Am Freitagnachmittag folgte die EU-Kommission der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, den AstraZeneca-Impfstoffs ohne Altersbeschränkung zuzulassen – für alle Menschen ab 18 Jahren. Doch die Freude ist getrübt. Dabei versprach das COVID-19-Vakzin des britisch-schwedischen Pharmakonzerns viel Gutes: Es sollte der erste Impfstoff sein, der dank unkomplizierter Kühlkette auch reibungslos in Hausarzt-Praxen einsetzbar sein sollte. Gerade bei der Impfung von Hochrisikogruppen baut die EU auf den Vektorimpfstoff; für Menschen die nicht ins Impfzentrum kommen können.
Derweil hauen Politiker gegenüber AstraZeneca gerne auf den Tisch. „Die EU will wissen, welche Dosen wo durch AstraZenica produziert wurden, und ob, und wenn ja wohin, sie geliefert wurden (…) die Antworten der Firma waren bisher nicht zufriedenstellend“, erklärt EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides. Und EU-Kommissionschefin von der Leyen beklagt, Brüssel habe Millionen in die Entwicklung des Impfstoffes investiert – jetzt sollte auch geliefert werden. Der Vorwurf: Der Konzern habe in der Union produzierten Impfstoff exportiert. Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, hält die Erklärungen des Unternehmens für unplausibel. „Laut dem Unternehmen sind die Lieferketten getrennte Einheiten. Aber das ist nicht wahr. Bis vor wenigen Tagen wurde der für Großbritannien bestimmte Impfstoff noch in der deutschen Stadt Dessau abgefüllt. Umgekehrt sind in dem Vertrag, den das Unternehmen mit der EU geschlossen hat, ausdrücklich zwei Produktionsstätten in Großbritannien genannt.“ Liese fügte hinzu, AstraZeneca solle sich entscheiden, ob es wie ein internationales oder ein britisches Unternehmen agieren wolle.
Doch sollte AstraZeneca tatsächlich in der EU produzierten Impfstoff exportiert haben, hat man auch in Brüssel etwas gewaltig verschlafen. Die zur Schau gestellte Empörung dient wohl auch dazu, von eigenen Fehlern abzulenken. Denn sollte der Konzern in Europa produzierten Impfstoff exportiert haben, hat Brüssel dies nicht verhindert. Und die Erklärung des AstraZeneca-Chefs, dass die Briten eben auch zuerst bestellt hatten, ist ein Stichhaltiges – wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Nicht nur London, sondern auch Washington hatten bereits Monate vor Brüssel umfangreiche Bestellungen aufzugeben. Tatsächlich waren es erst die kompromisslosen Bemühungen der Trump-Administration, die die EU-Bürokratie wachrüttelte, wo man anschließend an eine weltweite Impfstoff-Verteilung ohne Verteilungskämpfe glaubte und sich so in Sicherheit wog. Statt auf Schnelligkeit zu setzen, stritt man in Brüssel vor allem um Haftungsfragen. Der abwägende Ansatz bei der Zulassung hat dazu geführt, dass die EU-Bürger hinter den USA und Großbritannien zurückbleiben, wenn es darum geht, Zugang zu Impfstoffen zu bekommen – und das in einem Moment, in dem Verzögerungen in verlorenen Leben gezählt werden.