Bianca Orpel blickt in ihrem Friseursalon in die Kamera. Sie trägt Maske und einen Pullover, auf dem „Es gibt keinen Planet B“ steht. „Rechts“ sieht diese Frau wirklich nicht aus, auch nicht wie einer der medial vorgeführten „Covidioten“, der die Existenz des Virus leugnet und sich irgendwo zwischen „QAnon“-Verschwörungsmythen und Reichsbürgermilieu herumtreibt. „Natürlich gibt es Corona und was gerade in den Kliniken passiert, ist schlimm“, sagt die Friseurmeisterin.
Dennoch wagt sie den Widerstand gegen die Lockdown-Maßnahmen. Sie öffnete ihr Geschäft am Montag wieder und will auch Strafen in Kauf nehmen. Sie habe nichts mehr zu verlieren, erklärt sie im Interview mit der „Ostseezeitung“. „Ich stehe vollkommen mittellos da. Ich bekomme keinen Kredit und weiß nicht mal, wie ich nächsten Monate das Schulgeld für meinen Sohn bezahlen soll.“
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Die Initiative „Wir machen auf“ soll als ein Hilferuf verstanden werden. Mit zivilem Ungehorsam wollen Geschäfte gegen den Lockdown protestieren. Auch der Kopf hinter der Aktion, Macit Uzbay, wird dem Namen nach zu vermuten wahrscheinlich kein Nazi sein. „Ich bin einfacher Mensch, ohne jeglichen Politischen Hintergrund. Es geht hier weder um Querdenken, noch irgendwelche anderen Bewegungen, Seiten, Kanäle… Ich bin ein einfacher Kosmetikstudio-Besitzer, der alles umsetzte, was erwartet wurde, und am Ende seiner Existenz ist und die Nase voll hat“, behauptet er.
Viele sehen das ähnlich: Telegramkanal und -gruppe der Aktion „Wir machen auf“ zählen tausende Mitglieder. Die Angst vor Anzeigen und Verfolgung scheint bei vielen groß zu sein: Nicht ganz unbegründet. Auf Twitter bildete sich als Reaktion auf #WirMachenAuf der Gegen-Hashtag #WirMachenEuchDicht. Dort wird geifernd gehofft, dass möglichst bald das Ordnungsamt mit tausenden Euro Strafe vor der Tür stehe – natürlich um „tausende Tote“ zu verhindern. Vor allem, so scheint es, äußern sich dort diejenigen, die von der Situation der Betroffenen keine Ahnung haben.
Die Häme der Twitter-Musterbürger steht in krassem Kontrast zu dem, was Unternehmer berichten. So zum Beispiel Udo Siebzehnrübl. Der Bayer betreibt fünf Sportfachgeschäfte und beschäftigt knapp 100 Mitarbeiter. Wie der 60-Jährige berichtet, liege sein Corona-Schaden bei 1,5 bis 2 Millionen Euro. Dem Gegenüber stehen die nur 15.000 Euro Hilfszahlungen, die der Selbstständige seit März vom Staat erhalten habe. Seine Teilnahme an #WirMachenAuf zog er trotzdem wieder zurück: Aus Angst vor Konsequenzen, nachdem es Zuspruch aus der „rechten Szene“ gab.
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Die Sorge um negative Reaktionen aus einer Öffentlichkeit, die weitgehend hinter den Maßnahmen zu stehen scheint, oder gar vor Antifa und Co., scheint zumindest weitgehend schwerer zu wiegen, als die Angst vor den Strafzahlungen von bis zu mehreren zehntausend Euro, die bei der Öffnung des Geschäfts drohen. Friseurin Bianca Orpel erklärte auf die Frage, was sie im Falle einer Strafzahlung machen würde, ganz einfach: „Dann lege ich den Bescheid zu den anderen Rechnungen, die ich auch nicht bezahlen kann.“