Nach der vorletzten Illner-Folge „Corona verzeiht keine Fehler – was kommt nach dem Shutdown“ und der letzten Folge „Langsames Impfen, schnelles Virus – droht der lange Shutdown“, lautete der überaus abwechslungsreiche Titel der gestrigen Ausstrahlung „Impfen, Masken, Mutation – droht der Endlos-Shutdown?“. Anwesend ist die Stammkundschaft: Schon wieder Manuela Schwesig, schon wieder Melanie Brinkmann, schon wieder Helge Braun – innerlich habe ich mich schon auf die langweiligste Sendung des Jahres vorbereitet. Doch ich wurde überrascht. Denn ich weiß nicht, woher es kam, aber heute wurde sich ordentlich auf die Regierung eingeschossen – vertreten durch Kanzleramtschef Helge Braun, der alles abbekam.
Es beginnt mit Melanie Brinkmann, Virologin und seit neuestem Merkel-Flüsterer und Regierungsberater. Sie hat genau das herunter gebetet, was Lauterbach in der letzten Sendung auch schon gesagt hatte: dass es fast so wäre, als hätten wir ein neues Virus und dass wir, sollte diese Mutation sich verbreiten, mit unseren jetzigen Maßnahmen nichts mehr erreichen könnten – ich taufe sie auf den Namen Karlanie Brinkbach. Sie plädiert für eine ZeroCovid-Strategie. Schon beunruhigend, die Überlegung, dass Merkel jetzt scheinbar von Karl Lauterbach in weiblich beraten wird.
Als dann auch noch Maybrit Illner und Sascha Lobo in die Regierungskritik einsteigen, geht Helge Braun zu Boden. Auf Illners Frage, warum zu den Verhandlungen denn keine kritischeren Wissenschaftler eingeladen wurden, konnte er nur sagen, dass ja völlig inakzeptabel von der Poilitik wäre, wenn sie sich die Meinungen aussuchte, die sie hören will – und dass sie das ja niemals tun würde.
Dann kam es zum großen Streitpunkt: Impfen. Hier nahm Schwesig ihn in die Mangel. Immer wieder wurde Braun gefragt, wieso die Regierung so spät und so wenig eingekauft hat, und wir jetzt hinter anderen Ländern her hinken. Braun stammelt Runde um Runde mehr, sagt, ja jetzt mögen wir ja Engpässe haben – aber das haben wir ja nie anders versprochen. An einer anderen Stelle spricht er davon, dass „diese Phase der Knappheit“ jetzt noch „sechs, acht Wochen“ dauern würde, wir im Sommer aber genug für alle hätten. Also plötzlich haben wir bei dem Killervirus, für das wir nicht einmal die Weihnachtszeit abwarten konnten und das jetzt durch die Mutation noch schlimmer geworden ist, mal soeben zwei Monate Zeit, weil der Impfstoff knapp ist? Zurecht wird dann darauf hingewiesen, dass wir jetzt aber doch in der angeblich schwersten Phase der Pandemie wären.
Dann will Helge Braun mit der Warnapp anfangen, wie die helfen würde, kann aber nicht mal zu Ende sprechen, weil im Studio eine Mischung aus Gelächter und Geraune losgeht. Schließlich ist das der Flop des Frühjahr; Bundesdigitallachnummer Doro Bär hat sich wirklich große Verdienste beim Komplett-Versagen verdient, aber sie macht ja auch digitale Frauenpolitik und kümmert sich bevorzugt um ihr Latex-Outfit. Das reicht ja auch für ihr schlichtes Gemüt. Selbst Merkel-Fan Sascha Lobo sagt, er sei zuversichtlich, dass wir, wenn die Entwicklung so weiter gehe, mit der Corona-Warnapp bis 2027 in der Lage wären, die Lage unter Kontrolle zu bekommen – das war der erste gute Witz bei Illner. Selbst die Moderatorin erzählt von ihren Erfahrungen und wie schlecht das Wunderwerk deutscher Softwarekunst funktioniert.
Helge Hilflos weiß nicht, wie ihm geschieht. Mit leerem, leerem, sehr leerem Blick (haben Sie seinen Blick schon mal gesehen? Unglaublich leer) versucht er immer wieder, das Thema zu wechseln, die Frage abzuhaken. Schließlich versucht er das Impfen sogar als „Erfolgsgeschichte“ dazustellen, indem er den Erfolg bei der Erforschung eines Impfstoffs der Bundesregierung anzuheften versucht. Doch damit lässt ihn keiner mehr durchkommen, immer wieder sagt Schwesig, dass die Bundesregierung den Fehler endlich mal eingestehen müsste.
Eines hat Helge Braun dennoch vollbracht, was eigentlich unmöglich schien: Wer diese Sendung gesehen hat, für den wird sein Vorgänger Peter Altmaier zum Sympathieträger.
Als es gerade am schönsten ist, springt Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, ein – niemand hat sie gefragt, niemand wollte sie hören. Sie will den Streit mit einem wirklich genialen Satz zugunsten der Bundesregierung lenken: „Wir müssen uns auch mit Afrika vergleichen“. Damit war ihre intellektuelle Kompetenz für den Abend auch schon ausgeschöpft.
Die Kanzlerin hat in der Konferenz Anfang der Woche verloren, keines ihrer Anliegen konnte sie durchsetzen. Jetzt wird ihr Vertreter in einer Talkshow gedemütigt – und das obwohl das ZDF alles versucht und nur einen Spiegel-Mann eingeladen hat. Nun denn, in Brauns leeren Augen konnte man es förmlich lesen: Das wird ein Nachspiel haben. Merkels allerliebster Liebling ist am Ende hilflos – im regierungstreuen ZDF. Wenn das kein Omen ist.