Immer wenn du denkst, es geht nicht schlimmer, kommt jemand und macht es einfach. So ist es auch mit dem Lockdown. Man dachte, das Maximum sei erreicht, es könne nur noch um Lockerung oder Verlängerung gehen. Doch da kommt Angela Merkel und verschiebt den Maßstab einfach. Jetzt diskutieren wir über Verschärfungen – im Angesicht von sinkenden Zahlen auf den Intensivstationen, der sich klar abzeichnenden Wirkungslosigkeit des Lockdowns und der, nach einem Jahr relativ gut einschätzbaren, Gefahr durch Covid, die einen Lockdown rückblickend nie gerechtfertigt hat. Und die Bevölkerung hat den Lockdown satt. Alles gesellschaftliche Leben erstickt, wir sind zu Hause eingesperrt und isoliert. Der Mensch lebt nicht zum Arbeiten und Netflix schauen allein – meine ich. Die Wirtschaft säuft ab, sie hat schon Schlagseite.
Dann kommt die Regierung mit dem mutierten Virus um die Ecke. Der ehemalige SARS-Forschungskoordinator der WHO, Klaus Stöhr gab hierzu zu Recht zu bedenken, dass das immer herangezogene Beispiel Irland ein Bild zeigt, dass der Idee der besonders gefährlichen Mutante exakt widerspricht: Die Zahlen stiegen hier nämlich vor der Ausbreitung der Mutante, und jetzt – wo die Mutante sich anteilsmäßig ausbreitet – sinken die Zahlen in Irland seit zwei Wochen kontinuierlich.
Gefährliche Mutanten? Ihr habt doch zu viel Perry Rhodan gelesen.
Und dennoch will man Super-Maßnahmen einführen: Ausgangssperren, FFP2- bzw. OP-Maskenpflicht, 15 km Radius für alle. (Siehe hier).
Gestern trommelte sie eine Expertenrunde zusammen, aus der sie alle kritischen Stimmen wie Streeck oder benannten Klaus Stöhr heraushielt. Stattdessen waren federführend Melanie Brinkmann und Konsorten aus dem Dunstkreis von Zero-Covid dabei. Der SPIEGEL zitiert Brinkmann in der gestrigen Runde so: „Es ist so, als ob das Virus noch einmal einen Raketenanzug angezogen hat“. Und dann auf einmal:
Die Inzidenz von 50, an der der Lockdown geknüpft wird, sei illusorisch – werden jetzt auf einmal doch kritische Gedanken geäußert? Ernüchterung: Die Bevölkerung müsse nämlich überzeugt werden, „dass wir auf Null müssen“. Allet klar, du Virologin. In der Runde wird eben nur das gesagt, was Merkel will, die Mutante ist da super … Super, super gefährlich. Ob die Länderchefs das überzeugt hat? Wohl kaum, aber eingeschüchtert vielleicht. Das ist die Frage: Verbiegt man die Realität noch bewusst, wird man von der Realität verbogen oder beginnt man seine eigenen Verbiegungen zu glauben? Im Falle Merkel denke ich es ist Letzteres. Schlimmer: Sie hat sich mit einem Kreis von Beratern umgeben, der ihr exakt das rät, was sie mal wollte – und sie beginnt ihren Beratern zu glauben.
Das ist der Anfang vom Untergang – wie der Dienstweg Honeckers, an dem Teile von Fassaden renoviert wurden, um ihm die Realität im Land zu verschweigen. „Schonen Sie die Nerven dieses armen Mannes“ soll es in der Wolfsschanze bei neuen Hiobsbotschaften von der Ostfront geheißen haben. Antonio Salazar verschwieg man seine Absetzung gar vollständig, der portugiesische Staatsführer wähnte sich monatelang weiter an der Macht und gab Befehle und Anordnungen, die den Raum nie verließen.
Es geht darum, jetzt zu lockern, das ist die eigentliche Debatte, auch wenn man sie in Berlin nicht führen will. Vielleicht mögen die Deutschen unendlich träge sein, aber diese Stimmung, die schlicht in der menschlichen Natur liegt, wird schwelen, weiter um sich greifen und sich schließlich durchsetzen. Merkel wird das nicht mehr schaden, aber denjenigen, die heute diesen Kurs mittragen – denen wird man diesen Wahnsinn nicht so schnell vergessen.
Wir sollten optimistisch bleiben. Das Ende der Pest kam und wurde mit Orgien gefeiert. Und so kommt auch das Ende des Lockdowns. Achso: Ich bin normalerweise auch skeptisch gegenüber Orgien, aber man soll niemals nie sagen. Für Lockerungs-Orgien, wie Merkel es nennt, bin ich in jedem Fall zu haben.