Heute werden im US-Bundesstaat Georgia zwei Senatssitze neu gewählt. Das allein wäre noch kein Ereignis von Bedeutung für den Rest der Welt. Doch diesmal schon: Denn die zu wählenden Senatoren bestimmen die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat und damit beantworten sie die Frage, ob Joe Biden als neuer Präsident durchregieren kann, oder ob er für den Großteil seiner innenpolitischen Pläne von einer republikanisch beherrschten Parlamentskammer abhängig ist. Entsprechend groß ist der Wahlkampfaufwand: Nicht nur wahnwitzige Summen werden von beiden Seiten in den Wahlkampf gesteckt, auch President-elect Biden und Noch-President kämpfen um die nur gut 10 Mio. Einwohner dieses kleinen Staates im Südosten der Vereinigten Staaten. Trump rief seine Anhänger zum Wählen mit den Worten auf, das wäre die „letzte Chance, jenes Amerika zu retten, das wir lieben“. Joe Biden findet die Wahlen am Dienstag könnten einen Aufbruch „für Georgia und für Amerika“ sein.
Die aktuellen Mehrheitsverhältnisse im US-Senat sind 52 zu 48 für die Republikaner. Da aber Kamala Harris als nächste US-Vizepräsidentin von Amts wegen im Senat bei Stimmengleichheit die entscheidende Stimme abgeben kann, kommt es nun auf die zwei Senatoren aus Georgia an: bislang beides Republikaner, die zwar vorne lagen, aber die absolute Mehrheit knapp verfehlten und deshalb in die Stichwahl am 5. Januar müssen. Gehen beide Sitze an die Demokraten, hätten sie die volle Kontrolle über beide Kongresskammern und das Weiße Haus, und könnten ihre Agenda gegen den Widerstand der Republikaner durchsetzen.
Also trat Chuck Schumer, als Minderheitsführer der Demokraten im Senat, jubelnd auf die Straßen von New York und erklärte zuversichtlich: “Jetzt holen wir uns Georgia und dann verändern wir Amerika.” Die Wahl in Georgia ist für die Machtbalance in Washington entscheidend und dementsprechend wichtig ist sie für beide Parteien. Millionen von Dollar fließen nach Georgia in die Wahlkampfkassen der Kandidaten und SuperPACs (unabhängige Gruppen).
Einerseits ist der “Pfirsich-Staat” genannte Südstaat seit einigen Jahrzehnten republikanisches Territorium. Republikaner kontrollieren die Mehrheit in beiden Kammern des Staatsparlaments, den Gouverneurssitz, die Mehrheit der Kongressdelegation und bisher eben auch beide Senatssitze mit Senator Kelly Loeffler und Senator David Perdue. Außerdem lagen die Republikaner bei der Senatswahl mit ihren Kandidaten im November insgesamt vor den Demokraten, obwohl ihr Präsidentschaftskandidat, Donald Trump, im Staat hinter dem demokratischen Herausforderer Joe Biden zurückblieb. D.h. also die Kandidaten konnten auch die Stimmen moderater Wähler mitnehmen, die den Präsidenten ablehnen. Der steht nun ebenfalls nicht auf dem Stimmzettel und eine “Anti-Trump”-Haltung zur Wählermobilisierung fehlt den Demokraten damit, während viele Republikaner hochmobilisiert bleiben, um dafür zu sorgen, eine Biden-Agenda mit ihren Stimmen im Senat zu blockieren. Die Ausgangslage ist also nicht schlecht für die Republikanische Partei.