Tichys Einblick
interview

Friseure gehen vor Gericht: „Corona-Maßnahmen befeuern die Pandemie!“

Noah Wild von Wild-Beauty unterstützt Friseursalons in allen Bundesländern bei Klagen gegen die Corona-Maßnahmen. Er glaubt, dass die Schließung der Salons kontraproduktiv ist: „Wenn man einen Corona-Fall hat, kann man das nicht mehr nachvollziehen. Wer zu Hause für ein bisschen was auf die Hand Haare macht, der nennt Ihnen nicht die Personen, wo er in den letzten Wochen überall Haare gemacht hat.“

IMAGO / HärtelPRESS

Nervlich erschöpfte Friseurmeisterinnen klagen in den sozialen Medien in teils wütenden und teils verzweifelten Brandreden die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung an. Videos, die viele Zuschauer erreichen. Die Empörung ist nicht auf die Branche begrenzt, der Protest der Friseure erfüllt aber möglicherweise auch eine Stellvertreterposition: Die aufgebrachten Salonbetreiberinnen wissen nicht mehr, wie sie ihre Läden erhalten oder ihre Familien durch die Zeit bringen sollen, eine große Pleitewelle droht, viele Salons werden mutmaßlich nicht mehr eröffnen können, wenn sie es doch irgendwann wieder dürfen.

Ein Unternehmen kennt die Sorgen der Friseure besonders gut: Wild Beauty beliefert exklusiv Salons als gewichtiger Ausstatter dieser Hair & Beauty-Welt. Wir sprechen mit Noah Wild, er ist der Sprecher der Geschäftsführung dieses Wild-Familienunternehmens. Wir sprechen mit ihm, weil Wild Beauty jetzt ernst macht mit seinem Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, gegen das faktische Berufsverbot für über 80.000 Salons mit beinahe einer viertelmillion Angestellten die schon seit dem 16. Dezember nicht mehr tätig sein dürfen. Mit Unterstützung von Wild Beauty wurden Klagen in allen Bundensländern angestrengt. Die Salons haben also eine starke Lobby aus den eigenen Reihen.

Alexander Wallasch (AW): Ihr Aufruf zu Klagen klingt in ihrer Pressemitteilung noch nicht nach Massenbewegung. Warum traut sich noch nicht jeder Friseur, gleich so aktiv zu werden? Wo sind die Sorgen der Friseure, die ihnen noch nicht in Massen folgen?

Noah Wild (NW): Wir haben in jedem Bundesland einen unserer Partner ausgewählt. In sechszehn Bundesländern gehen wir gegen die regionale Corona-Verordnung vor. Und wir machen das mit nur einem Salonpartner auch deshalb, weil es ja gar keine Möglichkeit gäbe, Sammelklagen einzureichen. Jedes Verfahren ist mit Kosten verbunden. Deswegen ist das der für uns beste Weg, anders wäre es nicht sinnvoll, wenn etwa einhundert Leute in einem Bundesland den gleichen Schriftsatz einreichen. Erst einmal mag das Gericht das nicht, unnötige Arbeit, aber auch unnötige Kosten für uns. Der jeweilige Salon in jedem Bundesland ficht das jetzt mit uns zusammen durch in einem Eilverfahren gegen die Corona-Verordnung. Wenn da was Positives herauskommt, nutzt das allen Friseuren. Selbst etwas Negatives nutzt, denn dann weiß jeder, woran er ist.

AW: Was ist bisher geschehen?

NW: Die Branche hat schon verschiedene Aktionen gestartet wie Lichter anlassen im Salon, offene Briefe schreiben, Petitionen und es wurden Protestaktionen vor den Parlamenten organisiert. Allerding hat meines Wissens noch keiner die Mittel des Rechtsstaates genutzt. Das hat bisher gefehlt. Uns war es wichtig zu sagen: Aufmerksamkeit ist da, allerdings noch nicht an den richtigen Stellen, nämlich in den Bundesländern, den Ministerien, bei den Beamten dort und bei der Politik. Das schaffen wir am besten, wenn wir vor Gericht ziehen.

AW: Warum macht das nicht die Friseur-Innung, also eine starke Organisation der Friseure? Warum müssen sie da ran als Privatunternehmen? Wäre das nicht zuerst einmal deren Aufgabe, hier aktiv zu werden?

NW: So wie ich das begreife, kann immer nur der direkt Betroffene klagen. Ich selber könnte übrigens nicht klagen, denn unser Unternehmen ist nicht geschlossen. Die Friseur-Innung bzw. die Handwerkskammer als Körperschaft öffentlichen Rechts oder auch der Zentralverband des Handwerks, die sind auch alle nicht geschlossen. Deswegen können die selber gar nicht klagen. Es braucht also immer den Friseursalon, der geschlossen wurde. Dem kleinen Friseurunternehmer ist viel versprochen worden an Hilfen, die nicht ankommen. Wie soll der jetzt noch mit dem Rücken zur Wand Schriftsätze formulieren, Gutachter beauftragen und die Kosten übernehmen? Das gilt für viele dieser kleinen Unternehmer und Existenzen.

AW: Aber warum haben sich die von ihnen genannten Organisationen nicht so eingebracht, wie Sie es tun?

NW: Als Beispiel kann ich ihnen sagen, in Rheinland-Pfalz ist der Landesinnungsmeister dort vom Landesinnungsverband der Friseure, der ist betroffener Salonbetreiber in Rheinland-Pfalz. Und er klagt im Rahmen unserer Aktion. Nicht der Innungsverband klagt, es ist in dem Fall dann der Salon des Innungsmeisters. Es gibt viel Unterstützung. Klar, einige sind auch irritiert, aber jeder muss sich selber ein Bild machen. Für uns war es einfach an der Zeit, die Entscheidungen per Gericht überprüfen zu lassen.

AW: Sie sind natürlich nicht nur Beobachter, sondern auch Betroffener.

NW: Natürlich. Und wir haben auch im Lockdown, als der Mitte Dezember beschlossen wurde – bzw. in Baden-Württemberg bei einigen unserer Partner schon Anfang Dezember – da haben wir gefragt, was können wir machen? So haben wir beispielsweise für die Auszubildenden in den Salons digitale Weiterbildung organisiert. Wir haben Online-Seminare organisiert, wo der Salon Terminbuchungssysteme vorgestellt bekam für die Zeit danach, damit die Kunden Termine machen können. Und wir informieren auch über die Überbrückungshilfe 3 und vieles mehr. Jetzt war es allerdings mal an der Zeit zu sagen: Jetzt müssen wir das rechtlich überprüfen lassen.

AW: Ich würde gerne mal die Chance nutzen, ein paar generelle Friseurfragen zu klären. Ich habe drei Fragen überlegt, die ich Ihnen gleich mal im Block aufsagen möchte: Es gab wohl keine Familie in den 1960er und 1970er Jahren, die nicht auch eine Friseuse hatte, die am Wochenende oder nach Feierabend schwarz ins Haus kam. Wie sieht es damit aus?
Und weiter: Mittlerweile ist schon von heimlichen Barbiertreffs die Rede. Was hat es damit auf sich? Und die dritte Frage zur Situation der Friseure: Ich beobachte in den Städten seit Jahren eine explosive Zunahme von Herrenfriseuren mit arabisch und türkischem Hintergrund, die schießen aus dem Boden so inflationär wie die Dönerläden, das muss doch für ihre Branche eine Gefahr bedeuten?

NW: Schwarzarbeit ist bestimmt immer schon etwas gewesen, was es gab. Aber in vielen handwerklichen Bereichen. Klar ist aber auch, dass der Staat durch die Corona-Maßnahmen die er jetzt durchführt, diese Schwarzarbeit unfassbar befeuert. Man muss sich mal überlegen: Wir hatten geregelte hygienische Umstände …

AW: … gibt es dazu Zahlen?

NW: Wir haben pro Tag 700.000 Endverbraucher in Deutschland in den Salons. Und es gibt seit Beginn der Corona-Krise durch die Berufsgenossenschaft – da ist jeder Friseur Pflichtmitglied und müsste seine Krankheitsfälle melden – gibt es sieben Corona-Infektionen seit Anbeginn der Corona-Krise.

AW: Die Infektionen sind meldepflichtig?

Noah Wild

NW: Ja, die Corona-Infektionen die es im Salon gibt, sind gegenüber der Berufsgenossenschaft meldepflichtig. Also die besagten sieben Fälle sind kein Infektionsgeschehen. Der Friseur ist kein Infektionsherd. Das muss man ganz klar so sagen. Man hat hier einfach eine sichere hygienische Art des Arbeitens in den Schattenmarkt verdrängt. Das ist ein Fall von Prohibition, etwas Funktionierendes wird verboten und dadurch befeuert man die Pandemie. Die Corona-Maßnahmen befeuern die Pandemie. Zu Hause am Spülbecken wird natürlich nicht Maske getragen und Abstand gehalten, keine Kontaktdaten aufgenommen. Und wenn man dann mal einen Corona-Fall hat, kann man das auch nicht mehr nachvollziehen. Wer zu Hause für ein bisschen was auf die Hand Haare macht, der nennt Ihnen dann doch nicht die Personen, wo er in den letzten Woche überall Haare gemacht hat. Das ist ja Blödsinn. Das funktioniert nicht. So hat man einfach eine funktionierende Situation unsicher gemacht.

AW: Na ja, die „Heimarbeit“ war allerdings schon vor Corona ein Klassiker.

NW: 700.000 Leute die täglich in den Salon gehen … Was glauben sie denn, wo die aktuell alle hingehen? Schauen sie sich einmal um, wenn Sie mal einkaufen gehen im Supermarkt, ich mache das öfter. Wie viele Leute haben perfekt geschnittene und gefärbte Haare? Bestimmt über fünfzig Prozent. Übrigens inklusiv aller Leute, die durch Talkshows laufen, im Fernsehen sitzen oder in der Bundesliga spielen, alle sehen perfekt aus. Aber wer macht denen die Haare? Was passiert? Nachbarn werden eingespannt, Freunde und Bekannte werden eingespannt, ein munteres Infektionsgeschehen, das es vorher so nicht gab!

AW: Viele Araber und Türken betreiben Herrenfriseure inflationär wie Dönerläden. Ich frage nicht despektierlich diesen Gruppen gegenüber, es ist einfach ein Fakt in den Großstädten.

NW: Das ist nicht unsere Kernklientel. Wir haben 80.000 Friseure in Deutschland…

AW: … die gerade verdrängt werden, noch nicht aufgefallen?

NW: Wenn sie mal eine klassischen Barbershop ansehen: Ein klassischer Barbier darf überhaupt keine Haare schneiden. Ohne Meisterbrief darf er keine Haare schneiden, nur Bärte. Dass er trotzdem oft Haare macht, ist ein anderes Thema. Und bei den 80.000 Friseuren sind die, die Sie im Blick haben wahrscheinlich gar nicht mitgezählt.

AW: Nun gut, meine Jungs gehen dahin, weil er die Haare besser und moderner schneidet als die klassische Friseurin um die Ecke – und noch zum halben Preis!

NW: Das kann ich schon verstehen, aber nochmal: Eigentlich dürften diese Barbiere keine Haare schneiden ohne die entsprechende Ausbildung und Anerkennung.

AW: Aber sie machen es doch trotzdem …

NW: Gut, das ist dann aber auch ein Thema im Rechtsstaat, wenn man das als Salon sieht, da kann man dagegen vorgehen mit Ordnungsamt und Co und dafür sorgen, dass das in geregelten Bahnen läuft.

AW: Nun sind die Friseure oft so schlecht bezahlt, dass sicher auch der Barbier ums Eck schnell noch Alibi-mäßig eine Friseurmeisterin einstellen könnte …

NW: Da mag sein, ich selber sehe da aber nicht das Kernproblem der Branche. Das Kernproblem ist aktuell, das die Branche in die Schattenwirtschaft gedrängt wird. Vorhersagen von Experten wollen heute schon wissen, dass es ein Drittel der Branche nicht überleben wird, was wir hier gemeinsam als volkswirtschaftliches Experiment betreiben.

AW: Fachleute sagen aber auch, das die Pandemie von daher auch heilsam wäre, weil sowieso langsam sterbende Branchen so schneller abgewickelt werden.

NW: Bei aller Liebe … auch der Unternehmer zahlt Steuern, der hält sich an Vorschriften, der hat Hygiene eingehalten, der hatte keine Fälle im Salon und jetzt wird der einfach so mir nicht dir nichts geschlossen – das einzige was man hier macht ist, ein hygienisch funktionierendes System in die Schattenwirtschaft zu drängen! Da wird zugemacht und man hat es bis heute nicht einmal hinbekommen, dass der Salon die versprochenen Hilfen überhaupt mal beantragen kann! Es gibt ein Programm „Überbrückungshilfe“, ich denke, „Überbrückung“ und „-hilfe“ heißt, dass man damit etwas überbrücken will, aber das Ganze wird voraussichtlich nicht fertig sein, bevor die Salons hoffentlich wieder aufmachen. Nicht einmal die Website der Bundesregierung zur Überbrückungshilfe 3 zum Antrag ist Online. Aktuell ist die These, dass die irgendwann Ende Februar online geht.

Wichtig übrigens für viele Friseure als Kleinunternehmen: In der Überbrückungshilfe-3 bekomme ich keinen Ausgleich für meinen Unternehmerlohn. Das einzige, was ich da als Tipp vom Staat bekomme: Gehe in die Grundsicherung, also ein Hartz-IV-Antrag. Das ist einfach unfair. Und auch nicht vergessen: Es gibt bei Friseuren eben kein Click&Go-Geschäft wie bei McDonalds um die Ecke.

AW: Aber wenn man nicht weiß, wo das Infektionsgeschehen herkommt, dann muss man doch die Brechstange nehmen und muss einmal quer rüberschlagen um Corona in den Griff zu bekommen oder nicht? Wenn alle so rumjammern wie sie und die Gerichte lahmlegen, wo soll das hinführen? Nehmen sie nur mal die Massenzuwanderung, wo fast jedes verlorene Verfahren von einer Heerscharen von Anwälten durch alle Instanzen geprügelt werden. Stelle sie sich einmal vor, sie müssten dieses Land regieren und jede Branche, die meint einen Nachteil zu haben, würde klagen. Kann man das nicht jetzt einfach mal hinnehmen?

NW: Wenn Sie hinnehmen, dass Ihre Existenz, die Sie sich jahrzehntelang mühevoll aufgebaut haben, einfach so weggradiert wird, dann bitteschön.

AW: Aber Sie nehmen doch hin, dass möglicherwiese in den Altenheimen mehr Menschen sterben, jede Branche sagt doch für sich, sie hätte das bessere Hygiene-Konzept, dennoch steigen die Zahlen – da muss doch alles pauschal dicht gemacht werden, wo es um Menschenleben geht.

NW: Wenn Sie sich die Zahlen des Robert-Koch-Institutes anschauen, werden Sie sehen, dass die meisten Zahlen aus den privaten Bereichen kommen. Deshalb verstehe ich nicht, wie man ein bestehendes sichere Hygiene-Konzept von einem sicheren Bereich in den privaten Bereich überführt. Im Salon wurde übrigens bei der kompletten Behandlung der Mund-Nasenschutz aufgelassen. Wenn das nicht reichen sollte, muss doch der Schutz erhöht werden, einfach verbieten geht doch nicht.

AW: Na ja, wenn jeder innerhalb der Familie zu Hause bleiben muss, dann habe ich doch das bessere Konzept.

NW: Aber Sie können doch nicht ernsthaft meinen, dass die Schwarzarbeit dadurch geregelt wird, dass sie nur innerhalb einer Familie passiert. Das ist doch Blödsinn. Da fährt doch jemand herum und macht Haar schwarz in diversen Haushalten.

AW: Aber das ist verboten. Dann muss das polizeilich stärker bekämpft werden, oder?

NW: Wie wollen Sie das machen? Sie können doch nicht in jeden Haushalt einen Polizisten stellen. Die Salons müssen wieder aufgemacht werden, das ist der beste Schutz. Wird das nicht gemacht, müssen die Hilfen endlich anlaufen. Und nochmal: Es gibt eine Pflichtmitgliedschaft der Friseure in der Berufsgenossenschaft, es gibt ein Hygiene-Konzept und die Genossenschaft hat dieses Konzept vor Ort stichprobenhaft überprüft. Ein Bericht aus Dezember 2020 sagt, dass das auch in 90 Prozent der Fälle eingehalten wurde. Der Friseur darf nicht mit der Gastromnomie vergleichen werden, durch die Maske kann man nicht essen und trinken, sehr wohl aber zum Friseur und Haare färben und schneiden lassen.

AW: Was wissen Sie über das Corona-Virus und Haare?

NW: Ich weiß nur so viel, dass wir die Pflicht hatten nach dem ersten Lockdown vor jeder Frisueranwendung im Salon die Haare zu waschen und zu reinigen um sie entsprechend virenfrei zu desinfizieren. Das haben wir vor jeder einzelnen Dienstleistung durchgeführt.

AW: Maske hin oder her, nun arbeitet der Gastronom selten am Körper. Ich würde es mir sogar verbieten, dass der mich etwa füttert oder sonst was.

NW: Das Haar wird doch vor jeder Anwendung gereinigt und gewaschen!

AW: Und dann ist das virenfrei?

NW: Natürlich. Dazu gibt es doch Studien und Stellungnahmen noch und nöcher. Und bitte nicht vergessen: Der Friseur arbeitet hinter dem Kunden! Der Friseur ist schon immer ein Hygieneberuf gewesen.

AW: Schauen wir in die Zukunft: Jetzt haben diese Maßnahmen irgendwann zwei Drittel der Salons überlebt, da kommt doch dann schon das nächste Problem, die Wirtschaft ist allgemein stark beschädigt, die Leute haben keine Geld mehr, schon gar nicht für den Luxus einer Frisur, die Leute haben doch dann gar keine Geld mehr in der Tasche.

NW: So eine Frisur ist doch auch Teil der Persönlichkeit, Teil der Selbstdarstellung, eine Möglichkeit, sich einen kleinen Luxus zu gönnen in einem Umfeld, dass nicht einfacher wird. Auch das Kleine kann einen erfreuen. Wenn die Frisur nicht wichtig wäre, dann soll doch bitte die Kanzlerin und der Fußballspieler sich die Haare einfach rauswachsen lassen.

AW: Vielen Dank für das Gespräch.

Anzeige
Die mobile Version verlassen