Tichys Einblick
Kommt die Dokumentationsstelle?

Die CDU entdeckt das Islamismus-Problem

Endlich kommt aus der CDU der Versuch, konkret gegen Islamismus zu handeln. Unionspolitiker fordern Maßnahmen wie ein Moscheeregister, Lehrstühle, eine Dokumentationsstelle und ein Expertenkreis. Doch die Schwierigkeiten, das durchzusetzen, sind schon zu erkennen.

IMAGO / Reporters

Erst wurde im Sommer letzten Jahres eine Beraterin im Auswärtigen Amt eingestellt, die mutmaßlich eine Islamistin ist. Dann folgte im Herbst eine Kette von islamistischen Anschlägen, losgetreten mit der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty in Frankreich, der seinen Schülern eine Mohammed-Karikatur zeigte. Nun möchten einige Unionspolitiker handeln, um zu verhindern, dass Islamisten in Deutschland Raum gewinnen – gleich ob diese ihre Ziele legalistisch, auf politischen Wege oder radikal, mit Gewalt durchsetzen wollen. Doch wird die Fraktion der Unionspolitiker diese Forderungen annehmen?

Die Ausbreitung von Islamismus soll mit einem neuen Maßnahmenkatalog verhindert werden, dies geht aus einem Positionspapier hervor, das TE als Auszug vorliegt. Es trägt den Titel „Die freiheitliche Gesellschaft bewahren, den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern, den Politischen Islamismus bekämpfen“ und stammt ursprünglich aus der Feder des Bundestagsabgeordneten Christoph de Vries (CDU). Dessen Entwurf sei dann im Zuge der Beratungen durch die Mitglieder der „Arbeitsgruppe Inneres“ bereichert worden, teilte de Vries gegenüber TE mit. Es sei von der Arbeitsgruppe einstimmig beschlossen worden. Auch waren die CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer und im Hintergrund Sylvia Pantel wichtige Unterstützer. In den kommenden Wochen soll das Papier in der Fraktion zur Debatte gestellt werden.

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Es verwundert nicht, dass der Politiker Christoph de Vries die treibende Kraft hinter der Initiative ist, denn seit Jahren – schon vor seinem Einzug in den Bundestag 2017 – ist er auf diesem Feld aktiv. Beispielsweise setzte er sich für den Stopp staatlicher Fördermittel an DITIB und ein Betätigungsverbot gegen Hisbollah-Vereine ein. Die „Türkisch Islamische Anstalt für Religion“ (DITIB) ist die Auslandsabteilung der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die unmittelbar dem türkischen Präsidenten untersteht. Die Hisbollah ist eine islamistische, antisemitische Partei im Libanon, deren militärischer Arm als Terrororganisation gilt. Ihr politischer Arm aus Vereinen und Moscheen war bis April 2020 noch nicht in Deutschland verboten. Auch war es Christoph de Vries, der sich vor kurzem für die Prüfung des Verbots der Grauen Wölfe einsetzte. Wie die ARD aus Sicherheitskreisen erfuhr, ist jedoch ein Verbot wegen der rechtlichen Hürden nicht zu erwarten.

Auf die Frage, welche Anlässe entscheidend für die Idee eines neuen Maßnahmenkatalogs gegen Islamismus seien, teilte de Vries TE mit:
„Die Forderungen gehen zurück auf langjährige, intensive Diskussionen mit führenden Wissenschaftlern im Bereich Islamismus und Integration. Nach den grausamen islamistischen Terrorattacken, von Paris, Nizza und Wien und den verstörenden Reaktionen in vielen deutschen Großstädten war es ein geeigneter Zeitpunkt, um diesen Forderungen politisch und gesellschaftlich Gehör zu verschaffen.“

Moscheeregister und Finanzquellen

Laut dem Papier soll geprüft werden „ob und wie ein Moscheeregister in Deutschland verfassungskonform eingeführt werden kann“. Dies wäre eine wichtige Maßnahme, denn der Islam als Religion ist nicht kirchlich organisiert. Bereits ein umschlossener Raum kann einfach zur „Moschee“ ernannt werden. Darum kann nur geschätzt werden, wieviele Moscheen es in Deutschland gibt. Von den möglicherweise 2500 Moscheen sind die meisten äußerlich nicht unmittelbar erkennbar. Jede Moscheegemeinde solle „Transparenz im Hinblick auf ihre Mitgliedstruktur und Finanzierung“ herstellen, heißt es in dem Papier. 

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Unabhängig davon soll eine „Nachweispflicht für Körperschaften“ eingeführt werden, die sich in „erheblichem Umfang aus ausländischen Quellen außerhalb des EU/EWR-Raums“ finanzieren. „Diese müssen künftig jede unmittelbare und mittelbare Finanzquelle gegenüber dem Finanzamt offenlegen und nachweisen.“ Wenn diese Forderung tatsächlich umgesetzt würde, stünden Vereine unter Druck, welche den politischen Islam vertreten und Propaganda für ausländische Regierungen verbreiten – dies würde besonders das türkische Erdogan- und das iranische Mullah-Regime treffen. Als „besorgniseregend“ werden die Entwicklungen beim Islamische Zentrum Hamburg (IZH) genannt, das unter Einfluss des Mullah-Regimes steht und als Propagandazentrale des schiitischen Extremismus fungiert. In dem Positionspapier wird klar gefordert: „Der oft mit dem Verweis auf die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit getarnte Missbrauch muslimischer Akteure und Strukturen in Deutschland durch ausländische Regierungen und islamistische Akteure muss ein Ende haben.“

Allerdings stellt sich hier die Frage, ob die Gelder dafür aus direkten ausländischen Quellen stammen müssen. Beispielsweise hat der türkische Präsident Recep Tayipp Erdogan längst ein riesiges Netzwerk aus Banken und Firmen aufgebaut zur Finanzierung von Terrororganisationen wie der Hamas, die Israel auslöschen will, und dem Islamischen Staat (IS). Es besteht der Verdacht, dass die Bankfilialen in Deutschland, insbesondere in Frankfurt/Main, Kredite – indirekt vom türkischen Staat – an polit-islamische Vereine vergeben.

„Grundlagenforschung zum Politischen Islamismus“

Um den Politischen Islamismus in allen Facetten zu durchleuchten und nachhaltig zu bekämpfen, müsse die Grundlagenforschung zum Politischen Islamismus unterstützt werden, heißt es. Dazu sei eine deutschlandweite Einrichtung von Lehrstühlen erforderlich, die sich wissenschaftlich mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Dies soll durch den Bund gefördert werden. Konkret sollen Lehrstühle zur Forschung über den „Politischen Islamismus“ geschaffen werden, die sich „spezifisch und interdisziplinär mit seinen ideologischen Ausprägungen, Strukturen, Vernetzungen und Finanzierungen beschäftigen.“ Dies würde die Forschung junger Generationen vorantreiben.

Bislang gibt es zwar das „Forschungszentrum Globaler Islam“ (FFGI), das als Think Thank diese Dynamiken analysiert. Dessen Direktorin ist die renommierte Islam-Expertin Susanne Schröter, die auch Professorin am Frankfurter Universitätsinstitut für Ethnologie ist. Studenten, die den Politischen Islam studieren möchten, müssen aber Umwege gehen von der Ethnologie über die Islamwissenschaft – ohne zu wissen, wann man in einem Semester endlich inhaltlich auf politisch Islamische Phänomene trifft.

Schulstudie wegen Islamismus an Schulen

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Auch soll eine Schulstudie über die Erfahrungen und Probleme von Lehrkräften mit islamistischen Einflüssen durchgeführt werden. Es soll dabei erforscht werden, inwiefern der „Politische Islamismus“ Einfluss auf Kinder, Jugendliche und Heranwachsende nimmt. Der Mord an dem französischen Lehrer Paty durch einen Schüler verdeutlicht diese Notwendigkeit. In Deutschland ist die Lage zwar noch nicht ganz so dramatisch wie in Frankreich, wo sich über 150 Kommunen in islamistischer Gewalt befinden. Allerdings existiert auch in Deutschland eine gefährliche Tendenz zu solchen Verhältnissen. Nach dem Anschlag auf Samuel Paty meldeten sich viele Lehrer zu Wort, die über Bedrohungen und Einschüchterungsversuche erzählten. Auch hier herrscht die Angst, im Klassenzimmer eine Mohammed-Karikatur zu zeigen. Als für Samuel Paty eine Schweigeminute in Schulen stattfand, weigerten sich sich einige muslimische Schüler und boykottierten das Gedenken. Dann drohte ein Junge aus Berlin sogar seiner Lehrerin mit der Enthauptung, weil diese Sanktionen ankündigte, wenn seine Eltern nicht zum Gespräch erscheinen. Daraufhin meldeten sich plötzlich immer mehr Lehrer, die ähnliche Morddrohungen erhalten haben. Der brutale Anschlag auf Samuel Paty deckte auch die bittere Realität auf: Das Problem des Politischen Islam wurde in Deutschland zu lange tabuisiert
Dokumentationsstelle oder Expertenkreis? 

In dem Papier wird auch die „Einrichtung einer Dokumentationsstelle ‚Politischer Islamismus in Deutschland und Europa‘“ vorgeschlagen. Die im Jahr 2020 gegründete Österreichische „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ wird in diesem Fall das Vorbild dafür gewesen sein, die durch ihre wissenschaftliche Arbeit Vereine, Strukturen, Netzwerke und Hintermänner sowie Einflüsse aus dem Ausland durchleuchtet und analysiert. Auch im Papier der Unionspolitiker ist dasselbe Ziel genannt, den politischen Islam und religiös-politischen Extremismus wissenschaftlich zu erforschen, um diese Strukturen zu durchleuchten. Des Weiteren heißt es, eine Zusammenarbeit mit Österlich sei ausdrücklich gewünscht. 

Zusätzlich soll sogar ein Expertenkreis im Innenministerium eingerichtet werden, namens „Politischer Islamismus in Deutschland“. Das könnte allerdings die Forderung nach einer Dokumentationsstelle gefährden, weil die Fraktion sich wahrscheinlich für eine der Optionen wird entscheiden müssen. Es lässt auch die Vermutung aufkommen, dass die Verfasser des Positionspapiers bereits Zweifel haben, ob sich eine Dokumentationsstelle durchsetzen lassen wird. Denn es ist zu befürchten, dass unter deutschen Abgeordneten die Angst umgeht, als muslimfeindlich bezeichnet zu werden, wenn man harte Maßnahmen gegen den politischen Islam unterstützt. Hier wirkt, dass islamistische Akteure längst die Diskurse in Deutschland manipulieren: Liberale Wissenschaftler und Publizisten, die den politischen Islam kritisieren, werden als „islamophob“ und damit als krankhaft gebrandmarkt. Solche Kampfbegriffe wirken bis in die Spitzenpolitik.

Das eigentliche Problem eines möglichen Expertenkreises im Innenministerium in Deutschland ist aber, dass nicht der Politiker Christoph de Vries die Experten aussucht, sondern der Innenminister Horst Seehofer (CSU). Der aber hat bereits den „Unabhängigen Expertenkreis gegen Muslimfeindlichkeit“ als Reaktion auf den Anschlag in Hanau gründen lassen – er erfüllte damit eine Forderung des mutmaßlich islamistischen Netzwerkes CLAIM aus, die er erfüllte. In diesen Expertenkreis berief Seehofer dann eine mutmaßliche Islamistin von CLAIM. Das ist ein Netzwerk, das gezielt versucht Diskurse umzuprägen. 

„Politischer Islamismus“ oder „Politischer Islam“ ?

Auffällig ist: In dem gesamten Papier wird nur der Begriff „Politischer Islamismus“ verwendet, nicht mehr der Begriff „Politischer Islam“. Ist das der Trick, mit dem die Forderungen einfacher verkauft werden sollen – weil sich „Islamismus“ begrifflich von  „Islam“ weiter entfernt? Auch hier tritt dasselbe Problem ein: Islamistische Akteure hetzen in Deutschland gegen den Begriff „Politischer Islam“, der von liberalen Wissenschaftlern und von renommierten Experten präferiert wird. Das Ziel dahinter: Wissenschaft durch eine Diskursmanipulation zu blockieren. Man versucht, die Verwendung des Begriffs „Politischer Islam“ als muslimfeindlich darzustellen. Viele Politiker sind davon eingeschüchtert und sprechen deshalb meist von „Islamismus“ – auch weil jene nicht erkennen, dass es sich bei den Kritikern meist um Akteure des politischen Islam handelt, nicht um einfache Muslime. 

Der Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries erklärte gegenüber TE: „Bei der Begriffswahl „Politischer Islamismus“ geht es vor allem darum, in der Bezeichnung der unterschiedlichen Extremismen – Linksextremismus, Rechtsextremismus, Islamismus – konsistent zu bleiben und zugleich die politische Instrumentalisierung zum Ausdruck zu bringen.“ Entscheidend seien nicht die Begriffe, sondern Inhalte, Forschung und Bewusstseinsbildung. 


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