Tichys Einblick
Das Ergebnis der Wahl in Griechenland ist ein Positivum für den Euro und das Land

Bettina Röhl direkt: Griechenland-Wahl – Glücksfall Tsipras!

Um mit dem Übel im Bonsaiformat zu beginnen: In Griechenland hat gerade ein Quasi-Kommunist, Freund der deutschen Linkspartei, die Parlamentswahl bis nahe an die Grenze der absoluten Parlamentsmehrheit haushoch gewonnen.

Natürlich ist nicht jeder zweite Grieche über Nacht Kommunist geworden. Jeder zweite Grieche ist auf linken Populismus reingefallen. Das allerdings ist wahr. Der 41 jährige Führer des linken Oppositionsbündnisses Syriza, Alexis Tispras hat seine Wahl im Wesentlichen mit dem Versprechen gewonnen, dass er den Gürtel der Griechen wieder weiter schnallen würde und im Falle seines Wahlsieges, den er jetzt errungen hat, sein Land vom modernen Versailler Diktat befreien würde: Weniger sparen, mehr ausgeben, kein Technokratendiktat aus Brüssel und nieder mit der Troika ( EU, EZB, IWF): Geld für alle! Griechenland hatte sich, wie man weiß, in den Euro hinein geschummelt und hängt am pekuniären Tropf der anderen Eurostaaten, soweit diese nicht ebenfalls ihrerseits am Tropf der anderen Eurostaaten hängen.

Nettogeber-und Nettoempfängerländer

Wie es so schön im EU-Deutsch heißt, gibt es Nettogeber – und Nettoempfängerländer. Will sagen, der EU-Haushalt wird aus den Gebervolkswirtschaften gespeist und die Nehmervolkswirtschaften sind die Gewinner des Umverteilungsprozesses, um den es sich bei dem EU-Haushalt in Wahrheit handelt. Genauso verhält es sich auch bei dem Eurovertragstaatenbund. Auch da gibt es, wie die Eurokrisen zeigen, von denen viele Experten annehmen, dass noch viele weitere Eurokrisen dieser Art kommen, Vertragsstaaten, die die schwindende, aber immer noch irgendwie vorhandene Eurostärke wirtschaftlich darstellen und andere, die den Wert der schönen Währung mit dem Namen Euro nach unten zerren.

Es gibt Nettozahler im Euroverbund, die die diversen sogenannten Rettungsschirme bezahlen und Nettonehmer, die sich aushalten lassen.

Die Bundesrepublik ist, was die EU anbelangt, auf allen Spielfeldern der größte Zahlmeister und Griechenland hat, wo man hinschaut, die rote Laterne. Und das hat einen Grund. Griechenland lebt über seine Verhältnisse. Die Griechen geben mehr Geld aus als sie einnehmen.

Trotz kostenloser Sonne, unendlich langen Küsten und schönen Inseln war selbst die Tourismusindustrie abgestürzt, und die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft war unter der Last des für griechische Verhältnisse zu starken Euros eingebrochen. Die jungen Griechen, die etwas wollen und können, verlassen das Land, das belastet die Zukunft der Hellenen massiv. Aber schon als Griechenland 1981 der EU beitrat, begann die Umstellung der griechischen Wirtschaft von einer autonomen Zweite-Welt-Ökonomie auf eine Möchtegern-Erste-Welt-Ökonomie im Nehmermodus.

Europa ist es also gewöhnt die kleine unbedeutende 11-Millionen-Einwohnervolkswirtschaft der Griechen permanent mit einer Art „Staatenstütze“ am Laufen zu halten, aber leider ist es auch die griechische Wirtschaft gewöhnt nicht weltmarktfähig leisten zu müssen. Und die Griechen haben sich an einen persönlichen Konsum auf hohem Weltmarktniveau gewöhnt.

Zur relativen Entlastung der Griechen muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Krisen in Italien und auch in Spanien nicht überwunden sind und dass Frankreich aus einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Gründe ein großer Unsicherheitsfaktor für den Euro ist. Man kann manchmal den Eindruck gewinnen, dass die Euro-Nomenklatura um Merkel, Hollande, Draghi und co. es ganz gut findet, wenn sich der öffentliche Diskurs möglichst oft und immer wieder um Griechenland dreht. Das lenkt so schön ab von allen anderen Eurokrisenländern und von der noch lange nicht überwundenen Krise des Euro selbst.

In Griechenland hat die Eurokrise ein Gesicht, an dem man sich abarbeiten kann

Das womöglich wichtigste Datum im Spiel der vielen Euro-Gleichungen mit viel zu vielen Unbekannten ist in der Tatsache zu sehen, dass die Euro-Machthaber, die in Berlin, Frankfurt und vielleicht noch in Paris sitzen, notfalls selbst gegen die Gesetze der Physik den Euro in seiner jetzigen Ausdehnung und Form – koste es, was es wolle – bis zum Sanktnimmerleinstag aufrechterhalten wollen. Für Griechenland hat dieser fatale Wille eine sehr angenehme Konsequenz. Hellas kann sich darauf verlassen, dass egal wieviel das Land selber erwirtschaftet, die Differenz zum real erwirtschafteten Pro-Kopf-Einkommen in den starken Euro-Nordländern ganz oder mindestens teilweise durch große Alimentenströme aus dem Norden ausgeglichen wird. Wegen des finanziell auf Null eingeschränkten Handlungsspielraums war die Wahl in Griechenland ohnehin ein Witz.

Die von der Mehrheit der Griechen nie als Bringeschuld empfundene Reformierung der eigenen Volkswirtschaft, wurde von der Troika zwar in vielen Fensterreden, wenn mal wieder neue Notkredite, besser Schenkungen, nötig waren, angefordert, aber echte Reformen haben nie stattgefunden. Die griechische Wirtschaft muss auch nicht einfach nur ein bisschen reformiert werden, sondern da muss systemisch und in den Köpfen vieler Menschen schon ein bisschen mehr passieren.

Als die Griechenlandkrise ruchbar wurde, die eine Krise des griechischen Staates, der griechischen Banken und der griechischen Wirtschaft war, entstand eine neue politische Unkultur im Land. Wie im vergangenen griechischen Wahlkampf sichtbar, stritt man sich in Athen zuletzt nur noch darum wieviel Reform man den ewigen Geldgebern aus dem Norden trotzig zubilligen sollte und mit wie wenig Reformen Griechenland auskommen würde, um seine ewige Gönner ruhig zu stellen. Also man stritt über den richtigen Weg das meiste aus Europa heraus zu holen, was irgend drin ist.

Da lag der 41.jährige Tsipras mit seinem unspezifischen Sozialismus und seiner dynamischen Jugendlichkeit voll im Trend. Er versprach, was er selber erkennbar nicht darstellen kann: Freibier für alle und vorallem für die Schwächeren. Und wie es jetzt in den Medien heißt: 1000 Euro für jeden Griechen.

Tsipras, Glücksfall der griechischen Politik

Tsipras, der Bürgerschreck? Tsipras, eine politische Gefahr? Eine Stärkung der europäischen extremen Linken? Nichts von alledem ist Realität. Tsipras hängt, ob er es will oder nicht, am finanziellen Tropf der Troika und am finanziellen Tropf der EZB in Frankfurt und der Bundesrepublik in Berlin. Von dort wird entschieden, wieviel Spielgeld Tsipras für seine Revolutionsgaudi, für seine Kamellewerferei oder für sein kleinlautes Abbittetun bei seinen Fans für reihenweise gebrochene Geldversprechungen real zur Verfügung hat oder nicht zur Verfügung hat. Natürlich weiß Tsipras das selber am besten und deswegen bleibt ihm gar nichts anderes übrig als, angesichts des hohen Erwartungsdruckes (vielleicht noch als Krakeler auftretend) sich in der Sache besonders zahm und konziliant gegenüber den Geldgebern Griechenlands zu zeigen.

Tsipras bildet unter allen griechischen Politikern die besten persönlichen Voraussetzungen die griechischen Teile der Bevölkerung, die auf Stress gebürstet sind, zu beruhigen. Gleichzeitig dürfte er der einzige griechische Politiker sein, der wenigstens einige der vielen dringend notwendigen Reformen, ein bisschen auf sozialistisch umgelabelt, im Land durchsetzen kann und durchsetzen wird, weil er weiß, dass er andernfalls zum Totalscheitern verurteilt wäre. Der unbedingte Karrierist Tsipras ist also ein Glücksfall für Griechenland und für alle, die mit Griechenland zu tun haben.

Leider ist Griechenland ökonomisch klein und dieses griechische Glück ist für Europa nur ein Tropfen auf dem heißen Eurostein. Aber Griechenland ist irgendwie zum großen Exempel in Euroland geworden. Es ist Blitzableiter, Testfeld, und Scheinschauplatz für Eurogefechte geworden, in denen Griechenland gebrüllt wird, aber in Wahrheit die Interessen der Eurogroßmächte zum Beispiel in Berlin und Paris gemeint sind. Warum in Europa so viele der wichtigen politischen Stimmen die Wahl von Tsipras befürchtet und nicht gewollt haben, erschließt sich nicht.
Und: Tsipras erweist Europa auch noch einen unschätzbaren Dienst. Er belegt empirisch die von vielen interessengesteuert bestrittene Feststellung, dass sich extrem linker Sozialismus und extrem rechter nationaler Sozialismus, wenn schon nicht gleichen wie ein Ei dem anderen dann doch einen seelenverwandten Kern haben. Stunden nach seiner Wahl präsentiert der gute Mann sein Bündnis mit der Rechtspartei, seinem wie auf den Leib geschneiderten Koalitionspartner.

Einer bürgerlichen Partei hätte ein solches Koalitionsverhalten ein lautes Mediengeschrei und ein noch lauteres Geschrei der Linksparteien eingebracht und womöglich tumultarische Proteste auf der Straße. Eine quasi-kommunistische Partei dagegen muss offensichtlich nicht den geringsten Gegenwind befürchten, wenn sie mit einer Rechtspartei ins politische Ehebett steigt. Auch dieser Koalitionscoup von Tsipras zeigt, dass er Mut und taktisches Geschick hat, in dem er alle Protestler in sein Konzept einbindet und beruhigt.

 

Die mobile Version verlassen