Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.
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Spitzenglättung, die
Wieder hielt ein neuer Begriff Einzug in das Energiewendevokabular. Er ist bildhaft und leicht verständlich, er bezeichnet Maßnahmen, der zunehmend schwankenden Stromeinspeisung durch Steuerungen der Verbraucherseite zu begegnen. Die Netzfrequenz von 50 Hertz ist die Regelgröße, die unter allen Bedingungen eingehalten werden muss, um einen Kollaps zu vermeiden. Dazu braucht es das Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch. Da der volatile, unplanbare Anteil an der Erzeugung stetig zunimmt, die Anzahl der regelbaren Kraftwerke aber ab, müssen sich Verbraucher mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen künftig an der Systemregelung beteiligen. Sie können sich auch dagegen entscheiden, zahlen dann aber mehr.
Kurz vor Weihnachten und medial fast unbeachtet wurde das „Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG)“ in die Abstimmungsrunden gegeben, der zustimmende Beschluss ist absehbar. Es soll die Gleichzeitigkeit des Strombezugs bei denjenigen Stromverbrauchern beeinflussen, die steuerbar sind wie die Betreiber von Wärmepumpen, Elektroheizungen, Wallboxen oder auch die Prosumer, die nicht nur Verbraucher, sondern auch Erzeuger sind. Durch zeitweise, variable und wechselseitige Abschaltungen sollen örtliche Überlastungen wie auch ein Teil des aufwändigen Netzausbaus vermieden werden. Es ist eine Form des geregelten Brownouts, die den Blackout verhindern soll. In jedem Fall muss dieses System flächendeckend zur Anwendung kommen, denn absehbar werden Zeiten kommen, in denen unsere Nachbarländer mit der Aushilfe im deutschen Netz überfordert sein werden. Selbst in der verbrauchsarmen Weihnachtszeit schwankten Export und Import kräftig. Schoben wir am 28. Dezember 2020 noch mehr als 12 Gigawatt über die Grenzen, brauchten wir einen Tag später fast 5 Gigawatt retour. Der deutsche Außenhandelssaldo weist beim Strom noch einen Überschuss von mehr als 19 Terawattstunden auf, geht aber seit 2017 (52 Terawattstunden) kontinuierlich zurück. Die Importmenge erhöhte sich seit 2016 auf 33 Terawattstunden. Bei diesem Strom von außen herrscht betretenes Schweigen zu seiner Herkunft. Während heimischer Atom- und Kohlestrom verteufelt wird, ist der graue Importstrom grundsätzlich positiv.
So sieht es in der Praxis aus, wenn „Wind, Sonne und Co. die Oberhand über fossile Kraftwerke erlangen“, wie strom-report.de begeistert berichtet, weil 2020 mehr als 50 Prozent des Stroms von „Erneuerbaren“ geliefert wurde. 47 Versorger erhöhen 2021 die Preise, trotz staatlicher Deckelung der EEG-Umlage. Grund sind steigende Netzentgelte.
Ein anderes Windraftvorreiterland, Dänemark, ist Vizemeister beim Strompreis und hat ähnlich starke Schwankungen des Stromsaldos zu verzeichnen. Am 29. Dezember importierte das Land ein Drittel seines gesamten Strombedarfs. Bei fünfeinhalb Millionen Einwohnern und wenig Großindustrie ist das machbar, zumal mit Norwegen und Schweden sichere Lieferanten zur Verfügung stehen.
Die Macht der Paragrafen
Der Entwurf des SteuVerG enthält 5 Artikel, die Änderungen in anderen Regularien wie zum Beispiel dem Energiewirtschaftsgesetz bewirken. Insgesamt 61 Seiten sind nötig, dies zu formulieren und erklären. Es sind dann – nach meiner Zählung und ohne Gewähr – 26 nationale Gesetze zum Energiesystem in Kraft, hinzu kommen mindestens 33 Verordnungen und 26 EU-Strategien, -Verordnungen, -Richtlinien und -Leitlinien. Noch vor zwanzig Jahren kam das Energierecht mit 200 Einzelnormen aus, heute sind es etwa 13.750.
„Kein Staat kann ohne Recht, kein Recht ohne Staat bestehen“, wusste der alte Augustinus. Ein anderer Römer, nämlich Tacitus, formulierte seine Erfahrungen mit dem Rechtssystem so: „Der verdorbenste Staat hat die meisten Gesetze.“
Technisch ist es natürlich möglich, die Verbraucherseite zu regeln, die Idee des demand site managements (DSM) gibt es schon lange. Absehbar ist aber, dass man dieses Instrument nur bis zu einem gewissen Umfang ausbauen kann. Zum einen entstehen den Netzbetreibern wie den Kunden Kosten, zum anderen muss man die teilnehmenden Kunden belohnen für ihren Beitrag. Das geht realistisch nur über den Strompreis. Wer für seine regelbare Verbrauchsstelle durchgängig Strom haben möchte, wird künftig kräftig draufzahlen. Wer sich abschalten lässt zahlt weniger. Je länger, öfter und flexibler er sich abschalten lässt, umso billiger der Strom. Auch dadurch wird sich die soziale Spaltung des Landes verstärken. Wer wenig Geld hat und sparen muss, bekommt seltener Strom. Der normale Haushaltsstrom soll davon ausgenommen sein. Wie lange noch? Regelungen zu planmäßigen Lastabwürfen der Haushalte (load-shedding) sind international durchaus üblich, zum Beispiel in Südafrika.
Da seit Jahrzehnten keinerlei Aktivitäten erfolgen, die „Erneuerbaren“ grundlast- und regelfähig zu machen, wird auch das DSM an Grenzen stoßen. Wir wollen zwar mit aller Kraft dekarbonisieren, aber es gibt kein Zielbild für das künftige Energiesystem. Welcher Strommix soll es sein? Im Netz wird es zunehmend spannender, zeitweise wird es eben auch spannungslos sein.
Die Regelung und die Speicherung des Stroms verschiebt man auf das Wunderelement Wasserstoff. Für die Kohle- und Kernkraftwerke gibt es in Gesetzen fixierte Abschalttermine beziehungsweise Ausschreibungen zu solchen Terminen. Wann wir Wasserstoff aus marokkanischer oder australischer Sonnen- und Windkraft bekommen werden oder aus einem im Kongo noch zu bauenden Wasserkraftwerk samt Staudamm, wie von deutschen Politikern ins Auge gefasst, ist zeitlich offen und auf der Kostenseite nicht kalkulierbar. Aber der Glaube daran ist fest.
Das Gesetz wird problemlos den Bundestag passieren. Die praktische Umsetzung dürfte sich über viele Jahre hinziehen und die Unterdeckung im deutschen Netz wird zunehmen. Spitzenglättung in absehbaren Zeiten des Mangels bedeutet nichts anderes als Rationierung. Es klingt aber besser.