Die Hayek-Gesellschaft steht seit langem unter Beschuss. Es geht um Mitglieder, die zugleich in der AfD sind. Alice Weidel und Beatrix von Storch waren schon in der Hayek-Gesellschaft, bevor sie ihre AfD-Karriere begannen – und blieben. Mehrmals schon versuchten andere Mitglieder, AfDler auszuschließen. Stattdessen traten 2015 die damalige Vorstandsvorsitzende Karen Horn und etliche Mitglieder, unter ihnen FDP-Chef Christian Lindner, aus Protest gegen den angeblichen „Rechtsruck“ der Hayek-Gesellschaft aus.
Jetzt folgten neue Austritte. Unter anderem zwei Vorstandsmitglieder sowie der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler haben sich laut Spiegel aus der Hayek-Gesellschaft zurückgezogen. Wieder geht es um eine mangelnde Abgrenzung der Gesellschaft zur AfD.
Die Hayek-Stiftung „erklärt“ die Mitgliedschaft und Mitarbeit in der AfD für unvereinbar mit „dem Anliegen, dem Werk und der Person Friedrich August von Hayek“. Außerdem: „Die Verpflichtung, den Punkt a. umzusetzen [der besagte Finanzierungsstopp], soll von den Vorstandsmitgliedern durch einstimmigen Beschluss zum Ausdruck gebracht werden“. Der Vorstand als unabhängiges Gremium wird zum „einstimmigen Beschluss“ aufgefordert.
Ein erstaunlicher Vorgang, denn die Hayek-Gesellschaft ist eine demokratisch verfasste Organisation mit regulärem Vorstand und beschlussfähiger Mitgliederversammlung. Diese Gremien sollten nun also offenbar über den Geld-Hebel veranlasst werden, sich den Vorgaben der Stiftung zu unterwerfen.
Der Vorsitzende der Hayek-Gesellschaft, Stefan Kooths, teilte in einem Schreiben, das TE vorliegt, an seine Mitglieder mit:
„Auch der aktuelle Versuch, nahezu über Nacht eine umfassende Stellungnahme zu einer möglichen Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz erzwingen zu wollen, fügt sich in die Versuche des Stiftungsrats ein, die Souveränität der Hayek-Gesellschaft zu untergraben.”
Außerdem merkte Kooths an, dass eine Verfassungsfeindlichkeit der AfD nicht gerichtlich festgestellt wurde, und bis dahin die Unschuldsvermutung gelte.
Fragwürdig erscheint auch, dieses Vorgehen mit den Ideen Friedrich August von Hayeks zu rechtfertigen. Im Zentrum der Freiheit stand für den liberalen Denker, dass der Mensch nur für seine eigenen Handlungen zur Verantwortung gezogen werden kann, aber nicht für die anderer, die ebenso frei sind. Der Stiftungsbeschluss aber zieht Einzelne nicht aufgrund ihrer eigenen Taten oder Äußerungen zur Verantwortung, sondern wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Kollektiv. Ein derartiges Pauschalurteil über eine Menschengruppe zu fällen – ohne Rücksicht auf persönliche Motive und vor allem auch auf persönliche Irrtümer – dürfte eher das sein, was Hayek in seiner Nobelpreisrede 1974 „Anmaßung von Wissen“ nannte.
Der Beschluss des Stiftungsrates wird dadurch begründet, dass nun eine formelle Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz bevorstehe. Die Vorgänge im Stiftungsrat, im Folgenden rekonstruiert, werfen allerdings ein anderes Licht auf die Dinge.
Zunächst zum Hintergrund: Gerd Habermann ist der Initiator beider Hayek-Organisationen. Ohne ihn würden wohl weder Stiftung noch Gesellschaft existieren. Habermann war lange Jahre Vorstandsvorsitzender der Stiftung. Im letzten Jahr räumte der 75-Jährige seinen Platz im Zuge eines Generationenwechsels – wobei einige Mitglieder anmerkten, dieser Wechsel ginge jetzt auf einmal ungewöhnlich schnell. Bereits in der Stiftungsratssitzung, in der sein Nachfolger Clemens Christmann gewählt wurde, wurden auch andere neue Mitglieder in den Stiftungsvorstand gewählt, die nicht mal Mitglied der Hayek-Gesellschaft sind. Schnell wurde Habermann aufgefordert, ganz zu gehen. Ein Novum, das nur durch das Ziel, die Macht des neuen Vorsitzenden auszubauen, zu erklären ist. Es zeigt sich eine klare Spaltung des Stiftungsrates. Immer wieder ist das Ergebnis der Abstimmungen: Fünf zu Zwei. Fünf gegen Habermann, für einen Machtausbau Christmanns und eine längere Amtsperiode für ihn, für die Neuaufnahme entsprechend neuer Vorstandsmitglieder, gegen einen unbefristeten weiteren Arbeitsvertrag für Habermann. Jene Fünf sind es womöglich auch, die jetzt den Anti-AfD-Beschluss forciert haben.
Gegenüber TE sagte Stiftungsratsmitglied Norbert Tofall, dass er aus der Hayek-Gesellschaft ausgetreten sei, da die Mehrheit im Vorstand sich weigere, „sich den Beschlüssen der Stiftung anzuschließen“. Frank Schäffler wollte sich nicht über die Presseerklärung der Stiftung hinaus weiter äußern.
Die Lage im Stiftungsrat ist seit Jahren angespannt. Die Stiftung wird zu großen Teilen aus der Nachlassstiftung des Unternehmers Edmund Radmacher finanziert. Es ging immer wieder das Gerücht um, dass die Radmacher-Stiftung die jährlichen Gelder der Hayek-Stiftung kürzen wolle. Diese Gerüchte stammen nach TE-Informationen maßgeblich vom Stiftungsratmitglied Lutz Henseler, der als Buchhalter der Radmacher-Stiftung als Sprachrohr ihrer Interessen innerhalb der Hayek-Stiftung galt. Nach Habermanns Abtritt stellt sich nun nach TE-Informationen heraus: Ein Großteil dieser Gerüchte war erfunden, derartige Bestrebungen gab es in der Radmacher-Stiftung nicht. Henseler sprach nicht im Auftrag der Radmacher-Stiftung, im Gegenteil, er sprach ohne deren Kenntnis – und wurde mittlerweile von seinen Aufgaben entbunden.
Doch diese Gerüchte hatten neben dem Abtritt Habermanns auch andere Folgen: Die Hayek-Stiftung kürzte der gleichnamigen Gesellschaft mit Blick auf diese angeblich drohende Not sukzessive die Gelder und begann in Nullzins-Zeiten hohe Rücklagen zu bilden, die Rede ist von bis zu einer halben Million Euro.
Diese Entwicklung steht womöglich im Zusammenhang mit dem jetzigen Anti-AfD-Beschluss. Der ist derart drakonisch formuliert, dass ein Bruch mit der Gesellschaft vorprogrammiert schien. Die lukrative Folge: Ein Stiftungsrat aus einer Handvoll Leuten ohne demokratische Legitimation und Kontrollinstanz erhält die Verfügung über ein Stiftungsvermögen, das verschiedenen Medienquellen auf mehrere Millionen Euro schätzen. Dazu kommen die jährlichen Zuschüsse der Radmacher-Stiftung im Bereich von mehreren Hunderttausend Euro, sowie die zusätzlich gebildeten Rücklagen. Und die über Jahre aufgebauten Projekte der Hayek-Gesellschaft? Nach TE-Informationen sieht der neue Haushalt der Stiftung die Kürzung der gesamten Jugendarbeit der Gesellschaft vor – auf null Euro. Finanziert bleiben soll lediglich eine Veranstaltungsreihe von Michael von Prollius, der selbst Mitglied des Stiftungsrates ist.
Bei einigen Mitgliedern im Stiftungsrat kann man sicherlich kein finanzielles Motiv unterstellen. Sie wollen vermutlich einen gesichtswahrenden Weg aus der Hayek-Gesellschaft finden, die von links zunehmend unter Beschuss gerät; ihre Reputation und ihren „guten Ruf” retten.
Was auch immer die Motive des Handelns gewesen sein sollten: Diese kleine Gruppe entscheidet jetzt über ein ziemlich erhebliches Stiftungskapital. Und von dieser Tatsache kann auch die vorgebliche AfD-Unterwanderung der Hayek-Gesellschaft nicht vollends ablenken.
Die Radmacher-Stiftung wird da allerdings wohl zum Teil einen Strich durch die Rechnung machen und, dem Stifterwillen entsprechend, ihre Gelder direkt an die Hayek-Gesellschaft geben und die Hayek-Stiftung außen vor lassen. Die Finanzierung der Hayek-Gesellschaft scheint damit also erstmal dennoch gesichert.
Mehrere Mitglieder des Stiftungsrates konnten wir leider nicht für eine weitere Stellungnahme erreichen.
Hinweis: Mehrere Autoren von Tichys Einblick sind Mitglied der Hayek-Gesellschaft und in der Hayek-Stiftung aktiv, aber außer den im Beitrag genannten an den geschilderten Vorgängen nicht beteiligt.