Weihnachten ist in diesem Jahr anders. Früher hat man sich selbst Stress gemacht: Sind alle Geschenke da? Alle Karten geschrieben? Die Gans im Rohr, ist genug für alle da, der Sekt kalt genug? Genügend Stühle im Haus für die lange Tafel?
Um den Sitzplatz in der Christmette braucht man sich heuer nicht sorgen – Stille Nacht, heilige Nacht fällt aus. Viele Stühle bleiben heuer leer. Stress brauchen wir uns nicht selbst zu machen, der wird uns beschert. Pünktlich zum Fest die Nachrichten über eine Mutation, aufgeblasen zum Todesstern, wandelt sich das Fest der Freude zum Hort der Angst. Bekanntlich bin ich ja selbst schon aus beruflicher Veranlassung auf das Schlimmste gefasst und am Aufregenden interessiert – Journalismus lebt von Wasserhähnen, die tropfen, nicht vom Bericht über jene, die im Normalbetrieb ihren Dienst verrichten.
Aber diese Angstmacherei geht mir zu weit. Denn diese Angst beginnt, unsere Seele aufzufressen. Zu unserem Wohlbefinden gehört, dass wir feiern, uns besuchen, endlich mal in eine gelassene Grundstimmung fallen, auf das Zählen von Kalorien und Promillen mal verzichten, Kraft tanken, Luft schnappen, Spazieren gehen. Ein Buch lesen, in die Kerzen schauen und die Spiegelungen in den Kugeln und Engeln bewundern. Uns gegenseitig gute Vorsätze sagen und wenigstens kurzfristig daran glauben, dass der Anzug wieder passen könnte, statt dass der Knopf abspringt. Alkohol wird durch Achtsamkeit ersetzt und Rauch durch – wie wär’s mit Selleriesaft?
Das Jahr 2020 war ein Jahr mit einem ungewöhnlich schönen und fröhlichen Sommer; die Zeit davor und danach war angstbesetzt. Nicht nur Corona! Der ganze Planet verglüht, angeblich morgen schon, Braunkohledämpfe ersticken uns, die Böden sind verseucht, das Schnitzel vergiftet, die Luft verpestet, das Waldsterben wieder da, und ständig, ständig sollen wir uns davor fürchten, dass Glatzen den Staat und Rechtsextreme die Macht übernehmen, Rassismus beherrsche unsere Gesellschaft. Ich finde das alles mittlerweile recht ermüdend und durchschaubar. Ständig wird irgendjemand gegen jemand anderen aufgehetzt; Frauen gegen Männer, Transsexuelle gegen Schwule, Schwarze gegen Weiße, Einwanderer gegen Einheimische, alle gegen „Rechte“, gegen „Klimaleugner“, gegen „Coronaleugner“, Vegetarier gegen Fleischesser und und und …
Gemessen an diesem permanenten Weltuntergang, diesem Dauer-Bombardement gigantischer Kometen, die unseren Planeten ständig zerstören, war das Leben trotz Corona ganz gemütlich. Mal war es warm und dann wieder kalt; es hat geregnet oder auch nicht, die Gänse wurden fett, man hat zu wenig verdient und zu hohe Steuern bezahlt, also alles ganz normal. Wenn da nicht dieser ständige Kampf wäre, zu dem wir aufgerufen werden und über den wir uns erregen müssen sollen. Aus einem Wörtchen wird ein Shitstorm, wer sich nicht sofort entschuldigt, noch ehe er weiß, wofür, wird für immer ausgeladen, ausgeschlossen, mit Bann belegt.
Der Verfassungsschutz will auch unterm Weihnachtsbaum mithören, zum Fest gibt’s den Selbsttest, ob wir dem inneren Rassismus widerstehen können. Mehr als nur schräg. Es ist ein Konzept. Es mobilisiert die Kräfte auf der Seite der „Guten“, und je imaginärer die Schatten, die man bekämpft, um so leichter lässt sich verdrängen, was tatsächlich schiefläuft. Schief läuft eine Politik, die im Aufhetzen und Herumhetzen ihre Berufung sieht, nicht aber im Lösen von Problemen. Unsere Wirtschaft schrumpft, die Währung ist durch gigantische Schuldenmacherei bedroht. Ungesteuerte Zuwanderung, fehlende Integrationsbereitschaft nicht weniger Zuwanderer, Parallelgesellschaften und Clan-Kriminalität bedrohen den Zusammenhalt und die Sicherheit unserer Gesellschaft. Mietendeckel bauen keine einzige Wohnung, dazu braucht es Maurer und Unternehmer. Die Renten werden nicht sicherer dadurch, dass man sie erhöht.
Das sind alles ganz konkrete Probleme und Herausforderungen, die man ganz praktisch anpacken kann. Wer aber immerzu planetarische Probleme beschwört, drückt sich vor notwendigen handfesten Problemlösungen, ersetzt Arbeit durch Sonntagsreden und lähmt durch Angst, statt hoffnungsfroh an der Zukunft zu arbeiten, wo sie tatsächlich gestaltbar ist. Die Klimadebatte hat kein einziges Hundertstelgrad verändert, der „Kampf gegen Rechts“ niemanden bekehrt, die Beschwörung von angeblichem Rassismus keine einzige Ungerechtigkeit gemindert, und die Frauenquote in der Vorstandsetage lässt die Frau unverändert dort, wo sie sitzt: An der Kasse und vor dem Fließband, und daran ändern auch gesprochene Gendersternchenpausen von Fernsehansagerinnen und unlesbare Texte nichts. Windräder erzeugen keinen Dauerstrom, Elektro-Autos verbrauchen auch Energie und hinterlassen Dreck in der Luft, zwar woanders, aber nicht weniger.
Lassen wir uns nicht mehr abschrecken, erschrecken, in die Enge treiben. Das Spiel ist zu durchschaubar. Die Daten zu verheerend, die Bilanz der letzten Jahre Regierungshandelns zu rot, im eigentlichen Wortsinne und im übertragenen.
Ruhe will nicht einkehren. Sie wird Ihnen nicht vergönnt und TE sowieso nicht. Frisch zum Fest flattern bei uns die Abmahnschreiben auf den Schreibtisch. Wir sollen nicht mehr berichten dürfen, was griechische Zeitungen breit und tief melden: Wie Schmugglerbanden über die Türkei Migranten aus Afrika nach Lesbos schicken, unterstützt von deutschen NGOs. Das alles soll der deutsche Leser nicht erfahren; dafür wird ihm eingetrichtert, dass Griechenlands zerklüftete Seegrenze freigegeben werden soll zur grenzenlosen Einwanderung. Das kleine Land wehrt sich für uns und wird dafür beschimpft – wie 2015 Ungarn; und bedroht wird, wer darüber schreibt.
Wir haben im Frühjahr darüber berichtet, dass selbst im Innenministerium Zweifel daran laut wurden, ob nicht die vielen Kosten und Leiden der Pandemiebekämpftung höher sind als die erzielten Erfolge. Wir berichteten über Angriffe auf unsere Demokratie, die nur in der Phantasie von Redakteuren und Politikern stattfinden, aber nicht im Bundestag. Wir halten dagegen mit einer Reichweite im elektronischen Markt, die mittlerweile an die großer überregionaler Tageszeitungen heranreicht. Deshalb werden wir beschimpft und diffamiert, und oft werde ich gefragt: Wie halten Sie das aus?
Meine Kollegen und ich, unsere Partner und Mitarbeiter halten das aus, weil Sie uns dabei helfen. Sprechen wir nicht von der Angst. Reden wir über die vielen Zuschriften, die uns zum Durchhalten ermuntern und auffordern, über die Geschenke, die uns erreichen, die Briefe, mit denen Leser sich bedanken. Das gibt uns die Kraft.
Wir werden es nicht jedem Recht machen, und wir wollen es nicht jedem Recht machen. Aber wir wollen kritisch über alles schreiben, was in diesem Land und drum herum geschieht. Mit zunehmender Breite, immer neuen Autoren, immer wieder neuen Sichtweisen – kontrovers und ehrlich. Wir haben nicht die Weisheit mit Schöpflöffeln gefressen und wir ermuntern jeden sich breit zu informieren, zu diskutieren und zu streiten.
Aber alles ist nur möglich, weil Sie uns tragen.
Dafür sagen wir danke.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben Fröhliche Weihnachten und schöne, entspannte Weihnachtsfeiertage!