Tichys Einblick
Völlig überraschend bei hoher Inzidenz

Kalifornien beendet Lockdown – eine Woche nach Bidens Amtsantritt

In Kalifornien ist der Lockdown mit sofortiger Wirkung beendet, etliche andere demokratisch-regierte Staat lockern auch. Das ist erfreulich, wirft im Kontext aber schon erhebliche Fragen auf.

IMAGO / Mario Aurich

Kalifornien hat den staatsweiten Lockdown beendet. Vor wenigen Wochen hörte man noch von Triage und der Aussicht auf Tausende Tote. Das ist jetzt alles plötzlich vorbei. Trotz nach wie vor relativ geringer Intensivbetten-Kapazität verfügte der Gouverneur des bevölkerungsreichsten Bundesstaates der USA am Montag die Aufhebung der massiven Restriktionen der Staatsregierung, die vor sieben Wochen angesichts massiver Infektionszahlen verhängt worden waren. Trotz hoher Zahlen wagt der „Golden State“ den Ausbruch aus dem Lockdown und kehrt zu einem regionalen Vier-Stufen-System zurück, nach dem die Regionen und Counties selbst über das Ausmaß der Corona-Restriktionen entscheiden.

Kalifornien ist eine Hochburg der demokratischen Partei – in kaum einem anderen Bundesstaat ist die Partei Joe Bidens so stark wie dort. Während der Präsident auf Bundesebene aber versucht, härtere Corona-Maßnahmen durchzusetzen, streben seine Parteifreunde in Sacramento, der Hauptstadt Kaliforniens, genau das Gegenteil an – eine Woche nach Biden Amtseinführung. Auch andere „blaue“ Bundesstaaten setzen auf einmal auf Lockerung, u.a. die Staaten Illinois, Michigan, California, Pennsylvania, Massachusetts, Minnesota und New Jersey lockern jetzt Maßnahmen.

Heft 02-2021
Tichys Einblick 02-2021: 2021 - Endlich wieder leben
Am 25. Januar meldete der Staat knapp über 17.000 bestätigte Neuinfektionen. Zum Vergleich: In ganz Deutschland meldete das RKI am 25. Januar lediglich 6.729 Neuinfektionen. Doch da in Kalifornien die Coronazahlen trotz Lockdown den gesamten Dezember lang anstiegen, hat man an der Westküste wohl abgewogen – denn die Arbeitslosenzahlen stiegen zeitgleich ebenfalls massiv. Außerdem ist es politisch ja auf einmal vertretbar – hätte man vorher den Lockdown gelockert, wäre das ja unter Umständen Donald Trump positiv angerechnet worden.

Jetzt wo die Ära Trump vorbei ist, kann man Corona aber offenbar ziemlich schnell vergessen – und Joe Biden ganz nebenbei zum Corona-Erlöser machen. Auch in Deutschen Medien wird jetzt das positive Corona-Bild USA gezeichnet, in der Welt wird kommentiert, die USA seien auf dem Weg zu ZeroCovid.

Zurück ins Leben – dank wem auch immer

Natürlich stehen die USA nicht so unendlich schlecht da, wie immer behauptet: Sieben Europäische Staaten haben mehr Corona-Tote pro 100.000 Einwohnern zu beklagen als die Vereinigten Staaten. Donald Trumps Pandemie-Management wurde monatelang scharf kritisiert, völlig ausgeblendet wurde dabei aber, dass er für vieles, für das er kritisiert wurde, gar nicht verantwortlich war. Einen Lockdown können etwa nur Bundesstaaten verhängen. Kalifornien setzte auf einen harten Lockdown, Texas beispielsweise nicht.

Die Entwicklung in den USA insgesamt zu verrechnen, ist ohnehin relativ nichtssagend – denn das Infektionsgeschehen in New York ist etwa so entkoppelt von dem in Los Angeles, wie das in Athen von dem in London. Die dramatischen Corona-Entwicklungen waren meist regional begrenzt, am Anfang beispielsweise auf New York. In Deutschland nahm man Trump gerne dafür in Geiselhaft, während der demokratische Gouverneur von New York eigentlich viel mehr in der Verantwortung stand – der verbrachte seine Zeit aber damit, den Präsidenten zu beschimpfen. Wo Trump wirklich Einfluss hatte, machte er bemerkenswert viel richtig: Sehr frühe Einreisesperren, und bei der Impfung stehen die USA auch herausragend gut da. Der Anteil der Bevölkerung, der bereits geimpft wurde, ist hier mehr als drei mal so hoch wie in Deutschland.

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 Jetzt dringen die Errungenschaften durch – und sollen wohl Joe Biden angerechnet werden, obwohl der bisher nun noch wirklich nichts im Ergebnis verändern konnte. In Kalifornien hebt man die „Stay-at-Home-Orders“ auf, beendet die nächtliche Ausgangssperre und erlaubt Frisören, Shopping-Centers und Einzelhändlern die Öffnung. In Los Angeles County, dem am stärksten von Corona betroffenen Landkreis des Staates, ist dies zum Beispiel bei 25 Prozent Kundenkapazität und Maskenpflicht genehmigt. Ende dieser Woche werden auch Restaurants im Freiluftbetrieb wieder öffnen dürfen. Private Versammlungen dürfen jetzt mit drei Haushalten und maximal 15 Personen stattfinden, allerdings bis auf weiteres nur draußen. Der Schritt hat auch die US-Demokraten überrascht. „Wenn Sie denken, dass wir im Staatsparlament von den wechselnden und verwirrenden Richtlinien überrumpelt wurden, haben Sie recht“, erklärt eine Abgeordnete der Demokraten in der kalifornischen State Legislature.

Wie auch immer: In Kalifornien können die Menschen wieder ins Leben zurückkehren.


Von Max Roland und Air Türkis. 

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