Böllernde Wortmeldung von Friedrich Merz schon am zweiten Tag des neuen Jahres: Der ehemalige Aufsichtsrats-Vorsitzende von Blackrock Deutschland will immer noch über den Posten des CDU-Parteichefs Kanzler werden. Für die Funke-Mediengruppe (einmal vorsprechen, vielfach verbreitet werden) hat er kurz nach dem Neujahrskonzert nicht gezündeten Böller aufgesammelt und die Nichtaufnahme von „Flüchtlingen“ aus Griechenland und Bosnien gefordert. Ach du je. Aber der Reihe nach. Er will ja was werden.
Angela Merkel war es, Annegret Kramp-Karrenbauer ist es noch und drei Herren balgen sich schon eine Weile darum: Der CDU-Parteivorsitz soll neu besetzt werden und der bietet in diesem weiteren Durchgang mehr als nur Ärger, denn aller Voraussicht nach ist die Kanzlerschaft damit verbunden: eine ziemlich fette Mitgift.
Und weil es zuletzt nacheinander zwei Frauen waren, wagt es die CDU ohne Frauenquote. Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgers sollen es unter sich ausmachen. Das muss man sich erst einmal ausdenken, gefühlt einhundert Jahre nach der SPD-Troika Schröder, Lafontaine und Scharping. Oder noch früher: Schmidt, Brandt, Wehner. Aber halt, die Herrenrunde der CDU zur Bundestagswahl 2021 und zur irgendwie geordneten Abwicklung der Ära Merkel war nie als trautes Dreigestirn angelegt. Hinzukommt zudem noch der bayrische Ministerpräsident Markus Söder, der sich wohl ebenfalls noch Hoffnungen macht auf die Kanzlerschaft.
Bleibt also noch Friedrich Merz. Der hat Laschet bei dessen devot-bigottem Auftritt zugeschaut und fühlte sich wohl in Zugzwang. Jetzt wären aus fünf Jahren Massenzuwanderung sicher noch genügend Opfer übrig, bei denen sich Merz entschuldigen hätte können. Und weil Markus Söder schon das Zepter der Corona-Maßnahmen-Verteidigung übernommen hat, versucht sich Merz in so einer Art Zuwanderungshardliner und spricht sich gegenüber besagter Mediengruppe gegen die Aufnahme von „Flüchtlingen“ aus Lagern auf dem Balkan und von den griechischen Inseln aus.
Leider scheitert er schon an den Begrifflichkeiten. Friedrich Merz wird diesen Ruch des Gestrigen einfach nicht los. Würde er Maischberger oder Anne Will in deren ÖR-Sendungen noch mit Handkuss begrüßen, es wäre peinlich, aber zumindest stringent. Wer heute noch „Flüchtlinge“ sagt, was nicht einmal mehr die Kanzlerin der nordafrikanischen Herzen durchgehend schafft, wohlwissend, dass die allermeisten aus wirtschaftliche Gründen kommen, also illegale Zuwanderer sind, der offenbart schon damit seine fehlende Ernsthaftigkeit.
„Dieser Weg ist nicht geöffnet.“, sagt Merz jetzt über die Frage, ob die Lager in Bosnien und auf den griechischen Inseln Richtung Deutschland geleert werden können (um daraufhin erneut und noch hoffnungsvoller wieder anzuschwellen).
Es ist ja richtig, was Merz da fordert, aber es ist als kandidatentaktische Maßnahme zu leicht erkennbar, um ernst genommen zu werden. Geschwätz, als wäre Merz die letzten fünf Jahre nicht anwesend gewesen. War er nicht? Wann ist er überhaupt aus seiner Blackrock-Düsternis zurück in die Bundespolitik aufgetaucht, als Merkel im Zuge der Verwerfungen rund um die Massenzuwanderung so furchtbar zu wanken begann? Erst 2019? Oder schon früher? Und jetzt schiebt er gleich die übliche Einschränkung hinterher: Abschiebung ja, aber natürlich nicht nach Syrien. Klar, starke Worte und dann lieber doch nicht durchziehen. Seit wann ist er wieder in der Politik dass er glaubt, man durchschaue diese Bauernfängerei nicht?
Als Merz 2018 gegen Kramp-Karrenbauer knapp unterlag beim ersten Anlauf auf das Amt der Parteivorsitzenden, spielte er noch den souveränen Verlierer während einer Glückwunschrede für die Gewinnerin, war dann aber so schnell von der Bühne verschwunden, dass die Siegerin ihn zurück bitten musste, um mit ihm und dem ebenfalls angetretenen Jens Spahn rechts und links für ihr Siegerfoto zu posieren. Eiligst verließ Merz anschließend den Saal, der international operierende Vermögensverwalter Blackrock konnte sich von da an weiter der Mitarbeit von Friedrich Merz versichern.
Jetzt also eine Neujahrsansprache zur Migration nach Deutschland wie Pausenraumgeschwätz aus dem Speisesaal einer x-beliebigen Firma. Oder nein, da traut man sich soclhe Themen längst nicht mehr anzusprechen. Belangloser parteipolitischer Magerquark wird serviert, der schon längst hätte breitgetreten werden müssen. Wo also war Merz zu den Sturm- und Drangzeiten dieses Themas?
Europa soll jetzt Verabredungen mit den Herkunftsländern bzw. Tranistländern treffen, sagt Merz, als hätte er ein paar Schuljahre lang nicht aufgepasst, woll aber jetzt trotzdem zum Abitur zugelassen werden. Ein Satz entfleucht ihm, der selbst noch für Zuwanderungskritiker wie tief aus der Mottenkiste klingt: „Die klare Botschaft an die Flüchtlinge wie an die Schlepperorganisationen muss sein: Es ist lebensgefährlich, und es wird keinen Erfolg haben.“ Nein, keine Sorge, Merz meint mit Schlepperorganisationen nicht die Nichtregierungsorganisationen der so genannten Seenotrettung, nicht die Partnerorganisationen des zukünftigen grünen Koalitionspartners. Zu diesem Kern dringt er nicht vor.
Aber was hätte Merz machen sollen? Wie generiert man hier irgendeinen Rest von Glaubwürdigkeit mit einer eindeutigen nachvollziehbaren Position, die sich nicht scheut, zu polarisieren? Die sich nicht scheut, eben notfalls für die kommenden vier Jahre nach der Bundestagswahl eine oppositionelle Rolle zu sein?
Will Friedrich Merz ein glaubwürdiger Kandidat sein, der dieses desolate und orientierungslose Deutschland wieder aufrichten und auf Kurs bringen will, dann muss er sich insbesondere auch gegen die Altmedien wenden und gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, anstatt sich ihrer auch noch zu bedienen, dann muss er ernst nehmen, was aus diesen Reihen wenn auch nur zart an Selbstkritik kam, als beispielweise Giovanni di Lorenzo für die Zeit und Kai Gniffke als ÖR-Nachrichtenmacher quasi um Verzeihung baten, dass sie ihre Arbeit nicht vernünftig gemacht und durch Dauer-Schönrednerei das Schlamassel mit angerichtet haben.
Will Merz wirklich für eine Position werben, dann muss er sich ehrlich machen. Muss angreifen und klar stellen, dass er notfalls auch mit der Union in die Opposition zu gehen bereit ist. Oder noch präziser: Er muss diesem schwarz-grünem Experiment, diesem vergiftetem Erbe der scheidenden Bundeskanzlerin eine klare Absage erteilen – wegen grundsätzlicher Unvereinbarkeit.
Aber was hat Friedrich Merz noch im Juni 2020 angeregt? Eine Zusammenarbeit mit den Grünen: „Schwarz-grün sitzt doch in vielen bürgerlichen Familien längst am Frühstückstisch.“ Und man ahnt direkt, was sich Merz dabei so vorstellt: Vati hinter der Süddeutschen, Mama mit Schürze brav am Schulstullen schmieren, bevor sie sich selbst für den Halbstagsjob fertig macht, und dann das Abschiedsküsschen.
Und dann sagte Vati wieder diese an Glaubwürdigkeit nur so treffenden Sätze wie diesen hier: „Ich traue mir zu, das Unionsprofil in einer Konstellation mit den Grünen klar erkennbar zu machen.“ Was für ein Satz eigentlich, der ja im Umkehrschluss das ganze Dilemma der Union wiederspiegelt: Man ist sich nicht einmal mehr sicher, ob es möglich ist, gegenüber den Grünen ein Unions-Profil überhaupt noch erkennbar zu machen! Mal kurz rechts blinken und dann doch wieder links abbiegen, das reicht nicht mehr, um Wähler zu triggern.
Für die Union kann es doch nur noch einen Weg geben, sich wieder glaubwürdig zu machen: Entledigt euch endlich socher Sternschnuppenkarrieristen, bietet den Menschen im Land wieder glaubwürdige konservative Positionen an und geht dann eben für ein paar Jahre oder mehr in die Opposition, wenn sich dafür keine Mehrheiten finden. Denkt endlich wieder an das Land und seine Menschen.