Die Welt kündigt einen Artikel über den Muezzinruf über Herford so an: „Moscheestreit in Herford: Wenn der Ruf des Muezzins zur psychischen Belastung wird.“ Die westfälische Stadt mit ihren rund 67.000 Einwohnern gilt diversen gesellschaftlichen Gruppen mittlerweile als eine Art Vorreiter.
Oder kritischer betrachtet: Das beschauliche Herford steht wegen einer bestimmten politischen Entscheidung im Fokus derer, die den Graben quer durch die Gesellschaft offenbar vertiefen wollen. Das liegt in besagtem NRW-Städtchen daran, dass Herfords sozialdemokratische Bürgermeister Tim Kähler hier im Juni 2020 den Ruf des Muezzins gestattet hat. Und das ausgerechnet noch für eine jener Ditib-Moscheen, die direkt der türkischen Regierung unterstellt sind. Das Westfalen-Blatt schrieb damals: „Allahu Akbar – Allah ist jetzt auch in Herford am größten …“
Die Stadt Herford genehmigte den Gebetsruf am Freitag und in der Zeit zwischen 13:30 Uhr und 14:30 Uhr. So selten ist das in Deutschland allerdings gar nicht mehr, deshalb aber nicht weniger umstritten: Hannover, Dortmund, Köln, Wuppertal, Krefeld und Osnabrück haben Muezzin-Rufe Corona-bedingt ebenfalls gestattet. Andere Städte wie Bremerhaven und Mannheim hatten diese Form der öffentlichen Religionsausübung hingegen untersagt – und zwar so lange, bis ein gesellschaftlicher Konsens darüber hergestellt sei. Ein Herforder machte damit Schlagzeilen, dass er immer Freitags mit Kochlöffel und Topf in die Nähe der Gemeinde zog und ordentlich Lärm machte, bis die Polizei kam. Die christlichen Kirchen in Herford wurden dazu befragt, stehen aber nicht hinter dem Topfschläger.
Initiativen in verschiedenen deutschen Städten für den Muezzin-Ruf, so verrät der Pfarrer aus Herford gegenüber dem Westfalen Blatt, seien zum Teil christlich-muslimische Initiativen. Für den Pfarrer „ein Zeichen eines guten interreligiösen Dialogs.“ Von den nichtmuslimischen Herfordern erwartet der Pfarrer „Toleranz und die Bereitschaft zu einem rücksichtsvollen und konstruktiven Miteinander.“
Die türkischen Ditib-Gemeinden gehören zwar nicht zu den über 100 allein in NRW vom Verfassungsschutz beobachteten Moschee-Gemeinden, aber schon 2019 schloss beispielsweise der bayrische Innenminister Joachim Herrmann eine Beobachtung des unter der Regie der türkischen Regierung arbeitenden Ditib-Moscheeverbandes nicht mehr aus. Bis auf wenige Ausnahmen werden die Imame von annähernd eintausend Ditib-Gemeinden in der Türkei ausgebildet. Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam sagte Anfang 2020 gegenüber der Augsburger Allgemeinen: „Ditib bleibt die Auslandsdependance einer türkischen Behörde und ermöglicht Präsident Erdogan, mittels politischer Propaganda in den Moscheen Wahlen zu entscheiden.“ Tatsächlich hatte die überwiegende Mehrheit der in Deutschland wahlberechtigten Türken für Erdogan gestimmt. Und weitere Umfragen haben gezeigt, das ein großer Teil dieser Türken den Islam über das deutsche Grundgesetz stellt.
Dem Herforder sozialdemokratischen Oberbürgermeister sind solche negativen Gedanken offensichtlich zu kleinkariert. Nicht fehlen darf in diesem Orchester auch der Nachfolger von Hans-Georg Maaßen an der Spitze des Bundesverfassungsschutzes: Thomas Haldenwang warnt vor einen „Generalverdacht“ gegen Ditib. Das muss man sich erst einmal trauen. Worum geht es hier? Haldenwang sieht „Erdogan nicht als Islamisten.“ Die Gefahr sei „nur punktuell, aber nicht in der Fläche.“ Angela Merkel und der Türkei-Deal werden es ihm danken – oder diktiert haben?
Die Einwohner in Herford müssen also jeden Freitag den Muezzin-Ruf hören. Eine viel größere Zumutung ist dieser Ruf noch für Zugewanderte ohne muslimischen Hintergrund, solche beispielsweise, die vor dem Islamischen Staat, vor seinen Schergen und Folterknechten geflohen sind. Die Welt zitiert eine Familie, die in ihrer neuen christlichen Heimat Deutschland, wie sie es nennen, niemals einen so gut organisierten Islam erwartet hätten, noch dazu so einen hochexplosiven.
An Weihnachten muss diese Zumuntung für die letzten gläubigen Christen und für den einen oder anderen Herforder noch um ein vielfaches schlimmer aufschlagen: Der Ruf des Muezzins über den Dächern der Stadt. Wer in so einer Einflusssphäre etablierter Politik lebt, die so konfrontativ und so weit fortgeschritten ist, der stellt hier vor allem eines fest: Die physisch-akustische Wahrnehmung ist noch einmal eine andere Hausnummer als die abstrakte Diskussion darüber, ob so etwas denn möglicherweise eingeräumt werden müsse. Nein, muss es nicht.
Wer aus törichter Gefallsucht oder um auf der Zielgeraden eines ereignisarmen Lebens wenigstens noch durch die schrille Idee aufzufallen, in Deutschland den Ruf des Muezzins zur Normalität machen zu wollen, muss in seine Schranken gewiesen werden. Sollte es rote Linien geben, dann gehört der Muezzinruf dazu.
Der Ruf des Muezzins ist eine Nötigung schon deshalb, weil man sich ihm nicht entziehen kann. Deutschland muss aber zuerst nicht vor diesem Ruf geschützt werden. Sondern vor Deutschen, die solche Ideen propagieren aus Selbstverachtung oder welchem Grund auch immer. Menschen, denen dann ein wohliger Schauer über den Rücken läuft, wo unter dem Applaus rotgrüner Politik halbstarke linksextreme Kleinkriminelle meterlange „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“- Spruchbänder auf Demonstrationen mitführen. Wer so empfindet, wer dieses Land so hasst oder wer so wenig Liebe zum Eigenen empfindet wie dieser satte Herforder Sozialdemokrat, der muss es tatsächlich genießen, über Deutschland den Muezzin-Ruf zu hören. Oder es ist ihm vollkommen egal, denn er genießt den Rummel um seine Haltung.