Erst kam es in etwa so, wie es aus der Opposition um Matteo Salvini und Giorgia Meloni prophezeit wurde: Premier Giuseppe Conte hat die Regierung doch noch mal gesichert, und die Vertrauensfrage knapp gewonnen. Das Ergebnis bei den Abgeordneten fiel deutlicher aus als in der Kammer des Senats, wo auch Senatoren auf Lebenszeit sitzen (sofern sie denn anwesend sein können). Premier Conte sah sich somit in der Vertrauensfrage bestätigt – irgendwie kann er noch weiter machen.
Der parteilose Premier kämpft wie schon in der ersten Krise seiner Regierung mit aller Macht gegen den Sturz in die politische Bedeutungslosigkeit und er hat in der EU-Kommission um Ursula von der Leyen starke Verbündete. Einst von den Fünfsternen und Salvini (Lega) gemeinsam unterstützt und ins Amt gehoben, will er nun gemeinsam mit der EU den Anführer der Souveränisten Salvini als neuen Premier verhindern – mit fast allen Mitteln.
Die vergangenen Tage glichen dann auch eher einem Geschacher und Feilschen auf einem italienischen Markt. Abtrünnige von Berlusconis und Tajanis „Forza Italia“ tasteten sich plötzlich an Contes Regierung heran, wurden sofort aus der Partei suspendiert. Es ist ein mehr als offenes Geheimnis, dass plötzliche Gesinnungswechsler adäquat entlohnt werden.
Das primäre Ziel: die Verhinderung Salvinis
Alles nur mit dem einzigen Ziel: Elezioni subito (Neuwahlen sofort) zu verhindern. Es wird immer augenscheinlicher, was hier offenbar die primäre Agenda ist: Corona hin oder her, es geht darum, in etwaigen Koalitionen die Souveränisten, die Parteien und Vertreter rechts der Mitte zu verhindern – denn das Mitterechtsbündnis in Italien käme nach den jüngsten Umfragen auf 225 von 400 Sitzen, nach der im Referendum beschlossenen Kürzung der Abgeordnetensitze. Die Tageszeitung Il Giornale gibt aktuelle Zahlen wieder, wonach die Lega von Salvini mit den Fratelli d’Italia und der Forza Italia bei einer heutigen Abstimmung zusammen die Kontrolle über die Abgeordnetenkammer hätten: Das Mitte-Rechts-Bündnis liege derzeit bei 48%.
Infolgedessen spricht man in Italien von einer „Ursula-Mehrheit“, in der alle an der möglichen Regierung beteiligten Parteien Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission gewählt haben. Also auch die eigentlich mit Salvini verbündete Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi neben den zuletzt im Mitte-Links-Bündnis regierenden Politikern der Fünf-Sterne-Bewegung, den Sozialdemokraten und den linken Liberi e Uguali (Die Freien und Gleichen).
Die Gespräche für die Lösung der Regierungskrise beim Staatspräsidenten Sergio Mattarella beginnen heute Nachmittag. Am Freitag wird der Auftrag zur Regierungsbildung erwartet. Dass Mattarella gern eine Regierung um Conte, das wäre dann das Kabinett Conte III., die Geschicke weiter leiten lassen möchte, gilt als ausgemacht. Mögliche Neuwahlen mit einer rechten Mehrheit könnten schließlich für ein Beben innerhalb der EU sorgen.