In der deutschen Wirtschaft wächst der Unmut über die Corona-Politik. Einerseits rechnen laut der aktuellen Konjunkturumfrage des ifo-Instituts die deutschen Unternehmen noch mit monatelangen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und ihrer eigenen Geschäfte: Im Schnitt erwarten sie noch 7,4 Monate lang Einschränkungen des öffentlichen Lebens, mit einer Normalisierung ihrer eigenen Geschäfte rechnen sie erst in 10,3 Monaten. „Beide Zahlen liegen nur wenig niedriger als im Dezember. Die anlaufenden Impfungen haben sich noch nicht entscheidend ausgewirkt“, sagt der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.
Andererseits wird vor allem im besonders vom Lockdown betroffenen Handel die Forderung laut, ähnlich wie in Österreich die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus angesichts sinkender Inzidenz und Todesfälle zu lockern. Der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, hat laut Medienberichten in einem Brief Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier um Klarheit gebeten, „unter welchen Voraussetzungen basierend auf realistischen und fundierten Indikatoren der Einzelhandel wieder öffnen kann“. Er reagierte damit auf Altmaiers Aussagen vom Wochenende, der Lockdown müsse womöglich auch bei einem Inzidenzwert unter 50 weiterbestehen. Sanktjohanser klagt auch über die „eklatanten Wettbewerbsverzerrungen“ zugunsten des Online-Handels.
Besonders kritisch ist das Friseurhandwerk, die neben der Gastronomie wohl am stärksten vom Lockdown betroffene Branche. Der Hauptgeschäftsführer des Friseurhandwerks Jörg Müller schlägt eine Öffnung der Salons nach österreichischem Vorbild vor, nämlich für alle Kunden, die sich zuvor einem Corona-Test unterzogen haben und ein negatives Ergebnis vorweisen können. Auch in Frankreich sind trotz höherer Inzidenz Friseursalons wieder geöffnet. 12 Friseure haben in insgesamt zehn Bundesländern Eilanträge bei den zuständigen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten eingereicht, um gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die erneute Schließung der Friseursalons rechtlich einwandfrei ist.
Nicht nur im Friseurhandwerk stehen in diesem Jahr zahlreiche Betriebe in Existenznot. Nachdem im vergangenen Jahr die Zahl der Insolvenzen außergewöhnlich niedrig war, vermutlich nicht zuletzt auch aufgrund der coronabedingten Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht, erwarten viele Beobachter, dass die dadurch aufgestaute Insolvenzwelle nun im neuen Jahr bricht. Laut einer aktuellen Umfrage des Center for Financial Studies an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main rechnen mehr als 92 Prozent der befragten Fach- und Führungskräften in der deutschen Finanzindustrie mit einem deutlichen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahr.