Alles schaut gebannt auf die Zahl der Neuinfektionen, die das RKI täglich übermittelt. Dabei ist die vom RKI erhobene Zahl schon von vornherein nicht wirklich aussagekräftig: Wir reden immer nur über bestätigte Fälle, die Dunkelziffer wird nicht mal schätzungsweise eingebracht. Deshalb haben wir in Deutschland eine Fallsterblichkeit von teilweise bis zu 5%, was für eine besonders gefährliche Krankheit sprechen würde. Vieles spricht dafür, dass die RKI-Infektionszahlen nicht mal in der Dimension richtig sind (wie TE hier zeigte).
Jetzt wurden die Ergebnisse einer großangelegten Anti-Körper-Studie der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität veröffentlicht, die diese Überlegungen im Kern bestätigen. Fast 5.313 Münchener Bürger wurden erst bis Juni und dann ein ähnlicher Pool an Teilnehmern nochmal Anfang November auf Anti-Körper untersucht. Damit lässt sich also zeigen, wieviele Menschen vermutlich bereits Corona gehabt hatten – und es gar nicht bemerkt haben.
Die Münchener Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur etwa jede 4. Infektion in der ersten Welle vom RKI erhoben wurde und jede 2. Infektion in der angehenden 2. Welle. Bis Juni sollen sich rund 1,74 Prozent der Münchener Bevölkerung mit Corona infiziert haben und rund 3,27 Prozent bis Anfang November. Geht man davon aus, dass die Dunkelziffer sich in der 2. Welle nicht verändert hat, hätten wir heute eine Durchseuchung der Bevölkerung von rund 6 Prozent.
Die Größe der Dunkelziffer hängt logischerweise mit der Frage zusammen, wie flächdendeckend getestet wurde. Die Studie endet in der ersten Novemberwoche, und kurz danach änderte das RKI seine Testkriterien, sodass nur noch Menschen mit akutem Verdacht getestet wurden. Die Gesamtzahl der durchgeführten Tests ging zurück, während die Positivenquote der Tests nach oben ging. Mittlerweile liegt diese Positivenquote bei über 10 Prozent und hat sogar die des Frühlings überschritten – diese offensichtlich abnehmende Abdeckung durch Tests spricht für eine sich erhöhende Dunkelziffer. Tatsächlich dürften wir also wieder eine im Verhältnis höhere Dunkelziffer haben als Anfang November.
Es ist zudem eher davon auszugehen, dass die Studie der LMU die Dunkelziffer noch nicht vollends abbilden kann, da nur Bewohner in Privathaushalten und unterproportional wenige Menschen, die nicht in Deutschland geboren wurden, teilnahmen – insbesondere für Wohnheime und Pflegeeinrichtungen wurden keine Daten erhoben, hier sind aber die mit am größten Infektionsherde.
Die Fallsterblichkeit würde laut der Studie bei 0,47 Prozent liegen, was in der Nähe der von der WHO angegebenen Letalität von 0,23 Prozent liegt und weitaus geringer ist als das, was das RKI als Fallsterblichkeit misst.
Sich diese Relationen klar zu machen, ist entscheidend für eine vernünftige Corona-Politik. Denn keinesfalls haben wir es hier mit einer sehr tödlichen Krankheit zu tun, die wir mit Kontaknachverfolgung, Eingrenzung und Quarantänisierung der Erkrankten auf die Dauer eindämmen können – wir haben es vielmehr mit einer Krankheit zu tun, die die Bevölkerung etwa in dem Maße durchseucht wie normale Grippewellen und auch etwa die Gefährlichkeit mit sich bringt. Die Durchseuchung ist bereits soweit fortgeschritten, dass es nahezu unmöglich erscheint, das wieder einzufangen.
Ein erhebliches Problem – das wird zwar immer beiläufig gesagt, aber nie ernst genommen – besteht nur bei den Risikopatienten. Dadurch, dass man einen 30-Jährigen in einem Club vor einer Infektion schützt, ist dem Bewohner eines Altersheims aber nur sehr mittelbar geholfen. Die Anstrengungen der Corona-Politik laufen zum Großteil also am Thema völlig vorbei.
Tote & Intensivpatienten
Die Infektionen bei den Hochrisikogruppen sind nach wie vor auf einem sehr hohen Level, die Infektionsketten in den Altersheimen gehen weiter, das dürfte weitere verhältnismäßig hohe Todeszahlen nach sich ziehen:
Dementsprechend nehmen die ohnehin schon sehr hohen Todeszahlen bei den Risikogruppen in der 2. Welle überproportional zu. Bis zum 27. Oktober (ungefähr der Start des Lockdown Lights) starben 1.478 Menschen unter 70 Jahren an Corona und seit dem 27. Oktober weitere 1.746 – die Zahl ist hier ungefähr gleich. Bei den über 70-Jährigen sind bis zum 27. Oktober hingegen 8.612 Menschen gestorben und seitdem 15.128 – die Zahl hat sich also fast verdoppelt. Die Problematik spitzt sich in der 2. Welle zunehmend auf die Risikopatienten und die Altersheime zu, während bei der restlichen Bevölkerung vermutlich weder die Toten noch die Infektionen wesentlich die erste Welle übersteigen.
Die Todeszahlen insgesamt erreichten dadurch bedingt Anfang der vergangenen Woche ihren bisherigen Höchststand und gingen in den letzten Tagen zurück. Ob sich hier der überschrittene Zenit der Krankheit abzeichnet oder es sich nur um statistische Schwankungen handelt, werden die nächsten Tage zeigen. Insgesamt hat aber keine Woche die Corona-Todeszahlen erreicht, die für die schlimmste Woche 2018 an Grippetoten geschätzt werden.
Die Situation in den Krankenhäusern scheint sich zunächst nicht weiter zuzuspitzen, die Zahl der in Deutschland insgesamt belegten Intensivbetten ist seit zwei Wochen rückläufig, die Zahl der neueingelieferten Corona-Fälle stagniert, durch lange Behandlungszeiten staut sich die Gesamtzahl der intensiv-behandelten Corona-Patienten aber dennoch auf. Der Rückgang der verfügbaren Betten-Kapazitäten, u.a. bedingt durch Quarantänisierung des Pflegepersonals, setzt sich allerdings ebenfalls weiter fort. In den letzten zwei Wochen sind zwar rund 1.000 Intensivbetten in Deutschland frei geworden, durch die Abnahme der Gesamtkapazität ist die Zahl der freien Betten aber ungefähr gleich geblieben. Corona ist nach wie vor nur sehr selektiv ein entscheidender Faktor auf den Intensivstationen, die Triage bleibt aus:
Wie man die Zahl der Intensivpatienten und Toten erfolgreich mit klarem Fokus auf die Risikogruppen und Altersheime nach unten drückt, zeigt das Beispiel Tübingen. Nur 17 Corona-Patienten sind hier aktuell laut DIVI-Intensivregister in intensivmedizinischer Behandlung. Da das Universitätsklinikum gut ausgestattet und spezialisiert ist, sind viele der Patienten außerdem gar nicht aus Tübingen, sondern wurden hier hin zur Behandlung verlegt. Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass 16 der 17 Patienten invasiv beatmet werden, durchschnittlich wird das nur ca. jeder zweite Corona-Intensivpatient.
Die Methode Tübingen wird aber nicht kopiert u.a. wegen Bedenken gegenüber den hier massiv eingesetzten Schnelltests, die den Menschen angeblich falsche Sicherheit verspreche. Die Bundesrepublik setzt also all ihre Kapazitäten für Gießkannen-Maßnahmen ein, anstatt sich auf konkrete Probleme und deren Lösungen zu fokussieren.
Impfung
Unsere Regierung setzt voll auf die Impfung. Und unabhängig vom Für und Wider dieses Konzepts: Sie scheitert dabei. Während sich die USA unter Trump dem Millionsten Geimpften nähern, und selbst das kleine Israel schon 280.000 Menschen versorgt hat, legt man in Deutschland ganz allmählich nach Lieferpannen und verkorksten Deals los.
Aber wie soll man nun die Impfung bewerten, was wissen wir und was nicht?
Es handelt sich im Fall von Pfizer-Biontech um einen RNA-Impfstoff. Die Technologie dahinter ist durchaus revolutionär und vermutlich die zukunftsweisende – denn es werden keine abgeschwächten Erreger einer Krankheit mehr verabreicht, das heißt die Krankheit kann nicht durch die Impfung ausbrechen. Auch dringt die Impfung nicht in den Zellkern ein, sondern sorgt als Botenstoff lediglich dafür, dass bestimmte Proteine codiert werden, die dann das Immunsystem als Antigene bekämpft. Die RNA kann auch einfach und schnell vom Körper abgebaut werden. Soweit das Positive.
Der Nachteil: Wir wissen wenig, es ist der erste weltweit zugelassene RNA-Impfstoff. Die Nebenwirkungen, die bisher aufgetreten sind, sind nicht außergewöhnlich, lediglich bei bestimmten Allergien treten erhöhte Nebenwirkungen auf, weswegen in Großbritannien die Vergabe an bestimmte Allergiker gestoppt wurde. Die Langzeitfolgen sind aber nicht zu bemessen, bei der zuletzt in kürzester Zeit entwickelten Schweinegrippenimpfung trat bspw. in einigen Fällen Nervenleiden auf, bspw. die Schlafkrankheit mit über 50 Fällen in Deutschland.
Auch die extreme Anforderung, den Impfstoff bei minus 70 Grad zu lagern, stellt vor große Probleme – aktuell wurden in Oberfranken 1.000 Dosen dadurch für unbrauchbar erklärt, weil die extreme Kühlung nicht eingehalten werden konnte. Inwieweit diese Lieferkette überhaupt stets eingehalten werden kann und nicht etwa zum Teil umbrauchbarer Impfstoff verwendet wird, ist sehr fraglich.
Was durch eine großangelegte Studie als sicher gilt, ist, dass die jetzige Corona-Impfung durchschnittliche Patienten relativ effektiv vor einer Infektion schützt, 95 Prozent Wirksamkeit gibt der Hersteller an. Daten zu den Hochrisikogruppen gibt es allerdings kaum. Und die Gefahr ist groß, dass Menschen mit einem geschwächten Immunsystem diese durch die Impfung ausgelöste Immunreaktion nicht mehr ausreichend ausbilden können – der Impfstoff hier kaum Wirkung entfalten würde.
Für die meisten Menschen ohne Vorerkrankungen und nicht fortgeschrittenen Alters ist der Impfstoff wirksam, aber die haben auch von einer Corona-Infektion wenig schwere Folgen zu erwarten. Ob sich das medizinisch lohnt mit dem kleinen Restrisiko unvorhersehbarer Nebenwirkungen, ist fraglich. Bei Hochrisikogruppen, die einen Impfstoff wirklich bräuchten, ist die Wirksamkeit wiederum fraglich und mögliche allergische Schocks natürlich nochmal schlimmer im Verlauf.
Der Impfstoff wird wohl am meisten bei Bürgern zum Zuge kommen, die damit ihre Corona-Panik ablegen wollen, und solchen, die hoffen, damit harte, einschneidenden Maßnahmen vielleicht umgehen zu können. Diese beiden Effekte dürfte der Impfstoff als positive Folgen mit sich bringen – und beides ist nicht zu unterschätzen. Ebenso wie der positive Image-Effekt für die Gentechnik.
Bei allen offenen Fragen ist jedoch unübersehbar: Der Gießkannen-Lockdown hilft nicht und es handelt sich, objektiv und sachlich betrachtet, um keine besondere Extremsituation. Mehr darüber demnächst.