solidargemeinschaft umschrieben hätte. Was ist da passisert?
Der Mensch neigt heute zum sogenannten Nullsummenspiel. Weil er der Meinung ist, was ich eingezahlt habe, kann ich auch wieder herausholen.
Meinen Sie diese „Geiz ist geil“-Mentalität?
Genau. Aber das kann nicht funktionieren auf Dauer. Denn eine Gemeinschaft beruht auf Respekt, Achtung, Anerkennung und Gegenseitigkeit. Wer nicht aufgewachsen ist mit dem Solidaritätsgedanken – also Krankenversicherung, Rentenversicherung usw. – und auf einmal in so ein System reinkommt, der fängt an nachdenklich zu werden. Der missversteht dieses System und denkt dann, er muss erstmal ordentlich absahnen. Da sind wir wieder bei der Sozialisation, findet die nicht vernünftig statt, muss man sich über solche Auswüchse nicht wundern.
Vielen Dank für das Gespräch.