Bereits Abgeschriebene leben länger. Der letzte deutsche Schutzmann der klassisch-konservativen Schule, der inzwischen pensionierte Rainer Wendt, wurde erneut zum Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) gewählt. Dem vorangegangen war ein langer Wahlkampf, da der ursprüngliche Wahltermin aufgrund der Corona-Krise vom Mai 2020 auf den Januar 2021 verschoben werden musste.
Die Gegenkandidatin Wendts hatte in der rotgrünen Medienlandschaft einen erheblichen Heimvorteil erfahren. Hier wurde die Zeit genutzt, um in einer bisher nie dagewesenen Kampagne Kirsten Lühmann, Bundestagsabgeordnete der SPD, in Stellung zu bringen. So wurde das einfache Mitglied der DPolG in einem Beitrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland schon einmal vorab zur „Vizevorsitzenden“ der DPolG befördert. Getreu dem Motto, dass in Deutschland nichts mehr Respekt einflößt, als Autoritäten, die mit vermeintlichen Titeln, Orden, Doktortiteln angepriesen werden.
Die Favoritin der Medien behauptete im Vorfeld zur Wahl: „Ein anderer Stil täte der Arbeit in der Polizeigewerkschaft gut“. Auch habe sie als Frau in Uniform erlebt, was der „Unterschied zwischen rechtlicher und tatsächlicher Chancengleichheit“ in der niedersächsischen Polizei sein kann. Nach einer erfolgreichen Wahl wollte sie nicht mehr für die Bundestagswahl antreten.
Im Falle der Niederlage: Vorweggenommene Ausreden
Die Stuttgarter Zeitung erahnte bereits im Vorfeld der Wahl zum Vorsitzenden die Niederlage und unterstellte Wendt unehrenhafte „Trickserei“. Das Bewerbungsverfahren und die Corona-Pandemie wären daran schuld, falls Wendt wieder gewählt wird. „Es hätte andere Formate gegeben, die dem Demokratiegedanken und der Partizipation deutlich besser Rechnung getragen hätten“ so Lühmann, „die wegen des für sie ungünstigen Verfahrens nicht mehr damit rechnet, Wendt ablösen zu können“. Der Baden-Württemberger Landesvorsitzende der DPolG Ralf Kusterer hält dagegen: Wendt könne eine „außerordentliche Erfolgsbilanz vorlegen. Nie habe die DPolG besser dagestanden“.
Bleiben wir bei dieser üblich-gewordenen Stigmatisierung Andersdenkender und schauen uns das Wahlergebnis an. Lühmann erhielt 116 Stimmen der Delegierten und ist demzufolge „umstrittener“ als der alte und neue Vorsitzende, der 188 Stimmen erhielt. Bei Wendt soll ein zu 63 Prozent gefülltes Glas fast leer sein, bei Lühmanns zirka 37 Prozent der Stimmen fast voll, fertig ist die bildhafte Appell an das Unterbewusstsein der Leser. Die ständige Wiederholung schafft das erwünschte Framing.
Bereits Abgeschriebene leben länger
Rainer Wendt ist geradlinig und polarisiert. Auch ich habe Aussagen von ihm in einer meiner Veröffentlichungen kritisiert. Wir sollten jedoch dankbar dafür sein, dass es Menschen gibt, die es riskieren am gepredigten Zeitgeist anzuecken. Akteure ohne eigene Meinung und ohne ein gerades Rückgrat haben wir schon genug. Sich um die beste Lösung sachlich und streitbar auseinanderzusetzen, bedeutet Gesicht zu zeigen, und dabei angegriffen zu werden.
Es muss mit Freude erfüllen, dass es nicht jeder Medienkampagne gelingt, konservative Bewerber geteert und gefedert aus dem Feld zu schlagen.
Rainer Wendt ist kein Miesmacher, für ihn ist Deutschland ein großartiges Land. Insofern wünsche im mir mehr Wendts und weniger Lühmanns in der Politik.
Wie kann ich mich als ein Mitglied der Konkurrenzorganisation „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) derartig positiv über den Vorsitzenden der DPolG äußern? Weil ich an Sachfragen interessiert bin.